
Der Bundestag hat am 23. Juni 2023 das reformierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen. Damit soll ausländischen Fachkräften der Weg in den deutschen Arbeitsmarkt erleichtert werden. Was genau beinhaltet das Gesetz?
Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig und branchenübergreifend. Damit ausländische Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern künftig leichter in Deutschland arbeiten können, hat der Gesetzgeber ein moderneres Einwanderungsrecht auf den Weg gebracht. Den entsprechenden Gesetzentwurf zur Reform des Einwanderungsgesetzes hat der Bundestag am 23. Juni 2023 beschlossen. Vorgesehen sind einige Erleichterungen: So dürfen berufserfahrene Fachkräfte künftig auch ohne in Deutschland anerkannten Abschluss tätig werden. Zudem dürfen Drittstaatsangehörige, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen, mit einer Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems zur Suche eines Arbeitsplatzes einreisen.
Fachkräftesäule als zentrales Element der Einwanderung
Das Gesetz sieht ein Drei-Säulen-Modell vor, auf das die Fachkräfteeinwanderung gestützt werden soll: Fachkräftesäule, Erfahrungssäule und Potenzialsäule. Zentrales Element der Einwanderung soll die Fachkräftesäule bleiben. Diese soll es Menschen aus Drittstaaten mit einem deutschen oder einem in Deutschland anerkannten Abschluss ermöglichen, in allen qualifizierten Beschäftigungen zu arbeiten. Die "Blaue Karte EU" mit ihren günstigen Bedingungen für Familiennachzug, einen unbefristeten Aufenthalt und den Jobwechsel sollen künftig noch mehr Fachkräfte mit Hochschulabschluss erhalten können. Deutschland setzt damit die Regelungen der reformierten "Blue Card" -EU-Richtlinie für hochqualifizierte Einwanderer um.
Unter anderem wird die Mindestverdienstgrenze für die Erteilung der Blue Card für akademische Fachkräfte gesenkt. Im Referentenentwurf war noch vorgesehen, dass das Mindesteinkommen 56,6 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung betragen muss. Diese Mindestgehaltsschwelle für die Erteilung der Blue Card für Regelberufe legt das Gesetz jetzt auf nur noch 50 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung fest. Die neue Mindestgehaltsschwelle liegt damit im laufenden Jahr bei 43.800 Euro brutto im Jahr. Auch Menschen ohne Hochschulabschluss, aber mit dreijähriger Berufsausbildung sollen bei Vorliegen eines konkreten Arbeitsangebotes eine Blue Card erhalten können. Zudem sollen IT-Spezialistinnen und -Spezialisten künftig unter bestimmten Voraussetzungen eine Blue Card erhalten können, wenn sie zwar keinen Hochschulabschluss besitzen, aber bestimmte non-formale Qualifikationen nachweisen können. Neu ist, dass Fachkräfte künftig jede qualifizierte Beschäftigung ausüben können sollen: Eine als Kauffrau für Büromanagement anerkannte Fachkraft soll auch im Bereich Logistik als Fachkraft beschäftigt werden können.
Erfahrungssäule: Berufserfahrung und ausländischer Abschluss
Auch ohne, dass ihr Abschluss in Deutschland formal anerkannt ist, dürfen ausländische Fachkräfte künftig in nicht reglementierten Berufen in Deutschland arbeiten. Voraussetzung sind mindestens zwei Jahre Berufserfahrung sowie ein im Herkunftsland staatlich anerkannter Berufsabschluss mit mindestens zweijähriger Ausbildungsdauer. Das bedeutet deutliche Vereinfachungen und somit kürzere Verfahren. Jedoch ist eine Gehaltsschwelle einzuhalten oder es muss eine Tarifbindung vorliegen. Hierdurch soll verhindert werden, dass eigentlich qualifizierte Fachkräfte im Niedriglohnsektor landen.
Neu ist auch, dass die Aufnahme einer Beschäftigung in Deutschland mit einer sogenannten Anerkennungspartnerschaft möglich sein soll, wenn die Gehaltsschwelle nicht erreicht wird. Die künftige Fachkraft kann dann in Deutschland bereits vom ersten Tag an eine Beschäftigung aufnehmen, obwohl ihr Berufsabschluss noch nicht anerkannt ist, soweit dies berufsrechtlich erlaubt ist. Dies gilt auch, wenn noch Qualifizierungen notwendig sind. Beschäftigte und Arbeitgeber verpflichten sich, das Anerkennungsverfahren zügig durchzuführen.
Potenzialsäule: Mit Chancenkarte zur Arbeitssuche
Mehr Menschen aus Drittstaaten, die noch keinen deutschen Arbeitsvertrag haben, aber einen ausländischen, mindestens zweijährigen Berufsabschluss, sollen die Möglichkeit zur Arbeitssuche vor Ort in Deutschland bekommen. Mit einer sogenannten Chancenkarte erhalten sie einen Aufenthaltstitel für zunächst bis zu einem Jahr zur Arbeitssuche. Während der Arbeitsplatzsuche ist eine Beschäftigung im Umfang von bis zu zwanzig Wochenstunden erlaubt, auch die Probebeschäftigung bei einem zukünftigen Arbeitgeber für bis zu zwei Wochen. Auch die Voraussetzung für eine Einreise zur Ausbildungssuche werden abgesenkt.
Wer eine Chancenkarte erhält, soll nach einem transparenten und unbürokratischen Punktesystem ausgewählt werden. Zu den Auswahlkriterien gehören Qualifikation, Sprachkenntnisse (neben Deutschkenntnissen zählen auch Englischkenntnisse), Berufserfahrung, Deutschlandbezug und das Alter. Des Weiteren wird auch das Potenzial des mitziehenden Ehe- oder Lebenspartners berücksichtigt. Eine Qualifikation in einem Engpassberuf ist ein zu bepunktendes Kriterium für die Chancenkarte. Als Mindestvoraussetzung für die Deutschkenntnisse ist nur noch A 1 vorgesehen, ab Sprachniveau A 2 werden die Sprachkenntnisse extra bepunktet.
Im Gesetz ist auch die Möglichkeit einer Verlängerung der Chancenkarte um bis zu zwei Jahre vorgesehen, wenn der Ausländer oder die Ausländerin einen Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Arbeitsplatzangebot für eine inländische qualifizierte Beschäftigung hat und die Bundesagentur für Arbeit zustimmt.
Kurzzeitige Beschäftigung in Branchen mit großem Bedarf
Das Gesetz sieht weiter die Möglichkeit einer kontingentierten kurzzeitigen Beschäftigung für Branchen mit besonders großem Bedarf vor. Darüber ist es unabhängig von einer Qualifikation möglich, acht Monate in Deutschland zu arbeiten. Voraussetzung ist ein tarifgebundener Arbeitgeber. Die Beschäftigung wird vom ersten Tag an sozialversicherungspflichtig sein.
Vom Asylbewerber zur Fachkraft
Menschen, die bereits in Deutschland sind und zum 29. März in einem Asylverfahren waren, können in eine reguläre Beschäftigung kommen, wenn sie die entsprechenden Qualifikationen mitbringen. Das gibt Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind, eine Perspektive für mehr Integration. Asylbewerber, deren Verfahren bereits läuft, werden künftig die Möglichkeit haben, eine Berufsausbildung zu beginnen. Dieser sogenannte Spurwechsel vom Asylverfahren in die Anerkennung als Fachkraft wird allerdings nur rückwirkend möglich sein. Asylbewerbern, die bis 29. März noch nicht im Asylverfahren waren, steht diese Möglichkeit nicht offen. Damit will der Gesetzgeber verhindern, Anreize für irreguläre Migration zu schaffen.
Das am 23. Juni vom Bundestag verabschiedete Gesetz sieht auch vor, dass den Eltern einer Fachkraft eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug erteilt werden kann. Gleiches gilt für die Schwiegereltern einer Fachkraft, wenn sich deren Ehepartner dauerhaft in Deutschland aufhält.
Fachkräfteeinwanderung: Weniger Bürokratie und mehr Unterstützung in Betrieben
Zentrales Anliegen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes ist es, die Zuwanderung internationaler Fachkräfte zu erleichtern. Über die Möglichkeiten der Fachkräfteeinwanderung und die aktuellen Regelungen zur Einreise können sich Arbeitgeber über das Informationsportal "Make it in Germany" informieren.
Mit dem Gesetz wurde im Jahre 2020 erstmalig ein einheitlicher Fachkräftebegriff eingeführt. Fachkräfte sind Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen sowie Beschäftigte mit qualifizierter Berufsausbildung.
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