Entscheidungsstichwort (Thema)

Landwirt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zeiten der Tätigkeit als selbständiger Landwirt in Polen sind jedenfalls dann keine nach dem deutsch-polnischen Abkommen vom 9.10.1975 und dem Zustimmungsgesetz vom 12.3.1976 in der deutschen Rentenversicherung anrechenbaren Versicherungszeiten, wenn sie in Polen nicht als hinzurechenbare Beschäftigungszeiten in der Altersversorgung der Arbeitnehmer berücksichtigt werden konnten.

2. Beiträge nach dem polnischen Gesetz der Altersversorgung (ab 1983: Sozialversicherung) der (selbständigen) Landwirte sind keine Beiträge zu einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung iS von § 15 FRG.

 

Normenkette

RV/UVAbk POL Art. 2 Abs. 2, Art. 4 Abs. 2; RV/UVAbkPOLG Art. 2 Abs. 1; FRG § 15 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1

 

Gründe

I. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin die Wartezeit für die Rente wegen Erwerbs- bzw Berufsunfähigkeit durch ihre Tätigkeit als selbständige Landwirtin in Polen erfüllt hat.

Die 1926 geborene Klägerin war von 1943 bis 1955 als mithelfende Familienangehörige in der elterlichen Landwirtschaft in R (Oberschlesien) tätig. Anschließend bewirtschaftete sie diesen Hof gemeinsam mit ihrem Ehemann bis zur Übergabe des Betriebes an einen Nachfolger am 11. April 1983. Von diesem Zeitpunkt an bezogen die Klägerin und ihr Ehemann eine Rente aufgrund des am 1. Januar 1983 in Kraft getretenen polnischen Gesetzes über die Sozialversicherung von selbständigen Landwirten und ihrer Familienmitglieder vom 14. Dezember 1982 (GSozVers Landwirte nF).

Dieses Gesetz löste das polnische Gesetz über die Altersversorgung sowie andere Leistungen für Landwirte und deren Familienangehörige vom 27. Oktober 1977 ab (GSozVers Landwirte aF).

Im März 1985 siedelte die Klägerin in die Bundesrepublik Deutschland über. Sie ist Inhaberin eines Vertriebenenausweises A. Den im April 1985 bei der Beklagten gestellten Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbs- oder hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 20. August 1985 ab, da die erforderliche Wartezeit von mindestens 60 Kalendermonaten nach den §§ 1246 Abs. 3, 1247 Abs. 3 Buchstabe (Buchst.) a der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht erfüllt sei. Die vom 9. Mai 1945 bis 10. April 1983 in Polen zurückgelegten Beschäftigungszeiten in der Landwirtschaft bzw die Zeiten selbständiger landwirtschaftlicher Tätigkeit seien auf die Wartezeit nicht anrechenbar.

Das Sozialgericht Braunschweig (SG) hat die Klage gegen den Bescheid vom 20. August 1985 durch Urteil vom 22. Oktober 1987 abgewiesen. Das Landessozialgericht Niedersachsen (LSG) hat die Berufung der Klägerin durch Urteil vom 27. September 1989 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landessozialgericht (LSG) im wesentlichen ausgeführt: Die Zeiten, in denen die Klägerin in der Landwirtschaft in Polen gearbeitet habe, seien nicht nach den Vorschriften des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung (DPSVA) vom 9. Oktober 1975 anrechenbar. Die Klägerin habe in der Zeit zwischen 1977 und 1983 Beiträge nach dem GSozVers Landwirte aF entrichtet. Die Beitragszeiten nach diesem System seien nicht unmittelbar vom DPSVA erfaßt. Diese Beitragszeiten seien auch keine hinzurechenbaren Zeiten iS von Art. 13 Abs. 3 Nr. 5 des polnischen Gesetzes über die Rentenversorgung der Arbeitnehmer und ihrer Familien vom 14. Dezember 1982 (GRentenVers Arbeitnehmer nF), da die Klägerin eine Rente aufgrund der Beitragsentrichtung nach dem GSozVers Landwirte erhalten habe. Die Zeiten der Tätigkeit der Klägerin in der Landwirtschaft vom 9. Mai 1945 bis April 1983 seien auch keine Beschäftigungszeiten iS des § 16 des Fremdrentengesetzes (FRG). Weder nach reichsgesetzlichen noch nach bundesdeutschen Vorschriften handele es sich insoweit um eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine fehlerhafte Anwendung der Vorschriften des Art. 4 Abs. 2 DPSVA iVm Art. 2 des Zustimmungsgesetzes vom 12. März 1976 und der §§ 15, 16 FRG.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. September 1989 und des Sozialgerichts Braunschweig vom 2. Oktober 1987 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. August 1985 aufzuheben und diese zu verurteilen, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. April 1985 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) oder BU.

Die Klägerin hat mit den Zeiten der Tätigkeit in der elterlichen bzw eigenen Landwirtschaft nicht die nach den §§ 1247 Abs 3 Buchst a, 1246 Abs 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) erforderliche Wartezeit von 60 Kalendermonaten Versicherungszeit zurückgelegt. Auf die Wartezeit anrechnungsfähige Versicherungszeiten sind nach §§ 1249 Abs 1 Satz 1, 1250 Abs 1 Buchst a Reichsversicherungsordnung (RVO) Zeiten, für die nach Bundesrecht und früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Invalidenversicherung Beiträge entrichtet sind oder als entrichtet gelten (Beitragszeiten).

Solche Beitragszeiten hat die Klägerin nicht zurückgelegt. Die Klägerin ist zunächst in der elterlichen Landwirtschaft und sodann als selbständige Landwirtin auf ihrem eigenen Hof tätig gewesen. Als Anspruchsgrundlage für die Anrechnung dieser Zeiten als Versicherungszeit auf die Wartezeit kommt Art 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung (DPSVA) vom 9. Oktober 1975 (BGBl II 1976, 396), das gemäß der Bek vom 31. März 1976 (BGBl II 1976, 463) am 1. Mai 1976 in Kraft getreten ist, iVm Art 2 des Gesetzes vom 12. März 1976 (Zustimmungsgesetz - BGBl II 1976, 393) in Betracht. Es kann offenbleiben, ob Art 2 Zustimmungsgesetz, der die Anrechenbarkeit von Versicherungszeiten in der polnischen Rentenversicherung in Ausführung des Abkommens regelt, hier idF des Gesetzes vom 12. März 1976 anzuwenden ist (Zustimmungsgesetz aF) oder idF von Art 20 Nr 2 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung vom 18. November 1989 (RRG 1992 - BGBl I 2261 - Zustimmungsgesetz nF). Art 20 Nr 3 Ges. z. Reform d. gesetzl. Rentenversicherung (RRG 1992) ordnet an, daß dann, wenn bei der Feststellung einer Rente, die vor dem 1. Juli 1990 begonnen hat, das Zustimmungsgesetz vom 12. März 1976 jedoch in der bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung angewendet worden ist, es dabei sein Bewenden hat. Die Regelung berücksichtigt den Vertrauensschutz von Personen, die vor dem 1. Juli 1990 im Geltungsbereich der Rentengesetze den gewöhnlichen Aufenthalt genommen haben und vor diesem Zeitpunkt einen Zahlungsanspruch auf eine Rentenleistung nach dem Abkommen besitzen; sie erhalten eine Rente ausschließlich nach bisherigem Abkommensrecht (vgl BT-Drucks 11/5530, 70). Da die Klägerin einen Rentenanspruch schon für die Zeit ab Mai 1985 geltend machte und die Beklagte über den Anspruch eine - negative - Feststellung getroffen hat, könnte für sie Art 2 Zustimmungsgesetz aF Anwendung finden. Auch wenn dies zu ihren Gunsten unterstellt wird, können die in Polen zurückgelegten Zeiten der Tätigkeit in der Landwirtschaft als Versicherungszeiten für die Erfüllung der Wartezeit nicht berücksichtigt werden.

Nach Art 4 Abs 2 DPSVA berücksichtigt der Rentenversicherungsträger des Staates, in dessen Gebiet der Berechtigte wohnt, bei der Feststellung der Rente nach den für ihn geltenden Vorschriften die Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellte Zeiten im anderen Staatsgebiet so, als ob sie in seinem Staatsgebiet zurückgelegt worden wären. Voraussetzung für die Berücksichtigung im Wohnland ist daher, daß der Berechtigte im anderen Staat Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten oder diesen gleichgestellte Zeiten zurückgelegt hat. Dies bestimmt sich nach dem Recht des anderen Staates, wie Art 2 Abs 1 des Zustimmungsgesetzes aF klarstellt. Danach sind Zeiten, die nach dem polnischen Recht der Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, gem Art 4 Abs 2 des Abkommens in demselben zeitlichen Umfang in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in entsprechender Anwendung des Fremdrenten- u. Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) zu berücksichtigen, solange der Berechtigte im Geltungsbereich dieses Gesetzes wohnt. Maßgebend ist daher, ob nach polnischem Recht berücksichtigungsfähige Zeiten vorliegen, die dann vom deutschen Rentenversicherungsträger zu übernehmen sind (vgl BSG SozR 6710 Art 4 Nr 4).

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die mit den zulässigen und begründeten Revisionsrügen nicht angegriffen worden und deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), war die Klägerin von 1943 bis April 1983 zunächst in der elterlichen Landwirtschaft als mithelfende Familienangehörige und dann als selbständige Landwirtin auf ihrem eigenen Hof tätig. Ab 1. Juli 1977 hat sie Beiträge nach dem GSozVers Landwirte aF geleistet. Das Landessozialgericht (LSG) ist zu Recht davon ausgegangen, daß die nach diesen Vorschriften zurückgelegten Zeiten nicht originär durch das DPSVA erfaßt werden. Diese Beurteilung ist Auslegung eines ratifizierten und verkündeten Staatsvertrages, die durch das Revisionsgericht nachzuprüfen ist (vgl BSG SozR 6710 Art 4 Nr 4; BVerwGE 44, 160). Durch das GSozVers Landwirte aF und nF ist für selbständige polnische Landwirte und ihre Familien ein eigenes Sozialleistungssystem geschaffen worden. Da sich das DPSVA nach Art 1 Nr 3 iVm Art 2 Abs 1 Buchst a hinsichtlich der in Polen zurückgelegten Zeiten lediglich auf "die Altersversorgung der Arbeitnehmer einschließlich der Versorgungssysteme für Bergleute und Eisenbahner" erstreckt, können die von Nichtarbeitnehmern in Polen in anderen als den genannten Versorgungssystemen zurückgelegten Zeiten grundsätzlich nach dem DPSVA unmittelbar nicht berücksichtigt werden. Die Altersversorgung der Arbeitnehmer in diesem Sinne war bei Inkrafttreten des DPSVA in dem polnischen Gesetz über die allgemeine Rentenversorgung der Arbeitnehmer vom 23. Januar 1968 (GRentenVers Arbeitnehmer aF) geregelt, das durch das Gesetz über die Rentenversorgung der Arbeitnehmer und ihrer Familien vom 14. Dezember 1982 (GRentenVers Arbeitnehmer nF) mit Wirkung vom 1. Januar 1983 ersetzt worden ist. Die Klägerin meint demgegenüber, die Beiträge der selbständigen Landwirte seien gesetzlich angeordnete Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Altersversorgung iS von Art 2 des DPSVA. Die Erweiterung des Systems der Altersversorgung sei durch Art 2 Abs 2 DPSVA und auch durch Art 2 des Zustimmungsgesetzes ausdrücklich ermöglicht worden. Diese Ansicht läßt sich aus den Vorschriften des DPSVA und des Zustimmungsgesetzes nicht begründen. Nach Art 2 des DPSVA erstreckt sich dieses nur auf bestimmte polnische Versorgungssysteme. Diese Versorgungssysteme werden nach Art 2 Abs 2 DPSVA in ihrer jeweils geltenden Fassung vom DPSVA erfaßt. Nicht erfaßt werden aber Versorgungssysteme eigener Art. Sollten alle Versorgungssysteme in Polen unter Art 2 DPSVA fallen, so würde der Wortlaut des Abk, der sich eben nur auf die Altersversorgung der Arbeitnehmer einschließlich der Versorgungssysteme für Bergleute und Eisenbahner bezieht, außer acht gelassen. Im Zeitpunkt, als das DPSVA abgeschlossen wurde, gab es auch schon andere Versorgungssysteme in Polen, die der späteren Altersversorgung der Landwirte vergleichbar waren. In § 1 Nr 6 der VO über die Anerkennung von Systemen und Einrichtungen der Sozialen Sicherheit als gesetzliche Rentenversicherung vom 11. November 1960 (BGBl I 849, zuletzt geändert durch VO vom 10. April 1978 - BGBl I 470) ist das System der Handwerkerversicherung nach dem polnischen Gesetz über die Sozialversicherung der Handwerker vom 29. März 1965 aufgeführt. Schon bei Abschluß des DPSVA sind demnach nicht alle seinerzeit nach polnischem Recht zur Sozialversicherung gehörenden Systeme in dieses Abk einbezogen worden.

Die Beitragszeiten in Polen sind auch nicht deshalb anrechenbare Versicherungszeiten, weil diese Zeiten nach den polnischen Vorschriften unter bestimmten Voraussetzungen bei der Gewährung einer Rente nach den GRentenVers Arbeitnehmer aF bzw nF mit berücksichtigt werden. Das Landessozialgericht (LSG) hat - insoweit in Anwendung des gemäß § 162 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht revisiblen polnischen Rechts (vgl BSG SozR 6710 Art 4 Nr 4) - festgestellt, daß diese Zeiten nach dem GRentenVers Arbeitnehmer aF als hinzurechenbare Zeiten (in Art 13 des GRentenVers Arbeitnehmer nF als "anrechenbare Beschäftigungszeiten" bezeichnet) in Betracht kommen. Es kann im vorliegenden Fall offenbleiben, ob "hinzurechenbare" bzw "anrechenbare" Beschäftigungszeiten überhaupt zu den nach Art 4 Abs 2 DPSVA iVm Art 2 Zustimmungsgesetz aF zu berücksichtigenden Beschäftigungszeiten zählen (vgl dazu schon BSG SozR 6710 Art 4 Nr 4). Voraussetzung für die Berücksichtigung nach dieser Vorschrift wäre jedenfalls, daß die Versicherungszeiten in Polen zumindest in einem der Systeme zu berücksichtigen gewesen sind, die in Art 2 Abs 1 DPSVA genannt werden. Dies ist nach den gemäß § 162 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ebenfalls nicht revisiblen Ausführungen des Landessozialgericht (LSG) bei der Klägerin nicht der Fall. Die Beitragszeiten der selbständigen Landwirte sind danach nämlich gemäß Art 13 Abs 3 Nrn 5, 15 des GRentenVers Arbeitnehmer nF als hinzurechenbare Beschäftigungszeiten nicht zu berücksichtigen, wenn bereits ein Rentenanspruch nach den Regelungen des GSozVers Landwirte nF besteht. Einen derartigen Anspruch hat die Klägerin aber nach den Feststellungen des Landessozialgericht (LSG) gehabt.

Auch nach Art 2 Abs 1 Zustimmungsgesetz nF ist eine Anrechnung dieser Versicherungszeiten ausgeschlossen. Nunmehr sind Zeiten, die nach dem polnischen Recht der Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, bei der Feststellung einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in Anwendung des FRG und Fremdrenten- u. Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) zu berücksichtigen. Durch diese Änderung soll klargestellt werden, daß Zeiten, die bei Versicherten, die ihr Arbeitsleben in Deutschland zurückgelegt haben, nicht berücksichtigt werden können, auch nicht bei Versicherten aus Polen und wegen der Besonderheiten des polnischen Sozialversicherungssystems zu berücksichtigen sind (vgl BT-Drucks 5530, 69). Bei Anwendung der Vorschriften des FRG hat die Klägerin aber keine anrechenbaren Versicherungszeiten zurückgelegt.

Für die Klägerin, die als Vertriebene anerkannt ist, gelten neben den Vorschriften des DPSVA iVm dem Zustimmungsgesetz auch die Vorschriften des FRG unmittelbar. Nach Art 6 § 4 Abs 2 Satz 1 Fremdrenten- u. Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) idF des Art 16 Nr 1 Ges. z. Reform d. gesetzl. Rentenversicherung (RRG 1992) (in Kraft getreten am 1. Juli 1990 - Art 85 Abs 6 RRG 1992) ist das FRG in seiner bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung (FRG aF) anzuwenden, wenn vor dem 1. Juli 1990 ein Anspruch auf Zahlung einer Rente besteht. Dies hat auch zu gelten, wenn - wie vorliegend - um einen solchen Anspruch gestritten wird.

Die geltend gemachten Zeiten stehen indes nicht gemäß § 15 Abs 1 Satz 1 FRG aF nach Bundesrecht zurückgelegten Zeiten gleich, weil sie nicht bei einer gesetzlichen Rentenversicherung iS dieser Vorschrift zurückgelegt sind. Insoweit bestimmt § 15 Abs 2 Satz 1 FRG aF, daß als gesetzliche Rentenversicherung jedes System der sozialen Sicherheit anzusehen ist, in das in abhängiger Beschäftigung stehende Personen durch öffentlich-rechtlichen Zwang einbezogen sind, um sie und ihre Hinterbliebenen für den Fall der Minderung der Erwerbsfähigkeit, des Alters und des Todes oder für einen oder mehrere dieser Fälle durch die Gewährung regelmäßig wiederkehrender Geldleistungen (Renten) zu sichern. Die Revision macht geltend, die von der Klägerin entrichteten Beiträge zum Sozialversicherungsfond für Landwirte für die Zeit vom 1. Juli 1977 bis 1. April 1983 seien Beitragszeiten bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, welche nach der genannten Vorschrift nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichstünden. Die Landwirte seien auch in der Bundesrepublik nunmehr in die Sozialversicherung einbezogen. Dies ergebe sich aus § 23 SGB I und § 2 SGB IV. Auch ein Versicherungssystem für Landwirte sei daher als gesetzliche Rentenversicherung iS von § 15 Abs 2 Satz 1 FRG aF anzusehen. Diese Ansicht ist unrichtig. In § 23 SGB I wird die Altershilfe für Landwirte nur als besonderes Versicherungssystem neben der gesetzlichen Rentenversicherung genannt. In § 2 Abs 2 SGB IV werden in Nr 3 die Landwirte als besondere Gruppe genannt neben den in Nr 1 aufgeführten "Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind", dh den abhängig Beschäftigten iS von § 15 Abs 2 Satz 1 FRG aF. Aus diesen differenzierten Regelungen kann somit nicht gefolgert werden, daß Landwirte nunmehr als abhängig Beschäftigte anzusehen wären.

Allerdings können nach § 15 Abs 1 Satz 2 FRG aF auch Pflichtbeiträge Selbständiger berücksichtigt werden, Voraussetzung ist jedoch, daß auch diese Beiträge bei einem Versicherungsträger zurückgelegt sind, der die gesetzliche Zwangsversicherung für in abhängiger Beschäftigung tätige Personen durchführt (§ 15 Abs 2 Satz 1 FRG aF). Nicht erfaßt sind dagegen Beitragszeiten pflicht- oder freiwillig versicherter Personen, die bei einem für Selbständige errichteten Versicherungsträger entrichtet sind (Jantz/Zweng/Eicher, Das neue Fremdrenten- und Auslandsrentenrecht, 2. Aufl, § 15 FRG Anm 3). Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit § 15 Abs 2 Satz 1 FRG aF zu sehen. Nach dieser Vorschrift ist gesetzliche Rentenversicherung iS des Abs 1 jedes System der sozialen Sicherheit, "in das in abhängiger Beschäftigung stehende Personen ... einbezogen sind". In Polen gibt es einen Träger der Sozialversicherung, der eine Vielzahl von unterschiedlichen Versicherungssystemen, die jeweils in eigenen Gesetzen geregelt sind, verwaltet (vgl zB die Übersicht über die Systeme in: Poletzky, Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen S 25). Dadurch, daß der Träger der Sozialversicherung die gesetzliche Rentenversicherung iS von § 15 Abs 2 Satz 1 FRG aF durchführt, ist er nicht auch Träger der gesetzlichen Rentenversicherung iS von § 15 Abs 1 FRG aF, soweit er gesetzlich besonders geregelte Versicherungssysteme verwaltet. Ein solches besonderes Versicherungssystem, das nur durch Rechtsverordnung gemäß § 15 Abs 3 FRG aF als gesetzliche Rentenversicherung iS des Abs 2 der Vorschrift anerkannt werden könnte, ist mit dem GSozVers Landwirte aF bzw nF nach den Feststellungen des Landessozialgericht (LSG) geschaffen worden. Für dieses System besteht auch ein eigener "Rentenfond" wie sich auch aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage am 21. April 1986 ergibt (vgl BT-Drucks 10/5409, 18). Auch in der zu § 15 Abs 3 FRG aF erlassenen VO vom 11. November 1960 wird davon ausgegangen, daß die nach den unterschiedlichen polnischen Versicherungssystemen zurückgelegten Zeiten nicht alle bei einem Träger der Rentenversicherung zurückgelegt sind. Die Aufnahme der Handwerkerversicherung in Polen in § 1 Nr 6 der VO durch die 2. Änderungsverordnung (ÄndV) vom 27. April 1973 (BGBl I 362) wäre sonst auch unnötig gewesen. Das danach als Rentenversicherung anerkannte System der Handwerkerversicherung ist ebenso ein Sondersystem, wie die 1977 mit dem GSozVers Landwirte aF eingeführte Altersversorgung der Landwirte. Der Verordnungsgeber hat die Altersversorgung der Landwirte auch bewußt nicht in die VO zu § 15 Abs 3 FRG aF aufgenommen, wie sich aus der genannten Antwort der Bundesregierung ergibt.

Soweit die Klägerin erstmals im Revisionsverfahren geltend macht, das GSozVers Landwirte umfasse seinerseits auch abhängig Beschäftigte, nämlich die in der Landwirtschaft Beschäftigten, hat das Landessozialgericht (LSG) keine entsprechende Feststellung getroffen. Das Landessozialgericht (LSG) hat sich ausschließlich auf das GSozVers Landwirte aF bezogen. In diesem sind nicht zur Familie gehörige Beschäftigte nicht erfaßt. Erst nach dem GSozVers Landwirte nF sind nunmehr auch Haushaltsmitglieder, dh Personen, die im Landwirtschaftsbetrieb arbeiten, sofern sie einen gemeinschaftlichen Haushalt mit dem Landwirt führen, versichert. Dies ist ein Personenkreis, bei dem typischerweise häufig unklar ist, ob er abhängig beschäftigt ist oder nur familienhafte Mitarbeit leistet. Durch die Aufnahme dieses Personenkreises wird die Sozialversicherung der Landwirte aber nicht zur Rentenversicherung iS von § 15 Abs 2 Satz 1 FRG aF.

Schließlich können die geltend gemachten Zeiten nicht als Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG aF Berücksichtigung finden. Danach steht eine nach vollendetem 16. Lebensjahr vor der Vertreibung in den nach § 1 Abs 2 Nr 3 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) genannten ausländischen Gebieten oder nach dem 8. Mai 1945 in den unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten verrichtete Beschäftigung einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung im Geltungsbereich dieses Gesetzes, für die Beiträge entrichtet sind, gleich, soweit sie nicht mit einer Beitragszeit zusammenfällt. Dies gilt jedoch nur, wenn die Beschäftigung nach dem am 1. März 1957 geltenden Bundesrecht Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet hätte, wäre sie im Bundesgebiet verrichtet worden. Die Auffassung des LSG, bei den von der Klägerin in der Landwirtschaft zurückgelegten Zeiten handele es sich nach bundesdeutschen Vorschriften nicht um versicherungspflichtige Beschäftigungen oder Tätigkeiten, ist nicht zu beanstanden. Dies gilt nicht nur für die Tätigkeit der Klägerin als selbständige Landwirtin von 1955 bis 1983, sondern auch für ihre Tätigkeit in der elterlichen Landwirtschaft. Dabei kann dahinstehen, ob es sich insoweit um eine abhängige Beschäftigung gehandelt hat, da die Klägerin nach ihren eigenen Angaben gegenüber der Beklagten für ihre Tätigkeit keinen Lohn oder Sachbezüge erhalten hat. Nach dem am 1. März 1957 durch das Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG) vom 23. Februar 1957 (BGBl I 45) in Kraft getretenen § 1228 Abs 1 Nr 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) ist versicherungsfrei, wer als Entgelt für eine Beschäftigung, die nicht zur Berufsausbildung ausgeübt wird, nur freien Unterhalt erhält. Dies ist keine Vorschrift über die Beschränkung der Versicherungspflicht nach der Höhe des Arbeitsverdienstes iS von § 16 Satz 2 Halbs 2 FRG aF (vgl BSG SozR 5050 § 16 Nr 11). Das hat zur Folge, daß für eine Beschäftigung im Herkunftsland, für die als Entgelt nur freier Unterhalt gewährt wurde, keine Beschäftigungszeit nach § 16 FRG aF anzurechnen ist. Die genannte Vorschrift besagt nicht, daß nur allgemein eine an sich rentenversicherungspflichtige Beschäftigung im Herkunftsland ausgeübt worden sein müsse, sondern bedeutet, daß die im Herkunftsland konkret ausgeübte Beschäftigung im Bundesgebiet Versicherungspflicht begründet haben muß (BSG aaO mwN).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1456014

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