Fristlose Kündigung wegen verspäteter Krankmeldung unwirksam
Beschäftigte müssen ihrem Arbeitgeber ihre Arbeitsunfähigkeit unverzüglich anzeigen. Spätestens am dritten Tag ist ein ärztliches Attest nötig. Dies ergibt sich aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz. Wenn Arbeitnehmende sich zu spät krankmelden oder kein ärztliches Attest vorlegen können, kann diese Pflichtverletzung unter Umständen eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Zunächst ist in den meisten Fällen jedoch eine entsprechende Abmahnung als milderes Mittel erforderlich. Insbesondere, wenn eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund eines Krankenhausaufenthalts verspätet eingereicht wird, ist eine fristlose Kündigung unverhältnismäßig, entschied im vorliegenden Fall das LAG Berlin.
Der Fall: Kündigung wegen fehlender AU-Bescheinigung
Die Arbeitnehmerin ist seit 2019 bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt. In der Zeit vom 1. bis 17. Juli 2020 nahm sie ihren Jahresurlaub. Als sie am Montag danach, ihrem vermeintlich ersten Arbeitstag nach dem Urlaub, nicht am Arbeitsplatz erschien, keine Krankmeldung einreichte und weder per Mail noch telefonisch erreichbar war, wandte sich der Arbeitgeber am 4. August 2020 schriftlich an sie, um zu erfahren, wo sie sich befindet.
Tatsächlich erkrankte die Arbeitnehmerin am Tag nach ihrem Urlaub, einem Samstag, und wurde stationär in einem Krankenhaus aufgenommen. Der stationäre Aufenthalt dauerte insgesamt bis zum 18. September 2020.
Ob der Arbeitgeber über den Krankenhausaufenthalt durch eine Freundin der Arbeitnehmerin sowie durch ihre Tochter informiert wurde, blieb zwischen den Parteien streitig. Unstreitig Kenntnis von der stationären Behandlung der Arbeitnehmerin bekam der Arbeitgeber jedenfalls durch eine E-Mail des Sozialdienstes des Krankenhauses am 10. August 2020, in dem dieser dem Arbeitgeber die seit dem 18. Juli 2020 bestehende Arbeitsunfähigkeit mitteilte. Einen Tag später kündigte der Arbeitgeber ihr außerordentlich. Für die Monate Juli und August 2020 zahlte er keine Vergütung.
Arbeitnehmerin reicht Kündigungsschutzklage ein
Die Arbeitnehmerin wehrte sich mit Erfolg gegen diese Kündigung. Das LAG Berlin entschied, dass die fristlose Kündigung unverhältnismäßig und damit unwirksam war. Spätestens am 10. August 2020 sei der Arbeitgeber über die bestehende und fortdauernde Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin informiert gewesen. Daher habe zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung kein Verstoß mehr gegen die Anzeigepflicht einer Arbeitsunfähigkeit nach dem Entgeltfortzahlungsgesetzt bestanden.
Das Gericht wies darauf hin, dass die Arbeitnehmerin keine Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt habe. Wer in stationärer Behandlung sei, sei arbeitsunfähig und fehle nicht unentschuldigt, egal ob er diese Arbeitsunfähigkeit anzeigt oder nachweist.
Abmahnung vor Kündigung
Wenn überhaupt, habe die Arbeitnehmerin also keine gravierende Pflichtverletzung begangen sondern lediglich eine Nebenpflicht, nämlich die Pflicht, ihre krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit anzuzeigen und per Attest nachzuweisen, verletzt. Nach Auffassung des Gerichts sei hier eine vorherige Abmahnung das richtige Mittel der Wahl gewesen.
Hinweis: LAG Berlin, Urteil vom 13. Juli 2023, Az. 10 Sa 625/23; Vorinstanz, Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 24. November 2022, Az. 27 Ca 10980/20
Das könnte Sie auch interessieren:
Maßnahmen bei Zweifeln an Arbeitsunfähigkeit
Arbeitgeber darf Krankschreibung in bestimmten Fällen anzweifeln
-
Entgeltfortzahlung: Wenn unterschiedliche Krankheiten aufeinander folgen
9.053
-
Wann Urlaubsverfall und Urlaubsübertragung möglich sind
8.7503
-
Zusatzurlaub bei Schwerbehinderung von Arbeitnehmenden
7.217
-
Wann müssen Arbeitgeber eine Abfindung zahlen?
6.6172
-
Urlaubsanspruch richtig berechnen
4.555
-
Wie Arbeitgeber in der Probezeit kündigen können
4.435
-
Mindesttemperatur am Arbeitsplatz: Wie kalt darf es sein?
3.925
-
Nebenjob: Was arbeitsrechtlich erlaubt ist
3.800
-
Urlaubsanspruch bei Arbeitgeberwechsel richtig berechnen
3.41116
-
Wann Arbeitnehmende einen Anspruch auf Teilzeit haben
3.3041
-
Mindestlohn steigt zum 1. Januar 2025 auf 12,82 Euro
02.12.20242
-
EU-Richtlinie zur Plattformarbeit tritt in Kraft
28.11.2024
-
Keine Vergütung von Pausenzeiten
27.11.2024
-
Keine AGG-Entschädigung für abgelehnten 67-jährigen Bewerber
25.11.2024
-
AI-Act: EU-Gesetz zur Regelung Künstlicher Intelligenz in Kraft
22.11.2024
-
Ein arbeitsrechtlicher Rückblick auf die Ampelkoalition
21.11.2024
-
Umgang mit Geschlechts- und Namensänderungen am Arbeitsplatz
20.11.20243
-
Inflationsausgleichsprämie während Passivphase der Altersteilzeit
18.11.2024
-
Umsetzung der EU-Richtlinie für mehr Lohntransparenz
15.11.2024
-
Grundsätzliches zum Bereitschaftsdienst
14.11.2024