Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 14.12.1988)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Dezember 1988 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die einfache Altersrente, die die Klägerin aus der schweizerischen Alters-und Hinterlassenenversicherung (AHV) bezieht, bei der ihr von der Beklagten gewährten Witwenrente gemäß § 1281 Abs 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm § 18a des Sozialgesetzbuches – Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) als Erwerbsersatzeinkommen zu berücksichtigen ist.

Die Klägerin ist die Witwe des am 11. Februar 1986 verstorbenen Versicherten E … S …, mit dem sie zusammen aus der schweizerischen AHV eine sogenannte Ehepaar-Altersrente in Höhe von 150 % einer einfachen Altersrente bezog (Art 22 des schweizerischen Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung ≪AHVG≫). Seit 1. März 1986 erhält sie eine einfache Altersrente nach Schweizer Recht (Art 21 AHVG). Hierbei sind eigene Beitragsleistungen der Klägerin aus dem Jahre 1982 in Höhe von 23 SFr berücksichtigt.

Mit Bescheid vom 10. Juni 1986 gewährte die Beklagte der Klägerin erhöhte Witwenrente gemäß § 1268 Abs 2 RVO aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes. Zugleich wurde festgestellt, daß es sich bei der schweizerischen Altersrente der Klägerin um Einkommen handele, das auf die Witwenrente anrechenbar sei, ein Ruhen der Witwenrente jedoch noch nicht eintrete, weil der Berechnungszeitraum im ersten Jahr nach dem Tode des Versicherten liege (Art 2 § 23b Abs 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes).

Mit Bescheid vom 12. Februar 1987 wurde die Witwenrente der Klägerin neu berechnet und für die Zeit ab 1. April 1987 unter Anwendung des § 1281 RVO ein Ruhen der Witwenrente in Höhe von 86,73 DM errechnet. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 31. August 1987 zurück.

Mit Urteil vom 29. Februar 1988 hob das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 12. Februar in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. August 1987 sowie den weiteren Bescheid vom 3. Juli 1987 insoweit auf, als die Beklagte bei der Witwenrente der Klägerin auch die ordentliche einfache Altersrente aus der schweizerischen AHV als Einkommen iS des § 18a SGB IV berücksichtigt hatte.

Die Berufung der Beklagten gegen diese Entscheidung wies das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 14. Dezember 1988 zurück. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Die einfache Altersrente aus der Schweizer Hinterbliebenenversorgung sei in erster Linie am Einkommen des Ehemannes orientiert. Dies sei der typische Fall des Unterhaltsersatzes. Zwar würden eigene Einkommens- und Beitragsleistungen der Ehefrau uU rentensteigernd berücksichtigt; daraus ergebe sich aber nur, daß die schweizerische Altersrente eine Doppelfunktion habe, nämlich zum einen Unterhaltssicherung der Ehefrau, zum anderen Ersatzleistung für den Erwerb, den diese aufgrund eigenen Einkommens während ihres Lebens erzielt habe. Diese Doppelfunktion müsse die Beklagte auch bei der Anrechnung im Rahmen des § 1281 RVO berücksichtigen. Daher könne lediglich der Anteil an der Schweizer Altersrente, welcher auf eigener Beitragsleistung der Hinterbliebenen beruhe, als Erwerbsersatzeinkommen in Anrechnung kommen, nicht jedoch der Anteil, der keinen Bezug zum eigenen Einkommen und einer Beitragsleistung habe. Die Frage, in welcher Weise der eigene Anteil der Klägerin an der Schweizer Altersrente zu berücksichtigen sei, könne offenbleiben, da der Beitragsanteil in Höhe von lediglich 23 SFr unter die Freibetragsgrenze des § 1281 RVO falle.

Die Beklagte hat gegen dieses Urteil die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt einen Verstoß gegen § 1281 Abs 1 RVO iVm § 18a Abs 3 SGB IV und gegen § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Dezember 1988 und des Sozialgerichts Freiburg vom 29. Februar 1988 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die kraft Zulassung durch das LSG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit auch zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß die einfache schweizerische Altersrente der Klägerin gemäß § 1281 Abs 1 Satz 1 RVO nicht zum teilweisen Ruhen der der Klägerin von der Beklagten gewährten Witwenrente führt. Denn soweit die schweizerische Altersrente auf Beiträgen der Klägerin beruht und damit als vergleichbare Ersatzleistung iS des § 18a Abs 3 Satz 1 SGB IV angesehen werden könnte, fällt dieser Anteil der schweizerischen Altersrente jedenfalls unter die Freibetragsgrenze des § 1281 RVO und scheidet schon deshalb für ein Ruhen aus. Im übrigen hat die der Klägerin gewährte einfache Altersrente Unterhaltsersatzfunktion und ist deshalb nicht den in § 18a Abs 3 Satz 1 Nrn 1 bis 8 SGB IV aufgeführten Einkommensarten mit Erwerbsersatzfunktion vergleichbar.

Gemäß § 1281 Abs 1 Satz 1 RVO ruhen Witwen- und Witwerrente, wenn sie mit Erwerbseinkommen oder Erwerbsersatzeinkommen des Berechtigten iS von § 18a SGB IV zusammentreffen, in Höhe von 40 vom Hundert des Betrages, um den das nach den §§ 18a bis 18e SGB IV ermittelte monatliche Einkommen den Freibetrag übersteigt. Nach § 18a Abs 1 SGB IV sind bei einer Witwen-, Witwer- oder Hinterbliebenenrente an frühere Ehegatten als Einkommen zum einen „Erwerbseinkommen”, zum anderen „Erwerbsersatzeinkommen” zu berücksichtigen. Als „Erwerbsersatzeinkommen” definiert § 18a Abs 3 Satz 1 SGB IV zunächst in seiner ersten Hälfte durch den Katalog der Nrn 1-8 einzelne spezifische, abschließend aufgezählte (vgl BT-Drucks 10/2677 zu § 18a S 44) Geldleistungen aus dem innerstaatlichen Recht, in seiner zweiten Hälfte sodann im Stil einer Generalklausel auch „vergleichbare Ersatzleistungen, die von einer Stelle außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzbuchs erbracht werden”. Die von der Klägerin bezogene einfache Altersrente aus der Schweizer Alters- und Hinterbliebenenversicherung gehört nicht zu dieser zweiten Gruppe.

Dem Gesetzeswortlaut lassen sich allerdings keine Maßstäbe dafür entnehmen, wann eine mit inländischem Erwerbsersatzeinkommen „vergleichbare” ausländische Ersatzleistung vorliegt (vgl Hauck/Haines, Komm. z. SGB IV, RdNr 57 zu § 18a; Schötz, DAngVers 1987, 113, 114). Auch die Gesetzesbegründung zu § 18a SGB IV (BT-Drucks 10/2677, S 45) gibt hierüber keinen Aufschluß, da nur der Gesetzesinhalt wiederholt wird. Zur Ermittlung des Begriffsinhalts läßt sich jedoch auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu ähnlichen Fragestellungen zurückgreifen. Hierfür bieten sich zum einen die Entscheidungen zu § 19 Abs 3 des Fremdrentengesetzes (FRG) an, die die Vergleichbarkeit bundesdeutscher Altersruhegelder mit fremdstaatlichen Altersrenten zum Gegenstand haben (BSGE 27, 209, 211 = SozR Nr 3 zu § 19 FRG; BSGE 34, 132, 133 = SozR Nr 6 zu § 19 FRG; BSG SozR 5050 Nrn 4 und 12 zu § 19 FRG), zum anderen die Urteile zu § 118 Nr 4 des Arbeitsförderungsgesetzes aF, in denen es um das Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld wegen des Bezuges ausländischer Altersrenten geht (Urteile vom 3. November 1976, 7 RAr 104/75 = SozR 4100 § 118 Nr 3 und 7 RAr 115/75). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist eine Vergleichbarkeit auch iS des § 18a Abs 3 Satz 1 zweite Hälfte SGB IV dann zu bejahen, wenn die ausländischen Ersatzleistungen in ihrem Kerngehalt den gemeinsamen und typischen Merkmalen der inländischen Erwerbsersatzeinkommen entsprechen, dh nach Motivation und Funktion gleichwertig sind.

Als Bezugstatbestände für die notwendige Gegenüberstellung in diesem Sinn kommen aus dem Katalog der inländischen Erwerbsersatzeinkommen allein die in § 18a Abs 3 Satz 1 Nrn 2 und 3 SGB IV genannten Geldleistungen in Betracht. Die schweizerische einfache Altersrente muß also zunächst, um als vergleichbar/gleichwertig im bezeichneten Sinn bewertet werden zu können, eine Leistung aus einem System gesetzlicher Rentenversicherung sein. In Anlehnung an die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 15 Abs 2 FRG (BSGE 6, 263 ff; BSG SozR Nrn 10 und 16 zu § 15 FRG) ist ein „ausländisches System der sozialen Sicherheit” dann als „gesetzliche Rentenversicherung” anzusehen, wenn es auf öffentlich-rechtlicher Pflichtzugehörigkeit beruht, wiederkehrende Leistungen für den Fall der vorzeitigen Minderung der Erwerbsfähigkeit, des Alters und des Todes vorsieht und kein reines Zusatzversorgungssystem darstellt. Diese Grundvoraussetzung ist für die schweizerische AHV zu bejahen.

Darüber hinaus muß es sich bei der schweizerischen einfachen Altersrente um „Erwerbsersatzeinkommen” handeln, gemäß der Definition in § 18a Abs 1 Nr 2 SGB IV also um eine Leistung, die aufgrund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht wird, um Erwerbseinkommen zu ersetzen. Die in § 18a Abs 3 Satz 1 Nrn 2 und 3 SGB IV genannten Beispiele zeigen, daß nicht alle Geldleistungen aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung „Erwerbsersatzeinkommen” darstellen, sondern nur diejenigen, die aus eigener Versicherung erworben worden sind, sog. Versichertenrenten. Versichertenrenten sind regelmäßig wiederkehrende Geldleistungen an Versicherte, bei denen ein Versicherungsfall (Berufsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit, Alter) eingetreten ist und die abstrakte Lohnersatzfunktion haben, das heißt, die in funktionellem Zusammenhang mit dem früheren Erwerbseinkommen stehen (BSGE 30, 167, 172; 46, 158, 162). Davon zu unterscheiden sind die Hinterbliebenenrenten. Die Hinterbliebenenrenten sind auf Beiträgen des verstorbenen Versicherten beruhende, aus seiner versicherungsrechtlichen Position abgeleitete Renten, die an dessen Ehegatten oder/ und an dessen Kinder gezahlt werden. Die Hinterbliebenenrenten haben daher nicht Erwerbsersatzfunktion (sie treten nicht an die Stelle von Erwerbseinkommen), sondern Unterhaltsersatzfunktion, das heißt, sie sollen den Ausfall von familienrechtlichen Unterhaltsleistungen ersetzen, die die Hinterbliebenen von dem Verstorbenen – in der Regel aus dessen Erwerbseinkommen oder bereits bezogener Rente mit Lohnersatzfunktion (vgl BSGE 14, 129, 130, 132) – erhalten haben.

Die von der Klägerin bezogene Altersrente gehört zu den Renten mit Unterhaltsersatzfunktion. Die einfache Altersrente aus der schweizerischen AHV hat nach den Feststellungen des LSG zum Schweizer Recht eine Doppelfunktion. Diese Qualifizierung ist allerdings, für sich genommen, mißverständlich,

weil sie nichts darüber aussagt, ob jeweils die ganze Leistung beiden Funktionen dient oder abtrennbare Teile unterschiedlichen Funktionen und ob jeweils der überwiegende Charakter der Leistung maßgeblich ist oder abtrennbare Teile gesondert zu beurteilen sind. Dem nachzugehen, ist hier indes nicht in vollem Umfang erforderlich, da das LSG wegen der Besonderheit des Falles nur über den allein vom Erwerbseinkommen des Ehemanns geprägten Teil zu befinden hatte. Im übrigen können die Ausführungen des LSG im Gesamtzusammenhang nur dahin verstanden werden, daß die Rente Unterhaltsersatzfunktion hat, soweit sie auf Beiträgen des verstorbenen Ehegatten beruht, und Erwerbsersatzfunktion, soweit sie allein oder teilweise aus eigenen Beiträgen der Berechtigten berechnet ist.

Im einzelnen hat das LSG zu den Rechtsgrundlagen der einfachen Schweizer Altersrente festgestellt, daß die Berechnung nach dem durchschnittlichen Jahreseinkommen des Mannes erfolgt. Gegebenenfalls werde dabei das Einkommen der Ehefrau hinzugerechnet und für den Fall, daß die einfache Altersrente der Ehefrau höher wäre als die Ehepaar-Altersrente, ein Zuschlag bis zu deren Höhe gewährt. Hieraus folgert das LSG, daß die Schweizer Hinterbliebenenversorgung in Gestalt der einfachen Altersrente nicht in erster Linie am Erwerbseinkommen der Ehefrau orientiert sei und eine Ersatzleistung für dieses darstellen solle. Sie richte sich vielmehr im Regelfall nach dem Einkommen des Ehemannes, das die Bezugsgröße für die Berechnung der Altersrente der Frau darstelle. Dies sei der typische Fall des Unterhaltsersatzes. Die Unterhaltsersatzfunktion komme unter anderem auch darin zum Ausdruck, daß die einfache Altersrente des überlebenden Ehegatten nicht je nach Dauer der Ehe variabel ausfalle. Seien gewisse Mindestvoraussetzungen bezüglich Alter und Ehedauer erfüllt, errechne sich die Höhe der Altersrente in der Regel nach dem durchschnittlichen Jahreseinkommen des Ehemannes. Nach diesem durchschnittlichen Jahreseinkommen richte sich aber auch der Unterhaltsanspruch, den eine Ehefrau gegen ihren Ehemann habe. Eigene Einkommens- und Beitragsleistungen der Ehefrau würden zwar unter Umständen rentensteigernd berücksichtigt, aber daraus ergebe sich nicht mehr, als daß die schweizerische Altersrente eine Doppelfunktion habe, nämlich zum einen die Unterhaltssicherung der Ehefrau (soweit die Rente auf Beiträgen des Ehemannes beruhe) und zum anderen eine Ersatzleistung für den Erwerb, den diese aufgrund eigenen Einkommens während ihres Lebens erzielt habe (soweit der Rente eigene Beiträge der Ehefrau zugrunde liegen).

An diese Feststellungen ist der erkennende Senat gebunden (§ 162 SGG). Gemäß § 162 SGG kann die Revision nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Ausländisches Recht gehört grundsätzlich nicht hierzu (vgl BVerwG in BVerwGE 42, 265, 267; BGH in BGHZ 36, 348, 351; Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 3. Aufl 1987, RdNr 6 zu § 162). Deshalb sind die von der Tatsacheninstanz zum ausländischen Recht getroffenen Feststellungen, die darauf beruhende Rechtsauslegung und die aus dem ausländischen Recht gezogenen Schlußfolgerungen für Zweck und Funktion dieser Vorschriften auch der Revisionsentscheidung zugrunde zu legen (BSGE 25, 20, 23 = SozR Nr 15 zu § 1291 RVO; BSG SozR 5050 § 15 FRG Nrn 37, 38 und 40; zuletzt 5. Senat, Urteile vom 13. September 1990, 5 RJ 76/89 = SozR 3 – 6710 Art 4 Nr 1 und 5 RJ 86/89), sofern nicht das Verfahren, das zu diesen Erkenntnissen geführt hat, mit wirksamen Verfahrensrügen angegriffen worden ist.

An diesem Ergebnis ändert sich nichts dadurch, daß das LSG Bundesrecht, nämlich § 18a Abs 3 SGB IV, anzuwenden und den Inhalt des ausländischen Rechts nur als Vorfrage zu prüfen hatte. Bei der Nachprüfbarkeit ausländischen Rechts durch das Revisionsgericht macht es keinen Unterschied, ob die angefochtene Entscheidung den Inhalt der Grundnorm oder eine Vorfrage betrifft (BGH in BGHZ 27, 47, 50; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl 1986, § 144 II 3 über Fn 27). Würde man in den Fällen, in denen der Inhalt und die Auslegung einer ausländischen Rechtsnorm lediglich für die Entscheidung einer materiell-rechtlichen Vorfrage maßgebend sind, die Nachprüfung der insoweit getroffenen Feststellung des Berufungsgerichts durch das Revisionsgericht zulassen, so wäre auf diesem Wege entgegen den Vorschriften der §§ 549, 562 Zivilprozeßordnung (ZPO), § 162 SGG das ausländische Recht der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterworfen. Damit wäre aber § 562 ZPO/§ 162 SGG jede praktische Bedeutung genommen.

Inwieweit die Anwendung und Auslegung ausländischen Rechts ausnahmsweise auch im Revisionsverfahren in Betracht kommt, wenn das Berufungsgericht an sich nichtrevisible (ausländische) Vorschriften überhaupt nicht erörtert hat, etwa weil es eine ihm unbekannte nichtrevisible Rechtsnorm übersehen und infolgedessen in seiner Entscheidung nicht gewürdigt hat, bedarf hier keiner Erörterung, da ein solcher Fall hier nicht vorliegt.

Die von der Beklagten gegen diese Inhaltsbestimmung ausländischen Rechts durch das LSG vorgebrachten Rügen greifen nicht durch. Ihre auf eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes des § 103 SGG gestützte Verfahrensrüge ist zwar zulässig, aber sachlich nicht gerechtfertigt.

Die Rüge ist nicht deswegen unzulässig, weil bei ihrer Zulassung auf einem Umweg doch noch die Anwendung und Auslegung ausländischen Rechts zur Nachprüfung des Revisionsgerichts gestellt würde. Das BSG hat in seiner bisherigen Rechtsprechung (SozR 5050 § 15 FRG Nr 38) die grundsätzliche Zulässigkeit der Verfahrensrüge wegen Verletzung des § 103 SGG bei der Ermittlung ausländischen Rechts vorausgesetzt.

Diesbezüglich anklingende Zweifel in der Entscheidung des BSG vom 25. Oktober 1977 (BSGE 45, 95, 96 f) sind nicht gerechtfertigt. Richtig ist zwar, daß die Rüge der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes aus § 103 SGG bei Anwendung ausländischen Rechts insoweit problematisch ist, als einerseits verhindert werden muß, daß über den Umweg der Verfahrensrüge die Anwendung des ausländischen Rechts revisibel wird, andererseits nicht die Revisibilität des Ermittlungsverfahrens praktisch weitgehend aufgegeben wird. Diesem Zielkonflikt kann aber in Anlehnung an die zivilrechtliche Praxis (s BGH in FamRZ 1982, 263, 265 und NJW 1976, 1581, 1583; vgl Fastrich, Revisibilität der Ermittlung ausländischen Rechts, ZZP 97, 423 ff ≪435≫; Gottwald, Zur Revisibilität ausländischen Rechts, Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts ≪IPRAX≫ 1988, 210, 211 mwN) dadurch Rechnung getragen werden, daß man zum einen die Verfahrensrüge gemäß § 103 SGG zuläßt, zum anderen dem Tatrichter einen weitgehenden Ermessensspielraum bei der Durchführung des Ermittlungsverfahrens einräumt.

Die Rüge der Beklagten ist aber nicht begründet. Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsgerichts, wie es sich die Kenntnis vom Inhalt des ausländischen Rechts verschafft. Soweit sich das Berufungsgericht im Rahmen dieses Ermessens hält, ist seine Entscheidung der Revision entzogen (BSG SozR 5050 § 15 FRG Nr 38 S 137 mwN). Der Revision unterliegt nur die Einhaltung der Ermessensgrenzen (Gottwald aaO S 211; Fastrich aaO S 433 f, 438 ff). Maßgebend ist, daß die vom LSG herangezogenen Unterlagen grundsätzlich geeignet sind, die richterliche Überzeugung über den Inhalt des ausländischen Rechts zu tragen. Welche und wieviele von mehreren geeigneten Erkenntnisquellen der Tatrichter heranzieht, ist Ermessensfrage (Fastrich aaO S 435); die Tatsacheninstanz ist nicht verpflichtet, in jedem Fall alle ihr zugänglichen Erkenntnisquellen auszuschöpfen (BSG SozR 5050 § 15 FRG Nr 38 S 137; in gleichem Sinn BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr 163). Das LSG hat sich seine Überzeugung von dem Schweizer Rentenrecht auf der Grundlage des Bundesgesetzes zur schweizerischen AHV und der Aufsätze von Volkmann, Umschau in der schweizerischen Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenensicherung, SGb 85, 542 ff, und Schötz, Das neue deutsche Hinterbliebenenrecht mit Auslandsberührung, DAngVers 87, 113 ff gebildet. Da es für die Entscheidung vorliegend wesentlich darauf ankam, die Voraussetzungen, den Inhalt und vor allem die Zweckbestimmung der Schweizer AHV festzustellen, ist keine Überschreitung der Ermessensgrenzen feststellbar, wenn das LSG allein auf der Grundlage des Schweizer Gesetzestextes und der genannten Aufsätze die notwendigen Feststellungen und Auslegungen zum Schweizer Alters-, Invaliden- und Hinterlassenenrecht getroffen hat. Im besonderen brauchte sich das LSG von seiner Rechtsauffassung aus im vorliegenden Fall nicht dazu gedrängt fühlen, weitere Literatur zum Schweizer Recht, wie Schweizer Lehrbücher zum Sozialversicherungsrecht oder rechtsvergleichendes Schrifttum, heranzuziehen. Die vom LSG benutzten drei Erkenntnisquellen waren und sind im oben bezeichneten Sinn grundsätzlich geeignet, die richterliche Überzeugung von einem bestimmten Inhalt des ausländischen Rechts zu tragen.

Aufgrund seiner Inhaltsbestimmung des Schweizer Rechts hat das LSG folgerichtig zur Einordnung dieser Rente in das Gefüge des § 18a SGB IV entschieden, daß die einfache schweizerische Altersrente, die die Klägerin bezieht, zum weitaus größten Teil Unterhaltsersatzfunktion hat und nur in dem Umfang „vergleichbare Ersatzleistung” gemäß § 18a Abs 3 Satz 1 2. Hälfte SGB IV ist, als sie auf der eigenen Beitragsleistung der Klägerin in Höhe von 23 SFr beruht. Da aber das dem eigenen Beitragsanteil der Klägerin von lediglich 23 SFr zugrundeliegende Einkommen nicht den Freibetrag des § 1281 Abs 1 Satz 2 RVO übersteigt, entfällt im gegebenen konkreten Fall der einzige Anhalt, an den sich eine Qualifizierung der Rente der Klägerin als Erwerbseinkommen und damit die Anrechenbarkeit knüpfen könnte. Allein bestimmend für den Charakter ihrer Rente wird damit der Umstand, daß die Rente in ihrem über den bezeichneten Eigenanteil hinausgehenden – hauptsächlichen – Betrag materiell auf der Versicherungszugehörigkeit und entsprechenden Beitragszahlung des verstorbenen Ehemannes beruht und das durch dessen Tod entstandene Unterhaltsdefizit ausgleichen soll. Ihrem Sachgehalt nach ist die von der Klägerin bezogene Schweizer Rente mithin einer Witwenrente nach § 1264 Abs 1 RVO gleichwertig. Sie ist infolgedessen auch nicht Erwerbsersatzeinkommen iS von § 18a Abs 1 Nr 2, Abs 3 Satz 1 2. Hälfte SGB IV und hat bei der Berechnung der von der Beklagten an die Klägerin nach deutschem Recht gezahlten Rente außer Ansatz zu bleiben.

Die zwischenstaatlichen Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der schweizerischen Eidgenossenschaft über Sozialversicherung enthalten keine Einschränkung der in § 1281 Abs 1 RVO angeordneten Einkommensanrechnung oder der dabei anzuwendenden Definitionsnorm des § 18a SGB IV.

Nach alledem war die Revision der Beklagten gemäß § 170 Abs 1 Satz 1 SGG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173082

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