Vor Gericht: Streik auf dem Amazon-Firmenparkplatz

Der Online-Händler Amazon ist mit seinen Verfassungsbeschwerden gegen die Streiks auf seinem Betriebsgelände gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht nahm diese nicht zur Entscheidung an. Es bestätigte damit zwei Urteile des Bundesarbeitsgerichts, wonach Amazon Streikmaßnahmen der Gewerkschaft Verdi dulden muss.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 9. Juli 2020 festgestellt, dass Amazon durch die Streiks an zwei Standorten auf betriebseigenen Parkplätzen nicht in seinen Grundrechten verletzt wird. Die fachgerichtlichen Entscheidungen seien verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. 

Das BAG hatte dem Streikrecht der Gewerkschaft Verdi gegenüber dem Hausrecht des Arbeitgebers – aufgrund der örtlichen Besonderheiten – in zwei ähnlichen Verfahren den Vorrang gegeben. Der Gewerkschaft sei nur so möglich, Beschäftigte ansprechen zu können, um ihre Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG auszuüben.

Der Fall: Amazon will Streik auf Betriebsgelände verbieten

An zwei Standorten hatte die streikführende Gewerkschaft Verdi auf nicht eingezäunten und zum Betriebsgelände gehörenden Parkplätzen des Unternehmens Amazon vor dem Betriebseingang Stehtische aufgestellt. Streikposten und Gewerkschaftsvertreter verteilten Flyer und forderten Arbeitnehmer, die zur Arbeit wollten, zur Teilnahme am Streik auf.

Vor Gericht wollte der Online-Händler derartige Streikmaßnahmen auf seinem Firmengelände unterbinden lassen. Die Gewerkschaft argumentierte, dass nur so ein Streik effektiv geführt werden könne. Angesichts der örtlichen Verhältnisse sei es anders nicht möglich, mit arbeitswilligen Arbeitnehmern sinnvoll zu kommunizieren.

In den ähnlich gelagerten Fällen liegen die Versand -und Logistikzentren außerhalb von Ortschaften in einem Gewerbegebiet. Zum zentralen Eingang in das Betriebsgebäude gelangt man nur über einen Parkplatz, der zur Nutzung für die überwiegend mit dem Auto zur Arbeit kommenden Mitarbeiter bestimmt ist. 

BAG: Amazon muss Streikmaßnahmen hinnehmen

Das Arbeitsgericht Berlin hatte der Unterlassungsklage des Unternehmens noch stattgegeben (hier gelangen Sie zum entsprechenden Urteil). Auch unter Berücksichtigung des grundgesetzlich geschützten Streikrechts sei Amazon nicht gehalten, einen gegen das Unternehmen selbst gerichteten Arbeitskampf zu unterstützen, argumentierte die erste Instanz.

Das LAG Berlin-Brandenburg wies dagegen die Unterlassungsklage von Amazon ab. Das BAG bestätigte das Urteil der Vorinstanz und stellte klar, dass es einer Gewerkschaft nicht grundsätzlich untersagt sei, Arbeitskampfmaßnahmen auf dem Betriebsgelände des Arbeitgebers durchzuführen.

Gewerkschaft kann Streikrecht nicht anders ausüben

In der Begründung führte das Gericht aus, dass es vom Streikrecht grundsätzlich umfasst sei, die zur Arbeitsniederlegung aufgerufenen Arbeitnehmer unmittelbar vor dem Betreten des Betriebes anzusprechen, um sie für die Teilnahme am Streik zu gewinnen. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen – abhängig von den konkreten örtlichen Gegebenheiten – keine andere Streikmobilisierung möglich sei, dürfe diese auch auf einem Firmenparkplatz des Arbeitgebers vor dem Betriebsgebäude erfolgen.

Keine betriebliche Beeinträchtigung, kurze Beeinträchtigung des Besitzes

Das BAG hat hier deutlich eine Abwägung im Einzelfall vorgenommen. Diese ergab, dass Amazon als Arbeitgeber zumindest eine "kurzzeitige", "situative Beeinträchtigung" des Besitzes hinzunehmen hat. Das Gericht betonte, dass Verdi angesichts der örtlichen Verhältnisse keine andere Möglichkeit gehabt habe, mit der Belegschaft zu kommunizieren und arbeitswillige Mitarbeiter zur Teilnahme an dem Arbeitskampf aufzufordern, als auf dem Parkplatz. Die betriebliche Tätigkeit von Amazon sei hierdurch nicht beeinträchtigt worden. 

BAG hebt Urteil von LAG- Rheinland-Pfalz auf

Im Ergebnis anders als das LAG Berlin-Brandenburg hatte bereits Ende August 2016 das LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 31. August 2016, Az. 4 Sa 512/15) in einem ähnlich gelagerten Fall entschieden. Nach Ansicht der LAG-Richter in Mainz bestehen keine Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers am Arbeitskampf. Das bedeutet: Amazon war nicht verpflichtet, die "Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen auf ihrem Betriebsgelände zu dulden".

Das "auf Besitz" beruhende Hausrecht muss der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit nicht weichen. Hinzu kommt, dass das Betriebsgelände zu den Betriebsmitteln der Klägerin zählt und diese nicht verpflichtet ist, an Arbeitskampfmaßnahmen der Gewerkschaft durch die Bereitstellung von Betriebsmitteln mitzuwirken", entschieden noch die Mainzer Richter.

In diesem Fall hoben die Erfurter Richter die dem Klageantrag stattgebende Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz auf und stellten die das Unterlassungsbegehren abweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts wieder her.

Verfassungsbeschwerde abgelehnt: Amazon muss Streiks akzeptieren

Mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, die Verfassungsbeschwerden von Amazon nicht zuzulassen, werden beide Urteile des Bundesarbeitsgerichts rechtskräftig.


Hinweis: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 09. Juli 2020, Az: 1 BvR 719/19

BAG, Urteil vom 20. 11. 2018, Az: 1 AZR 189/17 und 1 AZR 12/17; Vorinstanz: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. 03. 2017, Az: 24 Sa 979/16 sowie LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 31. 08. 2016, Az: 4 Sa 512/15


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Schlagworte zum Thema:  Streik, Arbeitskampf