Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 25.10.1989; Aktenzeichen L 12 Ka 94/88)

SG München (Urteil vom 04.02.1988)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. Oktober 1989 und des Sozialgerichts München vom 4. Februar 1988 geändert.

2. Der Beklagte wird unter Abänderung seiner Bescheide vom 15. Februar 1985 und vom 20. August 1987, soweit sie die Beteiligung des Klägers hinsichtlich der Untersuchungen mit der 100 mm-Serienbild-Kamera betreffen, verurteilt, in diesem Umfange über die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide des Zulassungsausschusses vom 22. Mai 1984 und 2. Juli 1986 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

3. Der Beklagte wird unter weiterer Abänderung seiner Bescheide vom 15. Februar 1985 und vom 20. August 1987 ferner verurteilt, gemäß seinem Anerkenntnis vom 25. Oktober 1989 den Kläger für Leistungen nach den Nummern 1787 und 1788 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen an der kassenärztlichen Versorgung zu beteiligen.

4. Die weitergehende Revision des Klägers wird zurückgewiesen.

5. Der Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits zu einem Fünftel zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Einschränkung der Beteiligung des Klägers an der kassenärztlichen Versorgung.

Der Kläger ist seit 1. Mai 1975 als Chefarzt der urologischen Abteilung des Stadtkrankenhauses M. … an der ambulanten kassenärztlichen Versorgung beteiligt. Diese Beteiligung wurde im Jahre 1979 hinsichtlich § 29 Abs 2 Buchst c) ZO-Ärzte eingeschränkt. Durch Bescheid vom 22. Mai 1984 schränkte der Zulassungsausschuß die Beteiligung des Klägers nach § 29 Abs 2 Buchst a), b) und c) ZO-Ärzte weiter auf folgende Leistungen ein:

Buchst a) Untersuchungen zum Zwecke der Krankheitserkennung – in besonders begründeten Einzelfällen –

Buchst b) konsiliarische Beratung eines Kassenarztes in der Behandlung – in besonders begründeten Einzelfällen –

Buchst c) Varikozelen-Operation (Skrotalschnitt)

(BMÄ ‚78 Nr. 1759)

Operation eines Leistenhodens einseitig (BMÄ ‚78 Nr. 1768)

Operation eines Leistenhodens beidseitig (BMÄ ‚78 Nr. 1769)

Zytologische Untersuchungen.

Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Bescheid des Beklagten vom 15. Februar 1985). Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben.

Durch Bescheid vom 2. Juli 1986 schränkte der Zulassungsausschuß die Beteiligung des Klägers auf folgende Leistungen ein:

Beteiligung (§ 29 Abs 2 ZO-Ärzte) auf Überweisung durch Kassenärzte

1. Abklärung einer Operationsindikation 2. Zytologie 3. Transrektale Sonographie der Prostata 4. Ultraschallgezielte Punktionen 5. Ambulante Nachbehandlung nach stationärem Aufenthalt bis längstens drei Monate nach Entlassung.

auf Überweisung durch Urologen für onkologische Diagnostik und Tumornachsorge.

Auf den Widerspruch des Klägers und der Beigeladenen zu 1) änderte der Beklagte durch Bescheid vom 20. August 1987 die Nrn 1 und 5 des vorstehenden Bescheides des Zulassungsausschusses dahin ab, daß der Kläger beteiligt blieb für

1. Abklärung einer Operationsindikation beschränkt auf Urodynamik, insbesondere folgende Leistungen:

  • Simultane Harnröhren- und Blasendruckmessungen (BMÄ ‚78 Nrn 1793, 1794),
  • retrograde Funktionsurographie mit Simultandokumentation einschließlich retrograder Biopsie,

Zystometrie, Elektromyographie des Beckenbodens und Uroflowmetrie mit kontinuierlicher Messung.

5. Ambulante Nachbehandlung nach urologischen Operationen bis längstens drei Monate nach Entlassung aus stationärem Aufenhalt im Einvernehmen mit dem behandelnden Kassenarzt.

Die gegen die Bescheide vom 15. Februar 1985 und 20. August 1987 gerichtete Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ München vom 4. Februar 1988, Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 25. Oktober 1989). Das LSG ging davon aus, daß den Zulassungsinstanzen für die Feststellung des Bedürfnisses nach einer Beteiligung ein Beurteilungsspielraum zustehe. Hierbei lasse sich ein fehlerhafter Gebrauch nicht erkennen. Mit Ausnahme der BMÄ Nrn 1787 und 1788 bestehe weder aus quantitativer noch aus qualitativer Sicht eine Notwendigkeit, den Kläger wegen eines besonderen Leistungsangebotes über die erfolgte Einschränkung hinaus zu beteiligen. Im Hinblick auf die vom Kläger und den niedergelassenen Urologen abgerechneten Leistungen könne davon ausgegangen werden, daß eine Versorgungslücke im Planungsbereich nicht bestehe. Eine Beteiligung des Klägers für die konsiliarische Beratung eines Kassenarztes in der Kinderurologie sei auch nicht deswegen erforderlich, weil keiner der im Planungsbereich niedergelassenen Urologen über eine 100 mm-Serienbildkamera verfüge und nur mit deren Hilfe die Strahlenbelastung „um” ein Drittel reduziert werde. Die niedergelassenen Urologen erbrächten nämlich ihre Leistungen entsprechend den Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für Radiologie und Nuklearmedizin. Auch für die ambulante Nachbehandlung von urologischen Tumorpatienten und die Operation eines Leistenhodens bestehe im Hinblick auf die niedergelassenen Urologen kein Bedürfnis.

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers.

Als wesentlichen Verfahrensmangel rügt der Kläger die Überschreitung der Grenzen der freien Beweiswürdigung sowie die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das LSG und trägt dazu vor, dieses habe nicht dargelegt, aufgrund welcher Tatsachenermittlungen bzw Beweiserhebungen es zu den Feststellungen gelangt sei, die niedergelassenen Urologen, einer davon ehemaliger Oberarzt beim Kläger, hätten die nötige Sachkunde zur Nachbehandlung von Tumorpatienten. Ersichtlich habe sich das LSG auf seine eigene Sachkunde gestützt, ohne dem Kläger die Möglichkeit einzuräumen, hierzu Stellung zu nehmen. Demgegenüber wäre er in der Lage gewesen darzulegen, worin der Unterschied zwischen seinen Kenntnissen und Erfahrungen gegenüber denen der niedergelassenen Urologen bestehe.

Einen Verstoß gegen § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erblickt der Kläger darin, daß das LSG einerseits ein Bedürfnis für die Beteiligung nach den Nrn 1787 und 1788 BMÄ ‚78 bejaht und andererseits die Berufung in vollem Umfang zurückgewiesen habe. Hierzu hätte es einer Entscheidung des Beklagten bedurft. Demgegenüber habe das LSG offensichtlich die vom Vertreter des Beklagten abgegebene Erklärung in der mündlichen Verhandlung als neuen Verwaltungsakt iS des § 96 SGG angesehen, statt den Beklagten entsprechend zu verurteilen, zumindest aber die Sache zur erneuten Entscheidung an den Beklagten zurückzuverweisen.

Ferner rügt der Kläger die Verletzung des § 116 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) und trägt dazu vor, aufgrund seiner besonderen Kenntnisse und Erfahrungen in der urologischen Onkologie, die nicht mit denen niedergelassener Gebietskollegen verglichen werden könnten, habe er einen Anspruch auf Beteiligung. Insoweit habe das LSG eine qualitative Bedürfnisprüfung unterlassen. Die Methode des Vergleichs der abgerechneten Nummern der Gebührenordnung sei für die Feststellung eines qualitativen Bedürfnisses ungeeignet. Der Einsatz der 100 mm-Serienbildkamera, insbesondere in der Kinderurologie, bewirke eine Verringerung der Strahlenbelastung auf ein Drittel im Vergleich zu anderen Verfahren. Bei dem Einsatz dieses Geräts falle nur diejenige Gebühr an, die bei einer konventionellen Durchleuchtungsanlage berechnet werden könnte.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. Oktober 1989 und des Urteils des Sozialgerichts München vom 4. Februar 1988 die Bescheide des Zulassungsausschusses vom 22. Mai 1984 und vom 2. Juli 1986 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 15. Februar 1985 und vom 20. August 1987 insoweit aufzuheben, als dadurch die Beteiligung des Klägers an der kassenärztlichen Versorgung eingeschränkt wurde;

hilfsweise,

unter Abänderung der Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts und des Sozialgerichts München die angefochtenen Bescheide insoweit aufzuheben, als dadurch folgende Beteiligung widerrufen wurde:

a) Konsiliarische Beratung eines Kassenarztes in der Kinderurologie b) Operation eines Leistenhodens c) Tumornachsorge d) Leistungen auf Überweisung durch Urologen,

äußerst hilfsweise,

unter Abänderung der Urteile des Landessozialgerichts und des Sozialgerichts die angefochtenen Bescheide aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beigeladenen zu 1), 2), 3) und 5) beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist lediglich in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang begründet. Mit dieser Einschränkung sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig.

Nach dem bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Recht war der Widerruf der Beteiligung eines Krankenhausarztes an der kassenärztlichen Versorgung gemäß § 29 Abs 5 der Zulassungsordnung für Kassenärzte idF der Verordnung vom 24. Juli 1978 (BGBl I 1085) zulässig, wenn im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids eine ausreichende Versorgung der Versicherten auch ohne die Beteiligung gewährleistet war (BSGE 60, 291, 294 = SozR 5520 § 29 Nr 7 S 28). Diese – durch Art 18 Nr 17 des Gesundheitsreformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) aufgehobene -Vorschrift ist jedoch auf den vorliegenden Sachverhalt nicht (mehr) anwendbar. Vielmehr ist die Begründetheit der Klage bzw der Revision auf der Grundlage des durch das GRG mit Wirkung vom 1. Januar 1989 eingeführten neuen Rechts zu beurteilen. Wie der erkennende Senat (BSGE aaO, S 295) entschieden hat, sind auch bei der – hier vom Kläger erhobenen – reinen Anfechtungsklage gegen den Widerruf einer Beteiligung nachfolgende Rechts- oder Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nicht abgeschlossen in der Vergangenheit liegt (vgl ferner zur Berücksichtigung späterer Rechts- und Sachverhaltsänderungen bei der isolierten Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt mit „Dauerwirkung” BSGE 61, 203, 205 = SozR 4100 § 186a Nr 21 S 55 und BSG SozR 3-4100 § 186a Nr 3 S 7). Daran hält der Senat grundsätzlich fest. Ob allerdings im Falle eines vollständigen Widerrufs einer Beteiligung bzw Ermächtigung der darüber erteilte Verwaltungsakt abgeschlossen in der Vergangenheit liegt, bedarf hier nicht der Entscheidung. Jedenfalls ist dies für den teilweisen Widerruf einer Beteiligung bzw Ermächtigung zu verneinen. Dieser Verwaltungsakt hat zumindest insofern eine „Dauerwirkung”, als die Aufrechterhaltung eines Teils der bisherigen Beteiligung bzw. Ermächtigung über den Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides hinaus in die Zukunft fortwirkt.

In der durch das GRG neugefaßten Zulassungsordnung – nunmehr Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV) – ist ein Widerruf der Ermächtigung und damit auch der nach Art 65 Satz 1 GRG als Ermächtigung geltenden Beteiligung nach § 368a Abs 8 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der am 31. Dezember 1988 geltenden Fassung nicht vorgesehen. Es wird die Meinung vertreten, daß nach dem neuen Recht ein Widerruf der Ermächtigung wegen Änderung der Bedarfslage nach ihrer Erteilung ausgeschlossen sei; an die Stelle der fehlenden Widerrufsvorschrift für den Fall von Änderungen der Bedarfssituation sei das Instrumentarium der Befristung getreten (Schlenker MedR 1990, 18, 21; Frei SGb 1990 407, 409; a.M. Baur MedR 1990, 320, 322). Die Meinung stützt sich auf die neu eingefügte Vorschrift über die Ermächtigung von Krankenhausärzten (§ 31a Ärzte-ZV), nach der § 31 Abs 7 bis 10 Ärzte-ZV entsprechend anzuwenden sind. In § 31 Abs 7 Ärzte-ZV wird die zeitliche Bestimmung der Ermächtigung vorgeschrieben. Die zeitliche Bestimmung hat nach einer verbreiteten Meinung die Bedeutung einer Fristsetzung (Schlenker aaO S 20; Frei aaO; Friederichs MedR 1990, 129, 130; von Maydell/ Stiller ZfSH 1990, 290,

299). Die Frage, ob eine Befristung von Ermächtigungen der Krankenhausärzte geboten oder ob sie nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist, ist in der Literatur umstritten (von Maydell/ Stiller aaO S 301). Nach dem früheren Recht hatte ein leitender Krankenhausarzt im Regelfall Anspruch auf eine unbefristete Beteiligung, sofern dies notwendig war, um eine ausreichende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten; ob und in welchem Umfang die Beteiligung notwendig war, richtete sich grundsätzlich nach der gegenwärtigen Versorgungslage, nämlich der Lage im Zeitpunkt des Bescheids (BSGE 59, 148, 154 = SozR 2200 § 368a Nr 14). Auch nach neuem Recht steht die Ermächtigung unter den Voraussetzungen des § 116 Satz 2 SGB V nicht im Ermessen des Zulassungsausschusses. Es wird deshalb die Meinung vertreten, daß die Ermächtigung im Regelfall unbefristet auszusprechen sei (Andreas ArztR 1989, 97, 105 mwN). Der Senat kann indessen dahingestellt sein lassen, ob durch § 31a Abs 3 iVm § 31 Abs 7 Ärzte-ZV die Befristung vorgeschrieben ist und welche Folgerungen sich daraus für die Möglichkeit des Widerrufs ergeben. Jedenfalls können etwaige Gründe für einen Ausschluß des Widerrufs sowie für die Befristung nur die nach neuem Recht ausgesprochenen Ermächtigungen, nicht aber die nach Art 65 Satz 1 GRG als Ermächtigungen geltenden Beteiligungen vor ihrer ausdrücklichen Umwandlung in Ermächtigungen (Art 65 Satz 2 GRG) erfassen. Diese Beteiligungen/Ermächtigungen waren nicht zu befristen und sind auch nicht durch Art 65 GRG befristet worden. Die Beteiligung nach altem Recht konnte regelmäßig auch nicht im Einzelfall mit einer Befristung verbunden werden (BSG aaO).

Die gesetzliche Regelung für den Widerruf von Beteiligungen, die gemäß Art 65 Satz 1 GRG als Ermächtigungen gelten, ergibt sich aus § 95 Abs 4 Satz 3 iVm Abs 6 Satz 1 SGB V. Nach § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V ist die Zulassung zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen. Die Vorschrift ist auf Ermächtigungen entsprechend anzuwenden (§ 95 Abs 4 Satz 3 SGB V). Damit ist sie auch für Ermächtigungen von Krankenhausärzten nach § 116 SGB V anzuwenden. Die Bestimmung des § 95 Abs 4 SGB V gilt allgemein für Ermächtigungen und erfaßt den Fall des § 116 SGB V (vgl Frei aaO S 410). In § 116 SGB V ist die Ermächtigung von Krankenhausärzten mit abgeschlossener Weiterbildung nicht etwa abschließend geregelt; der allgemeinen Vorschrift des § 95 Abs 4 SGB V ist zB auch die Verbindlichkeit der vertraglichen Bestimmungen über die kassenärztliche Versorgung und die Geltung von § 75 Abs 2 und § 81 Abs 5 SGB V für diese Krankenhausärzte zu entnehmen. § 95 Abs 6 SGB V erfaßt ferner bei den fiktiven Ermächtigungen iS des Art 65 Satz 1 GRG die Voraussetzung des Bedarfs für die Beteiligung der Krankenhausärzte gemäß § 368a Abs 8 RVO (abw Frei aaO S 409). Insoweit ist eine Anpassung der Ermächtigung von Krankenhausärzten an eine geänderte Bedarfslage schon in § 116 Satz 2 SGB V vorgesehen, wenn danach die Ermächtigung nur zu erteilen ist, solange der Bedarf besteht.

§ 95 Abs 6 SGB V enthält eine Spezialvorschrift für die Entziehung der Zulassung und jedenfalls auch für den Widerruf der gemäß Art 65 Satz 1 GRG als Ermächtigungen geltenden Beteiligungen. Insbesondere werden die Zulassungsinstanzen nicht auf dem Weg der Aufhebung der Bescheide nach § 48 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) verwiesen (vgl zum früheren Recht BSGE 56, 295, 297 = SozR 5520 § 29 Nr 4 S 12). Die Entziehung oder der Widerruf setzen keine wesentliche Änderung der Verhältnisse voraus. Dies hat der Senat bereits für die Beteiligung nach altem Recht angenommen (BSG aaO; BSG SozR 5520 § 29 Nr 3 S 4). Der Gesetzgeber hat in der Formulierung „… wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen …” deutlich gemacht, daß der Widerruf auch bei von vornherein fehlendem Bedarf auszusprechen ist. Entscheidend ist nach neuem wie nach altem Recht allein der im Zeitpunkt des Widerrufs gegebene Sachverhalt.

Die Voraussetzungen für eine über die angefochtenen Bescheide hinausgehende Beteiligung oder Ermächtigung des Klägers liegen mit der Einschränkung, die sich aus der Urteilsformel ergibt, nicht vor. Zur Bestimmung des § 368a Abs 8 RVO hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die Zulassungsinstanzen bei der Entscheidung darüber, ob und inwieweit eine Beteiligung notwendig ist, um eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten zu gewährleisten, einen Beurteilungsspielraum haben, und ihre Entscheidungen in diesem Rahmen von den Gerichten nur beschränkt nachgeprüft werden können (BSGE 60, 297, 300 = SozR 5520 § 29 Nr 8 mwN). Diese Rechtsprechung ist für die Überprüfung von Entscheidungen nach § 95 Abs 4 Satz 3 iVm Abs 6 Satz 1 SGB V, Art 65 Satz 1 GRG zu übernehmen. Die Gründe, auf die sich der Senat gestützt hat (vgl BSG SozR 5520 § 29 Nr 5 S 20) treffen auch für die als Ermächtigung geltende Beteiligung zu. Entscheidend ist, daß auch nach dem neuen Recht die Leistungen des Krankenhausarztes für eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten notwendig sein müssen (§ 116 Satz 2 SGB V). Insbesondere ist der Krankenhausarzt nicht etwa allein wegen seiner Kenntnisse zu ermächtigen. Ob die Kenntnisse zu dem Sachverhalt gehören, dessen richtige Ermittlung von den Gerichten zu überprüfen wäre, oder ob die Zulassungsinstanzen bei der Feststellung der Kenntnisse einen Beurteilungsspielraum haben, kann der Senat hier dahingestellt sein lassen.

Nach den Feststellungen des LSG ist der Beklagte bei den angefochtenen Bescheiden vom richtigen und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen, er hat die durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten Grenzen eingehalten und seine Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet, daß im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (vgl BSGE 60, 297, 300 = SozR 5520 § 29 Nr 8 S 35). Das LSG hat festgestellt, daß im Planungsbereich die im Bedarfsplan festgesetzte Sollzahl bei den Urologen durch die Ist-Zahl gedeckt ist. Die Bescheide des Beklagten sind mit der Einschränkung gemäß Urteilsformel auch insoweit rechtmäßig, als der Kläger nicht wegen eines besonderen Leistungsangebots über die belassenen Leistungen hinaus an der kassenärztlichen Versorgung beteiligt bleibt; insoweit ist keine weitergehende Ermächtigung auszusprechen. Ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften ist das LSG davon ausgegangen, daß typischerweise die niedergelassenen Ärzte aufgrund ihres gleichwertigen aktuellen Ausbildungsstandes dem Versorgungsanspruch der Versicherten in qualitativer Hinsicht voll entsprechen können (BSGE 5520 § 29 Nr 5 S 23). Dies gilt auch für die besondere Feststellung des LSG, die ambulante Nachbehandlung von urologischen Tumorpatienten könne von den niedergelassenen Urologen erforderlichenfalls unter Hinzuziehung anderer Gebietsärzte fachgerecht vorgenommen werden. Sie beruht nicht auf gerichtlicher Sachkunde, sondern ist eine allgemeinkundige Tatsache und folgt daraus, daß nach den Vorschriften des SGB V die ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse den Kassenärzten anvertraut wird. Nach § 95 SGB V iVm der Ärzte-ZV werden diese in einem besonderen Verfahren zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen; Gebietsärzte haben sich nach den Berufsordnungen der Länder auf ihr Fachgebiet zu beschränken. Wenn der Kläger, der auf diese Umstände nicht hingewiesen zu werden brauchte, ein besonderes Leistungsangebot geltend machen wollte, hätte er dieses im einzelnen darlegen müssen.

Das Fehlen einer Versorgungslücke im Planungsbereich des Klägers hat das LSG auch mit einem Hinweis auf die vom Kläger und den niedergelassenen Urologen abgerechneten Leistungen begründet. Allerdings reicht der Vergleich der abgerechneten Leistungen nicht in jedem Fall aus, um ein besonderes Leistungsangebot des Krankenhausarztes oder eine Versorgungslücke zu erfassen. Unterschiedliche Behandlungsmethoden müssen nicht zwingend in der Abrechnung von Gebührennummern zum Ausdruck kommen. Wenn aber der Krankenhausarzt ein besonderes Leistungsangebot geltend machen will, muß er es detailliert darlegen. Der Kläger hat – von den noch zu behandelnden Ausnahmen abgesehen – kein konkretes Leistungsangebot behauptet, das sich nicht in den abgerechneten Leistungen niederschlägt.

Der Kläger hat bereits im Berufungsverfahren geltend gemacht, er habe in der Tumornachsorge besondere Kenntnisse, die nach § 116 Satz 2 SGB V zu berücksichtigen seien. Er bringt vor, eine gleichwertige Versorgung von Tumorpatienten könne nur sichergestellt werden, wenn solche Krankenhausärzte, die sich schwerpunktmäßig mit der Onkologie beschäftigen, ebenfalls in die kassenärztliche Versorgung einbezogen werden. Mit Recht hat das LSG auch insoweit die Berufung ohne weitere Ermittlungen zurückgewiesen. Insbesondere war es nicht erforderlich, den Beklagten zu einer erneuten Entscheidung über die Widersprüche zu verurteilen. Der Beklagte ist nicht von einem unvollständigen – oder im Hinblick auf das neue Recht unvollständig gewordenen – Sachverhalt ausgegangen.

Die Kenntnisse des Krankenhausarztes allein begründen noch keinen Anspruch auf eine Ermächtigung. Der Senat hat zu § 368a Abs 8 RVO wiederholt entschieden, daß sich die Kenntnisse und Erfahrungen des Krankenhausarztes in einem besonderen Angebot von Leistungen niederschlagen müssen, und zwar von Leistungen, die zur ausreichenden ambulanten ärztlichen Versorgung benötigt und von den niedergelassenen Ärzten nicht oder nicht ausreichend angeboten werden (BSG SozR 2200 § 368a Nr 7 S 18; SozR 5520 § 29 Nr 3 S 8 und Nr 5 S 23). Die Vorschrift des § 116 SGB V sollte im wesentlichen das bisherige Recht bestätigen und vereinfachen (BR-Drucks 200/88 S 201 zu § 124). Wenn nunmehr auf die Kenntnisse abgestellt wird, so wird damit – zumindest in erster Linie – die Ermächtigung zur konsiliarischen Beratung der Kassenärzte ermöglicht. Bei dieser Ermächtigung stehen die Kenntnisse und Erfahrungen des Krankenhausarztes im Vordergrund (BSGE 60, 291, 296 f = SozR 5520 § 29 Nr 7 S 31); es ist aber auch insoweit regelmäßig Sache des Krankenhausarztes, den Bedarf an konsiliarischen Beratungen durch ihn darzulegen (vgl Hess KassKomm § 116 SGB V RdNr 10). Die vom Kläger erstrebte Ermächtigung zur selbständigen Behandlung der Versicherten setzt jedenfalls mehr voraus als nur besondere Kenntnisse und Erfahrungen. Für den Ermächtigungsanspruch müssen sie sich objektivierbar in einem Leistungsangebot niederschlagen. Es kann nicht genügen, daß die onkologische Betreuung ein hohes Spezialwissen und eine intensive Fortbildung erfordert. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die niedergelassenen Ärzte, jeder auf seinem Fachgebiet, eine ausreichende Versorgung der Versicherten gewährleisten (vgl BSG SozR 5520 § 29 Nr 5 S 23). Ob und unter welchen Bedingungen außerhalb der konsiliarischen Beratung die Kenntnisse des Krankenhausarztes zur Sicherstellung der ausreichenden Versorgung notwendig sein können, ohne daß der Krankenhausarzt deshalb besondere Untersuchungs- und Behandlungsmethoden anbietet, kann dahingestellt bleiben. Zur Berücksichtigung bedarf es jedenfalls der detaillierten Darlegung des Krankenhausarztes. Daran fehlt es hier. Insbesondere beweist die Mitgliedschaft des Klägers im Arbeitskreis Onkologie in der deutschen Gesellschaft für Urologie kein besonderes Leistungsangebot. Er bringt vor, daß die Mitglieder aufgrund ihrer speziellen Kenntnisse in der Onkologie in der Lage seien, Maßstäbe und Behandlungsschemata für die onkologische Behandlung und onkologische Nachsorge aufzustellen. Abgesehen von der Notwendigkeit weiterer Detaillierung ist aber davon auszugehen, daß die aufgestellten Maßstäbe und Behandlungsschemata auch dem niedergelassenen Urologen zugänglich gemacht werden.

Begründet ist die Revision hinsichtlich der Beteiligung des Klägers zur Untersuchung mit der 100 mm-Serienbildkamera. Der Beklagte ist davon ausgegangen, daß anfallende Untersuchungen durch die niedergelassenen Ärzte auch mit anderen Geräten erbracht werden können. Damit hat aber der Beklagte die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs – nämlich des Begriffs der ausreichenden ärztlichen Versorgung gemäß § 368a Abs 8 RVO, § 116 Satz 2 SGB V – ermittelten Grenzen nicht eingehalten. Er hat damit seinen Beurteilungsspielraum überschritten (vgl BSGE 60, 291, 294 = SozR 5520 § 29 Nr 7 S 28 unten).

Der Kläger hatte bereits im Verwaltungsverfahren vorgebracht, der Einsatz der Serienbildkamera sei überall da erforderlich, wo aus Gründen des Strahlenschutzes die Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Reduzierung der Strahlenbelastung indiziert sei. Darauf ist der Beklagte zu Unrecht nicht eingegangen. Die Zulassungsinstanzen müssen bei der Entscheidung über die Beteiligung auch berücksichtigen, ob der Krankenhausarzt eine mit erheblich geringerer gesundheitlicher Belastung verbundene Untersuchungsmethode anbietet als die niedergelassenen Kassenärzte. Der Versicherte hat Anspruch auf die ärztliche Versorgung, die zur Heilung oder Linderung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zweckmäßig und ausreichend ist (§ 368e RVO, § 12 SGB V). Der jeweilige Stand der medizinischen Wissenschaft bzw der allgemeine Stand der medizinischen Erkenntnisse sind zu berücksichtigen (§ 368 Abs 3 Satz 1 RVO, § 72 Abs 2 SGB V). Demgemäß beinhaltet die Vorgabe der ausreichenden Versorgung gemäß § 368a Abs 8 RVO, § 116 Satz 2 SGB V auch ihre Zweckmäßigkeit. Zur Sicherstellung der zweckmäßigen ärztlichen Versorgung gehört auch die Abwägung von gesundheitsschädlichen Nebenwirkungen, die eine Behandlung mit sich bringt.

Das LSG weist allerdings mit Recht darauf hin, daß die niedergelassenen Urologen ihre Leistung unter Berücksichtigung der Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für Radiologie und Nuklearmedizin erbringen und daß den Kassenärztlichen Vereinigungen nicht aufgegeben ist, eine Versorgung nach dem wissenschaftlichen Höchststand zu gewährleisten. Im vorliegenden Fall geht es aber nach dem Vorbringen des Klägers nicht um den Höchststand. Die Zweckmäßigkeit der Versorgung wird durch die Einhaltung der Richtlinien und der Verordnungen über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen (Röntgenverordnung ≪RÖV≫) vom 1. März 1973 (BGBl I 173) und vom 8. Januar 1987 (BGBl I 114) nicht unter allen Umständen gewährleistet. In den Richtlinien und den Röntgenverordnungen werden nur Mindestanforderungen aufgestellt – so ausdrücklich in Abschnitt C der Richtlinien. Dem Betreiber des Geräts wird aber ausdrücklich geboten, die Strahlenbelastung von Personen auch unterhalb der in der Verordnung genannten Werte so gering wie möglich zu halten; in Ausübung der Heilkunde dürfen Röntgenstrahlen auf den lebenden Menschen in Übereinstimmung mit den Erkenntnissen von Wissenschaft und Technik nur angewendet werden, wenn dies nach den Grundsätzen einer gewissenhaften Ausübung der Heilkunde erforderlich ist (§§ 12 und 22 RÖV vom 1. März 1973; im wesentlichen übereinstimmend §§ 15, 25 RÖV vom 8. Januar 1987). Die Strahlenexposition ist soweit einzuschränken, wie dies mit den Erfordernissen der medizinischen Wissenschaft zu vereinbaren ist (§ 25 RÖV vom 8. Januar 1987). Demgemäß kann es zur zweckmäßigen kassenärztlichen Versorgung gehören, bei besonders gefährdeten Personen Geräte mit deutlich geringerer Strahlenbelastung einzusetzen. Der Kläger hat hier eine ganz wesentliche Reduktion der Strahlenbelastung bei Einsatz der 100 mm-Serienbildkamera und die Notwendigkeit dieser Reduktion insbesondere bei Kindern behauptet. Dem hat der Ausschuß nachzugehen.

Die Erklärung des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG, daß die Beteiligung des Klägers erweitert werde bezüglich der Nrn 1787 und 1788 EBM, ist als Anerkenntnis auszulegen. Einen Verwaltungsakt konnte der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten nicht erlassen. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellte Antrag des Klägers war deshalb als Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils nach § 307 der Zivilprozeßordnung (ZPO) zu verstehen. Diesem Antrag ist zu entsprechen. Da das Anerkenntnis unklar war und insoweit keine Einigung unter den Beteiligten bestand oder herbeigeführt wurde, konnte das Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung der Klage nicht verneint werden (vgl Hennig/Danckwerts/König, Komm zum SGG, § 101 Erl 11.3). Ihr ist insoweit stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

AusR 1992, 19

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