Streik: Regeln für einen rechtmäßigen Arbeitskampf

Darf ein Warnstreik für mehr Entgelt mit einem Streik für Klimaziele verbunden werden? Diese Frage stellte sich neulich,  als Verdi nach einem Streikaufruf zusammen mit "Fridays for Future" einen Aktionstag zur Mobilitätswende veranstaltete. Das wirft ganz allgemein die Frage auf: Wann ist ein Streik rechtlich zulässig?

Wofür darf gestreikt werden? Für den 3. März 2023 rief die Gewerkschaft Verdi zum Streik der Beschäftigten des öffentlichen Personennahverkehrs in sechs Bundesländern auf. Gleichzeitig veranstaltete Verdi zusammen mit "Fridays for Future" den Aktionstag "Mobilitätswende". Dies führte zu Diskussionen darüber, ob Verdi damit möglicherweise zu einem unzulässigen Streik zur Durchsetzung allgemeinpolitischer Ziele aufgerufen haben könnte.

Ganz allgemein stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit ein Streik zulässig ist.

Streik: Unter bestimmten Voraussetzungen ein probates Mittel im Arbeitskampf

Um allgemein die Rechtmäßigkeit eines Streiks festzustellen, gibt es nur wenige verfassungsrechtliche Vorgaben und rechtliche Grundsätze. Die Verantwortung für das Arbeitskampfrecht tragen die Arbeitsgerichte, die in der Regel im Wege des einstweiligen Rechtschutzes darüber entscheiden. Grundsätzlich ist die vorübergehende Niederlegung der Arbeit als Mittel des Arbeitskampfs zur Durchsetzung eines kollektiven Interesses zulässig. Dabei müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Der Streik darf nicht gegen die Rechtsordnung verstoßen,
  • er muss von einer Gewerkschaft geführt werden und
  • er darf nicht die Friedenspflicht oder eine Schlichtungsvereinbarung brechen. 

Streik muss auf rechtmäßigen Tarifvertrag abzielen

Erste Grenze des Streikrechts ist seine Bindung an ein tariflich regelbares Ziel. Es müssen mit dem Streik also Regelungen angestrebt werden, die in einem Tarifvertrag so auch vereinbart werden dürfen. Dies sind neben den Regelungen, die Inhalt, Abschluss und Beendigung von Arbeitsverhältnissen betreffen, auch betriebsverfassungsrechtliche Fragen (§ 1 Abs. 1 TVG). 

Ein tariflich nicht regelbares Ziel liegt dagegen grundsätzlich bei politisch motivierten Streiks vor. Daher wäre ein Streikaufruf durch Verdi zur Erzwingung einer Mobilitätswende als allgemeinpolitisches Ziel nicht zulässig gewesen.

Streik muss gewerkschaftlich organisiert sein

Da nur Gewerkschaften in der Lage sind, Tarifverträge abzuschließen (§ 2 Abs. 1 TVG), ist diese Voraussetzung der gewerkschaftlichen Organisation logische Konsequenz der erstgenannten Bedingung. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) begründete dies einst mit der "scharfen Waffe des Streikrechts, die nur in die Hände der Gewerkschaften gelegt werden kann, weil nur dort mit einer verantwortlichen Rechtsausübung gerechnet werden kann" (BAG, Urteil v. 20.12.1963, 1 AZR 428/62). 

Ein Streik gilt dann als gewerkschaftlich organisiert, wenn der Streik gewerkschaftlich beschlossen und dieser Streikbeschluss verbunden mit dem Streikaufruf dem Arbeitgeber, der bestreikt werden soll, zusammen mit dem Streikziel mitgeteilt wurde (BAG, Urteil v. 23.10.1996, 1 AZR 269/96).

Streik muss eine bestehende Friedenspflicht wahren

Wird ein Tarifvertrag abgeschlossen, so vereinbaren die Parteien darin grundsätzlich eine sogenannte Friedenspflicht. Diese besagt, dass die Tarifvertragsparteien während der Laufzeit des Tarifvertrags nicht im Wege des Arbeitskampfes versuchen werden, die getroffenen Regelungen zu verändern. So darf während der Laufzeit eines Tarifvertrags nicht zum Streik aufgerufen werden, um übertarifliche Löhne für die Arbeitnehmenden zu erreichen. 

Streik: Er muss verhältnismäßig sein

Arbeitskämpfe dürfen nur dann geführt werden, wenn sie zur Erreichung des angestrebten Kampfziels geeignet, erforderlich und angemessen sind. Ein Streik darf immer nur das letzte Mittel, also "ultima ratio" zur Durchsetzung der eigenen Interessen sein. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für den Aufruf zum Streik, sondern auch für dessen gesamte Durchführung. Bei der Überprüfung der Streikmaßnahmen, wie im vorliegenden Fall ist zentraler Maßstab des Gerichts die Verhältnismäßigkeit.

Die im Streik eingesetzten Maßnahmen und Mittel dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Streikziels erforderlich ist. Dabei muss insbesondere das Gebot der Fairness und das Verbot des Übermaßes berücksichtigt werden.

Es ist jedoch nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob es das angestrebte Ziel überhaupt rechtfertigt einen Streik in der geplanten Intensität durchzuführen. Erst wenn ein sogenanntes evidentes Missverhältnis gegeben ist, kann das Übermaßverbot verletzt sein und der Arbeitskampf ist als unverhältnismäßig einzustufen. 


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Schlagworte zum Thema:  Streik, Warnstreik, Arbeitskampf, Tarifverhandlung