Unter einem Warnstreik verstand man in der Vergangenheit eine nur wenige Stunden dauernde Arbeitsniederlegung, mit der seitens der Beschäftigten ihre Entschlossenheit deutlich gemacht werden sollte, für bestimmte Forderungen auch in einen unbefristeten Streik einzutreten.

Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts waren Warnstreiks gegenüber Erzwingungsstreiks insoweit privilegiert, als sie auch vor Ausschöpfung aller Verständigungsmöglichkeiten ausgeübt werden durften. Für die Rechtmäßigkeit eines Warnstreiks bedurfte es im Gegensatz zum Erzwingungsstreik keiner förmlichen Erklärung einer der Tarifvertragsparteien zum Scheitern der Tarifverhandlungen[1].

Der Begriff Warnstreik ist überholt.

Bereits 1988 hat das Bundesarbeitsgerichts die frühere Unterscheidung zwischen Warnstreiks und Erzwingungsstreiks aufgegeben.[2] Seitdem ist jede Streikmaßnahme, wie immer die Gewerkschaft sie bezeichnet, als Erzwingungsstreik anzusehen. Damit gilt der Grundsatz, dass ein Arbeitskampf stets nur dann zulässig ist, wenn er die "ultima ratio" darstellt, ebenfalls für den Warnstreik.[3] Das heißt, dass die Tarifparteien zuvor alle anderen Möglichkeiten einer Einigung ausgeschöpft haben müssen.[4] Gleichzeitig hält das Bundesarbeitsgericht an dem Erfordernis einer förmlichen Erklärung des Scheiterns der Verhandlungen nicht mehr fest. Vielmehr sieht es in jeder Kampfmaßnahme die konkludente und gerichtlich nur auf Willkür überprüfbare Erklärung, dass Verhandlungsmöglichkeiten ohne Druck ausgeschöpft seien.[5] Damit setzt die Zulässigkeit jeder Arbeitskampfmaßnahme voraus, dass zuvor Forderungen für den Inhalt des abzuschließenden Tarifvertrages erhoben worden sind und dass in der Regel über diese Forderungen auch Tarifvertragsverhandlungen geführt wurden, es sei denn, dass die andere Seite Verhandlungen über eine Forderung überhaupt ablehnt.[6] (→ Streik)

Arbeitskampfmaßnahmen können hiernach bereits nach dem Ende der Friedenspflicht und nach Durchführung von Verhandlungen über die erhobenen Forderungen zulässig sein, ohne dass die Tarifvertragsverhandlungen, wie es für die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens erforderlich ist, förmlich für gescheitert erklärt werden müssen. Die Arbeitskampfmaßnahmen müssen jedoch von der Gewerkschaft getragen werden. Das Bundesarbeitsgericht fordert bei einem Verbandsarbeitskampf einen Beschluss des zuständigen Gremiums über Beginn, Umfang und Ende des Arbeitskampfes, der der Gegenseite zugehen muss.[7] Dabei ist zu verlangen, dass die Tarifforderung als Streikgrundlage so bestimmt ist, dass man exakt prüfen kann, ob das Tarifziel rechtmäßig ist, insbesondere nicht gegen die Friedenspflicht verstößt und nicht unzulässig diskriminiert[8] (→ Streikaufruf).

Der Arbeitgeber kann gegen einen rechtswidrigen Warnstreik mit einer einstweiligen Verfügung vorgehen[9] (→ Einstweilige Verfügung).

Bei einem rechtswidrigen Warnstreik können Arbeitgeber zudem einen Schadensersatzanspruch gegen die Gewerkschaft haben, wenn diese ein Verschulden trifft.[10]

[1] BAG, 17.12.1976, 1 AZR 605/75, AP Nr. 51 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BAG, 12.9.1984, 1 AZR 342/83, AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.
[2] BAG, 21.6.1988, 1 AZR 651/86 - AP Nr. 108 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.
[3] Melot de Beauregard, NZA-RR 2013, 617, 619; Burkard-Pötter, NJW-Spezial 2013, 370; ArbG Berlin, 22.4.2013, 59 Ga 5770/13, II.2.d); BAG, a.a.O.
[4] Melot de Beauregard, ebenda; Burkard-Pötter, s.o.
[5] BAG, s.o.
[6] BAG, 21.6.1988, 1 AZR 651/86; Rieble, BB 2014, 949, 950 m.w.N.
[7] BAG, 31.10.1995, 1 AZR 217/95, 389; ErfK/Linsenmaier, 2020, Art. 9 GG Rn. 135 ff., Rieble, a.a.O., S. 949.
[8] Rieble, s.o.
[9] Burkard-Pötter, a.a.O., S. 371; Kursawe/Pirpamer, AuA 2013, 214-216.
[10] Burkard-Pötter, ebenda.

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