Verfahrensgang

BSG (Urteil vom 23.07.1992; Aktenzeichen 7 RAr 2/92)

BSG (Urteil vom 18.04.1991; Aktenzeichen 7 RAr 52/90)

BSG (Urteil vom 16.03.1983; Aktenzeichen 7 RAr 25/82)

 

Tenor

Gemäß § 3 Abs 2 der Geschäftsordnung des Bundessozialgerichts wird beim 7. Senat angefragt, ob dem 11. Senat darin zugestimmt wird, daß entgegen den Urteilen vom 16. März 1983 – 7 RAr 25/82 –, 18. April 1991 – 7 RAr 52/90 -und 23. Juli 1992 – 7 RAr 2/92 – für die Bemessung des Arbeitslosengeldes eine Nachzahlung von Arbeitsentgelt die Rechtsfolge des § 112 Abs 7 Arbeitsförderungsgesetz auslösen kann.

 

Tatbestand

I

Der Rechtsstreit betrifft die Bemessung von Arbeitslosengeld (Alg); die Beteiligten streiten darüber, ob der Bemessung auch das nach dem Ausscheiden der Klägerin vom Arbeitsgericht zugesprochene tarifliche Arbeitsentgelt zugrunde zu legen ist.

Die 1930 geborene Klägerin ist geschieden und kinderlos (Steuerklasse I). Sie hat von 1978 bis 1987 als Verkäuferin in einer Bäckerei und zuletzt vom 1. Juni 1988 bis 30. Juni 1989 als Modeschmuckverkäuferin in der Firma B. P. …, K. …, gearbeitet. Die Firma zahlte der Klägerin 2.000,00 DM brutto monatlich. Durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (LArbG) vom 21. März 1990 – 2 Sa 953/89 – wurde sie verurteilt, der Klägerin ab 3. August 1989 2.655,00 DM brutto zu zahlen; der ausgeurteilte Zahlbetrag ist die Differenz eines Monatsgehalts von 2.295,00 DM zu den gezahlten 2.000,00 DM für die Zeit vom 1. Juni 1988 bis 28. Februar 1989. Nach einer zweiten Klage auf Zahlung höheren Arbeitsentgelts für die Monate März bis Juni 1989 soll der Arbeitgeber die Differenz gezahlt haben.

Die Klägerin meldete sich zum 1. Juli 1989 arbeitslos und beantragte Alg. Dabei wies sie auf eine Lohnklage vor dem Arbeitsgericht hin.

Mit Verfügung vom 28. September 1989 bewilligte die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) „vorläufig” Alg und – nach zwei vergeblichen Anmahnungen einer korrigierten Arbeitsbescheinigung auf Grund des Urteils des LArbG – mit Bescheid vom 7. Januar 1991 „endgültig” nach einem gerundeten Arbeitsentgelt von 460,00 DM wöchentlich in Höhe von 196,20 DM für 1989 und von 205,20 DM für 1990. Zur Begründung führte die BA aus, maßgebend für die Bemessung der Leistung sei das am Tage des Ausscheidens abgerechnete Arbeitsentgelt. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 1991 hielt sie diese Ansicht aufrecht und wies ergänzend darauf hin, ein Anspruch auf höheren tariflichen Lohn und ein entsprechendes arbeitsgerichtliches Urteil seien unerheblich.

Die Klage auf höheres Alg hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 26. Februar 1992 abgewiesen. Die vom SG zugelassene Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 25. Januar 1994 zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die Klägerin habe in der Zeit vom 1. April bis 30. Juni 1989 nach der zugrunde zu legenden Arbeitsbescheinigung vom 5. Juni 1989 in 38,5 Stunden wöchentlich 2.000,00 DM monatlich (wöchentlich 460,00 DM) brutto verdient. Die Ansicht der Klägerin, für die Bemessung des Alg sei das durch das LArbG zugesprochene bzw aufgrund des zweiten Arbeitsgerichtsprozesses nachgezahlte Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, sei unrichtig. Das LSG hat sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) angeschlossen, wonach nur dasjenige Arbeitsentgelt im Sinne des Gesetzes „erzielt” ist, das bereits vor Entstehung des Anspruchs auf Alg abgerechnet und dem Versicherten zugeflossen ist (sog Zuflußtheorie). Ausnahmen von diesem Grundsatz seien nur für Versehen oder Rechenfehler sowie den Fall anzuerkennen, daß zustehendes höheres Arbeitsentgelt spätestens bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses verlangt und mit Erfolg wenigstens in einer Instanz eingeklagt worden ist (sog modifizierte Zuflußtheorie). Auch deren Voraussetzungen seien im Falle der Klägerin nicht erfüllt, denn sie habe bis zum Ende ihres Beschäftigungsverhältnisses am 30. Juni 1989 kein arbeitsgerichtliches Urteil erstritten. Eine Überprüfung des dem Versicherten gegen seinen früheren Arbeitgeber zustehenden Lohnanspruchs durch die BA entspreche nicht Sinn und Zweck der Bemessungsvorschriften. Zufälligkeiten müßten hingenommen werden und könnten allenfalls – etwa bei Nichtzufluß in Insolvenzfällen – nach § 112 Abs 7 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) korrigiert werden. Die Argumente der sog Anspruchstheorie seien gewichtig, aber nicht durchgreifend. Sie trage den Faktor der Unsicherheit und der erheblichen Mehrarbeit für die Massenverwaltung in sich. Vor derartigen Unsicherheiten und Mehrarbeiten habe der Gesetzgeber die Massenverwaltung durch das Wort „abgerechnet” grundsätzlich verschonen wollen. Die sog modifizierte Zuflußtheorie schaffe klare Verhältnisse für die Arbeitsämter und könne noch in sinnvoller Weise weiterentwickelt werden, so daß kein Anlaß bestehe, von ihr abzurücken. Diese Ansicht sei auch mit den Grundrechten der Versicherten vereinbar.

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 112 Abs 1, 2 und 3 AFG sowie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG). Der Rechtsprechung des BSG tritt sie entgegen und führt aus, § 112 Abs 2 AFG bestimme nur den Bemessungszeitraum, nicht aber, daß nur abgerechnetes Arbeitsentgelt bei der Bemessung des Alg zu berücksichtigen sei. Der Begriff „erzielt” sei nicht mit „zugeflossen” gleichzusetzen. Erzielt sei Arbeitsentgelt auch dann, wenn es erst nach Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses ausgezahlt werde. Unklarheiten bei der Bestimmung des Bemessungsentgelts im Zeitpunkt der Antragstellung sei durch Vorschußzahlungen nach § 42 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) zu begegnen. Stellten sich unrichtige Gehaltsabrechnungen nachträglich heraus, habe die Verwaltung dem Rechnung zu tragen. Die Behauptung des BSG, seit jeher seien in der Arbeitslosenversicherung die tatsächlichen Lohnverhältnisse maßgebend gewesen, sei unzutreffend. Die Zuflußtheorie widerspreche dem Gesetzesauftrag, die sozialen Rechte möglichst weitgehend zu verwirklichen. Auch das Argument, das Alg solle das im Bemessungszeitraum vorhandene Lohnniveau sichern, sei nicht stichhaltig. Dies ergebe sich schon daraus, daß im Bemessungszeitraum zugeflossene Überstundenvergütungen nicht zu berücksichtigen seien. Der Zweck der Bemessungsvorschriften gehe dahin, bei der Erstbescheidung eine rasche Entscheidung zu gewährleisten. Die gesetzliche Ermächtigung zu Neufeststellungen von Leistungen belege, daß diese auch für die Bemessung von Alg möglich sein müssen. Hiervon sei lediglich abzusehen, wenn der Verwaltungsaufwand nicht in angemessenem Verhältnis zu den Vorteilen des einzelnen stehe. Die Ablehnung von Neufeststellungen durch die Rechtsprechung verstoße gegen Art 3 Abs 1 GG, weil sie nicht durch Sachgründe gerechtfertigt sei. Der Gesichtspunkt der Verwaltungseffektivität sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht uneingeschränkt „sachlicher Grund” für Ungleichbehandlungen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. Januar 1994, das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 26. Februar 1992 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 7. Januar 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 1991 zu verurteilen, der Klägerin vom 1. Juli 1989 bis 31. Mai 1990 ein höheres Arbeitslosengeld nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 530,00 DM zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die von der Revision aufgeworfene Rechtsfrage durch die Rechtsprechung des BSG für beantwortet. Durch die Gegenansicht würden die Sachbearbeiter der Arbeitsämter in die Rolle von Arbeitsrichtern gedrängt. Die Aussicht auf eine Verbesserung des Bemessungsentgelts und damit auf ein höheres Alg werde den Wunsch von Arbeitslosen zur arbeitsgerichtlichen Klärung von Lohnfragen erhöhen und damit die Zahl arbeitsgerichtlicher Verfahren vermehren. Allein die Orientierung an dem bis zum Tage des Ausscheidens bezogenen Arbeitsentgelt gewährleiste eine vernünftige Bestimmung des Alg. Differenzierungen nach modifiziertem Zufluß und Anspruch führten im Ergebnis nicht weiter. Nur objektive, einheitliche Maßstäbe dürften für die Bemessung des Alg Bedeutung erlangen. Individuelle Zufälligkeiten ließen sich nicht ausschließen, wie immer man die Bemessungsgrundlagen des Alg ermittle. Durch eine nachträgliche Neuberechnung des Arbeitsentgelts werde die nach der Rechtsprechung des BSG vorgenommene Bemessung des Alg nicht unrichtig. Im übrigen zeige die jüngere Rechtsentwicklung den Willen des Gesetzgebers, am Zuflußprinzip festzuhalten.

 

Entscheidungsgründe

II

Der Senat beabsichtigt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen. Er hält die nachträgliche Zahlung von höherem Arbeitsentgelt in dem Sinne für entscheidungserheblich, daß bei der Berechnung des Alg an die Stelle der Regelbemessung die Bemessung nach § 112 Abs 7 AFG treten kann.

1. Gegenstand des Verfahrens ist ein Anspruch auf höheres Alg für die Zeit vom 1. Juli 1989 bis 31. Mai 1990, über den die BA mit Bescheid vom 7. Januar 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 1991 entschieden hat. Die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach, die auch bei einer Klage auf höhere Leistung zu prüfen sind (vgl statt vieler: BSGE 73, 263, 269 = SozR 3-4100 § 112 Nr 16 mwN), sind im vorliegenden Fall nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG nicht zweifelhaft.

Die Höhe der ab 1. Juli 1989 zustehenden Leistung richtet sich nach § 111 Abs 1 Nr 2 AFG in der hier anzuwendenden durch das 7. AFG-ÄndG vom 20. September 1985 (BGBl I 2484) geänderten Fassung. Danach beträgt das Alg für einen unverheirateten Arbeitslosen ohne Kinder 63 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts (§ 112 AFG). Als unverheiratete Arbeitslose ohne Kinder gehört die Klägerin gemäß § 111 Abs 2 Nr 1 AFG der Leistungsgruppe A (Lohnsteuerklasse I) an. Für diese Leistungsgruppe sah die Anlage 2 der AFG-Leistungsverordnungen für 1989 vom 30. November 1988 (BGBl I 2186) bzw für 1990 vom 27. November 1989 (BGBl I 2064) für das gerundete wöchentliche Arbeitsentgelt von 460,00 DM die von der BA bewilligten Leistungssätze von 196,20 DM (1989) bzw 205,20 DM (1990) vor. Eine höhere Leistung steht der Klägerin danach nur zu, falls ihr Alg nach einem höheren Arbeitsentgelt als 460,00 DM wöchentlich zu zahlen ist. Dies hat das LSG im Anschluß an die Rechtsprechung des BSG verneint.

Für die Leistungsbemessung ist Arbeitsentgelt nach § 112 Abs 1 AFG idF des 8. AFG-ÄndG vom 14. Dezember 1987 (BGBl I 2602) das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Woche erzielt hat. Der Bemessungszeitraum umfaßt nach § 112 Abs 2 Satz 1 AFG idF des 8. AFG-ÄndG grundsätzlich die beim Ausscheiden des Arbeitnehmers abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten drei Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungen vor der Entstehung des Anspruchs. Im Bemessungszeitraum erzielt ist nach der Rechtsprechung des BSG Arbeitsentgelt nicht schon dann, wenn es vom Arbeitnehmer erarbeitet worden ist, sondern nur, wenn es ihm bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses zugeflossen ist, so daß er darüber verfügen kann. Die Rechtsprechung entnimmt § 112 Abs 1 und 2 AFG das Ziel des Gesetzgebers, „das Alg an einem zeitnahen Lohnniveau auszurichten und außerdem eine rasche einfache und endgültige Bestimmung des Bemessungsentgelts zu ermöglichen” (BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 10; BSG NZA 1993, 621 mwN). Das LSG hat die Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung unstreitig stellen lassen, daß das Arbeitsentgelt der Klägerin für die Zeit vom 1. April bis 30. Juni 1989 gemäß der Arbeitsbescheinigung vom 5. Juni 1989 vor ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis abgerechnet und ausbezahlt worden ist. Es hat dieser Arbeitsbescheinigung – von der Revision nicht angegriffen – entnommen, daß die Klägerin in 38,5 Stunden wöchentlich ein Monatsgehalt von 2.000,00 DM brutto erhalten hat. Diesem Arbeitsentgelt entspricht die von der BA vorgenommene Leistungsbemessung.

Das Vorbringen der Klägerin, sie sei tariflich wie eine Fachverkäuferin einzustufen gewesen, so daß ihr aufgrund des Urteils des LArbG auch für den Bemessungszeitraum ein Arbeitsentgelt von 2.295,00 DM brutto monatlich vom Arbeitgeber zugestanden und gezahlt worden sei, ist nach der angeführten Rechtsprechung nicht entscheidungserheblich.

2. Dieses Ergebnis wirkt wenig befriedigend. Gerade in Fällen, in denen die Arbeitsgerichte erfolgreich zur Klärung des Arbeitsentgeltanspruchs bemüht worden sind, wird das Weiterwirken von Lohnverkürzungen durch den Arbeitgeber bei der Bemessung des Alg als unangemessen empfunden. Dies gilt um so mehr, als das arbeitsrechtlich festgestellte Arbeitsentgelt bis zur Beitragsbemessungsgrenze der Beitragspflicht unterliegt (vgl BSG Urteil vom 30. August 1994 – 12 RK 59/92 –), ohne leistungsrechtliche Auswirkungen zu haben (vgl ferner: BVerfGE 90, 226, 240 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6). Eine tarifwidrige Lohnabrechnung wird von der sozialgerichtlichen Rechtsprechung des BSG bei der Feststellung von Leistungen in der Arbeitslosenversicherung und damit – wie noch auszuführen sein wird -auch in der Rentenversicherung ohne Korrekturmöglichkeit verfestigt. Der erkennende Senat hält diese Rechtsprechung im Hinblick auf Zusammenhang und Sinn der Bemessungsvorschriften, die Ausdehnung der Dauer des Leistungsbezugs von Alg (und Altersübergangsgeld) und die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu Art 3 Abs 1 GG für überprüfungsbedürftig. Er hält es für angezeigt, das realisierte Ergebnis der Entscheidung oder Beilegung eines arbeitsrechtlichen Lohnstreits zwar nicht als Bemessungsentgelt zu berücksichtigen, wohl aber in entsprechender Anwendung des § 112 Abs 5 und 7 AFG zum Anlaß für die Bemessung des Alg nach dem im Leistungszeitraum maßgeblichen tariflichen Arbeitsentgelt zu nehmen, falls dieses Bemessungsentgelt günstiger als das Regelbemessungsentgelt ist.

2.1 Das nach § 112 Abs 1 bis 4 AFG zu ermittelnde Regelbemessungsentgelt soll das Alg als die von der Arbeitslosenversicherung zu erbringende Lohnersatzleistung bestimmen. Dem im Bemessungszeitraum erzielten Arbeitsentgelt kommt insofern Indizwirkung zu: Typisierend zeigt es das Arbeitsentgelt an, welches der arbeitslose Leistungsempfänger, hätte er Arbeit, erzielen könnte. Das Alg ersetzt freilich den während der Arbeitslosigkeit erzielbaren Lohn nur begrenzt. Maßgeblich ist nur das durchschnittliche Arbeitsentgelt. Infolgedessen kommt es nicht uneingeschränkt auf dieses Entgelt an, denn Mehrarbeitszuschläge, Arbeitsentgelte anläßlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie einmalige, wiederkehrende oder anteilige Zuwendungen bleiben unberücksichtigt (§ 112 Abs 1 Satz 2 AFG). Bemessungsentgelt ist danach das „gewöhnlich laufende Arbeitsentgelt”, mit dem der Arbeitnehmer regelmäßig rechnen kann (BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 3; vgl auch: BSG SozR 4100 § 112 Nr 25; SozR 3-4100 § 112 Nr 1). Diese gesetzliche Ausgangslage steht der Vorstellung entgegen, den im Bemessungszeitraum begründeten Lebensstandard des nunmehr Arbeitslosen als Grund und Grenze für die Bemessung des Alg heranzuziehen (vgl dazu: BSGE 74, 96, 100 = SozR 3-4100 § 112 Nr 17 mwN).

Im Sinne der Bemessungsvorschriften erzielt ist Arbeitsentgelt nach der Rechtsprechung nur, wenn es dem Versicherten zugeflossen ist. Für die Berücksichtigung als Bemessungsentgelt reicht es nicht aus, wenn der Versicherte es sich im Bemessungszeitraum „erarbeitet” hat, er lediglich einen Anspruch auf Arbeitsentgelt erworben hat, ohne daß dieser Anspruch realisiert worden ist. Die Ermittlung des für den Bemessungszeitraum zu beanspruchenden, nicht zugeflossenen Arbeitsentgelts würde zu einer staatlichen Überprüfung des Lohnanspruchs des Arbeitslosen durch Arbeitsämter führen und Lohnstreitigkeiten als Vorfrage auf die Arbeitsämter und ggfs die Sozialgerichte verlagern (BSG NZA 1993, 621, 624; vgl auch: BSGE 53, 58, 62 = SozR 2200 § 182 Nr 79). Daß Sozialleistungsträger und Sozialgerichte nicht berufen sind, Ansprüche auf Arbeitsentgelt zu überwachen, erkennen auch Autoren an, die den Anspruch auf Arbeitsentgelt für die Bemessung von Alg für maßgeblich halten (Gagel, AFG, § 112 RdNr 118 – Stand: Februar 1989; Pitschas SGb 1990, 209 jeweils mit Hinweisen auf ältere beitragsrechtliche Rechsprechung). Die Gegenansicht kann aber nicht erklären, wie sie eine staatliche Überwachung von Lohn- oder Gehaltsabrechnungen vermeiden will, wenn der Anspruch auf Arbeitsentgelt rechtserheblich und damit Gegenstand der Amtsermittlung (§ 20 Abs 1 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – SGB X; § 103 SGG) wird.

Abgesehen davon wird auch in anderen Sozialleistungsbereichen – zB für das Krankengeld und das Übergangsgeld – bei vergleichbarem gesetzlichen Ausgangspunkt auf das tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt abgestellt (vgl BSGE 52, 102 = SozR 2200 § 182 Nr 75; SozR 2200 § 1241 Nrn 3, 4, 15, 18, 30). Eine Bemessung von Sozialleistungen mit Lohnersatzfunktion nach Ansprüchen auf Arbeitsentgelt anstelle des tatsächlich erhaltenen Arbeitsentgelts bedeutet deshalb eine dem Gesetzgeber vorbehaltene Änderung der Rechtslage (BSGE 52, 102, 105 = SozR 2200 § 182 Nr 75; BSG NZA 1993, 621, 624).

Schließlich ist die an das tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt anknüpfende Rechtsprechung geeignet, Manipulationsversuchen entgegenzuwirken. Der Gedanke, daß Arbeitgeber ein höheres Arbeitsentgelt bescheinigen als sie tatsächlich geleistet haben oder zu leisten bereit sind, ist gerade für den Bereich der Arbeitslosenversicherung nicht von der Hand zu weisen. Bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses trennen sich die Wege der Arbeitsvertragsparteien, so daß für den nunmehr Arbeitslosen vorteilhafte Arbeitsbescheinigungen nicht mehr zu dauerhaften Belastungen seines bisherigen Arbeitgebers führen.

Eine von den Grundsätzen der Rechtsprechung abweichende Konzeption der Ermittlung des Regelbemessungsentgelts erscheint danach nicht geeignet, das Problem von Lohnverkürzungen im Bemessungszeitraum zu lösen.

2.2 Die Vorschriften über die Regelbemessung nach § 112 Abs 1 bis 4 AFG enthalten jedoch keine abschließende Regelung der Bemessung von Alg. Sie werden ergänzt durch Ausnahmeregelungen, namentlich in § 112 Abs 5 und 7 AFG. Diese sehen für bestimmte Sachverhalte von der Regelbemessung abweichende Feststellungen des Bemessungsentgelts vor. Heranzuziehen ist danach: Bei Arbeitslosen nach Bestehen einer Abschlußprüfung die Hälfte des Arbeitsentgelts nach Abs 7, mindestens das während der Berufsausbildung erzielte Arbeitsentgelt (Abs 5 Nr 2); nach Ehegatten- oder Verwandtenbeschäftigung höchstens das gewöhnliche Arbeitsentgelt familienfremder Arbeitnehmer bei gleichartiger Beschäftigung (Nr 3); nach Beschäftigungen im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen das (dynamisierte) Bemessungsentgelt, welches den vorausgegangenen Leistungsbezug bestimmt hat, bei zeitlichem Abstand von mehr als drei Jahren mindestens das Arbeitsentgelt nach Abs 7 (Nr 4); nach gleichgestellten Zeiten außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes das tarifliche oder ortsübliche Arbeitsentgelt, welches der Arbeitslose nach den Merkmalen des Abs 7 erzielen kann (Nr 5); nach einer Beschäftigung als Helfer im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres oder einer Beitragspflicht als Wehr- oder Zivildienstleistender das in seiner vorausgegangenen Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt (Nr 6 und 9); nach der Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Bildung das Arbeitsentgelt, das die Bemessung des Unterhaltsgeldes bestimmt hat (Nr 8). Schließlich ist das Alg nach § 112 Abs 7 AFG – abgesehen von dem Fall der unbilligen Härte – bei Abstand der Entstehung des Anspruchs zum Bemessungszeitraum von mehr als drei Jahren nach dem am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen maßgeblichen tariflichen, hilfsweise ortsüblichen Arbeitsentgelts derjenigen Beschäftigung, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufs und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts in Betracht kommt, zu bemessen. Der letztgenannten Regelung kommt dabei die Funktion einer Auffangvorschrift zu, zumal in den Tatbeständen des § 112 Abs 5 AFG auf ihre Rechtsfolge zum Teil Bezug genommen wird, wenn in anwartschaftsbegründenden Zeiten ein Arbeitsentgelt nicht erzielt worden ist. Gemeinsam ist diesen Vorschriften die Annahme des Gesetzes, daß die dem im Bemessungszeitraum erzielten Arbeitsentgelt zukommende Indizwirkung für den während der Arbeitslosigkeit eintretenden Lohnausfall versagt. Der mit dem Alg zu erbringende Lohnersatz muß deshalb mit anderen Mitteln als der Indizwirkung festgestellt werden. Die fallbezogenen Rechtsfolgen des § 112 Abs 5 AFG können hier auf sich beruhen. Wesentlich ist die Bemessung des Alg auf der Grundlage des tariflichen Arbeitsentgelts, das typischerweise als der „gerechte Lohn” einer für den Arbeitslosen in Betracht kommenden Beschäftigung anzusehen ist. Die Zielsetzung beider Bemessungsmethoden ist die gleiche. Es geht darum, als Ausgangspunkt für den durch Alg zu ersetzenden Lohnausfall das Äquivalent für die dem Arbeitslosen mögliche Arbeitsleistung zu bestimmen. Versagt die Regelbemessung, so tritt ausnahmsweise an ihre Stelle der Tariflohn. Über Regelbemessungsentgelt wie Tariflohn bestimmt der Gesetzgeber das Alg nach typisierenden und pauschalierenden Merkmalen, denn der durch Arbeitslosigkeit eintretende Lohnausfall läßt sich konkret nicht ermitteln.

2.3 Zusammenhang und Zielsetzung der Bemessungsvorschriften legen es nahe, die Tatbestände, die ein Abweichen vom Regelbemessungsentgelt eröffnen, für den Fall der Lohnverkürzung im Bemessungszeitraum zu ergänzen. Auch in diesem Fall wird das im Bemessungszeitraum erzielte Arbeitsentgelt seiner Indizfunktion nicht gerecht. Das Ergebnis der Entscheidung oder Beilegung eines Lohnstreits zeigt an, daß der Versicherte während des Leistungsbezugs ein höheres Arbeitsentgelt erzielen könnte. Allerdings ist ein Abweichen vom Arbeitsentgelt des Bemessungszeitraums nur dann gerechtfertigt, wenn die festgestellten Lohnverkürzungen nicht nur geringfügig sind. Nur unter dieser Voraussetzung versagt die Indizfunktion. Die Geringfügigkeitsgrenze läßt sich in diesem Zusammenhang nicht allgemein festlegen. Sie ist jedenfalls überschritten, wenn sich – wie möglicherweise hier – herausstellt, daß dem Versicherten für den Bemessungszeitraum nachträglich das Arbeitsentgelt einer höheren Tarifgruppe gezahlt wurde. Die Gefahr die Solidargemeinschaft belastender Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer läßt sich nicht von der Hand weisen. Solche Vereinbarungen sind aber auch bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht auszuschließen und nach der pauschalierenden Regelung der Leistungsbemessung hinzunehmen. Bei einem Rückgriff auf die Bemessung nach § 112 Abs 7 AFG sind ihre Auswirkungen jedenfalls durch das tarifliche Entgelt begrenzt.

Dem Katalog des § 112 Abs 5 und 7 AFG ist ein die Ansicht des Senats ausschließendes beredtes Schweigen des Gesetzgebers nicht zu entnehmen. Ausdrücklich hat der Gesetzgeber des AFG für die Bemessung von Alg auf das bis dahin geltende Recht hingewiesen und sachliche Änderungen nicht vorgenommen (BT-Drucks V/2291 S 80 f). Auch nach der Einführung des Berechnungsmodus von Alg als Produkt von Geldfaktor und Zeitfaktor durch § 90 Abs 1 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) idF des 2. AVAVG-ÄndG vom 7. Dezember 1959 (BGBl I 705) war die Berücksichtigung von Nachzahlungen „in nachträglicher Vertragserfüllung” im Gegensatz zu „rückwirkenden Vertragsänderungen” für zulässig erachtet worden (vgl Fangmeyer/Überall, AVAVG, 5. Aufl, 1969, 628 f mit Hinweis auf den Erlaß des Präsidenten der BAVAV vom 28. Dezember 1964 ≪Runderlaß 18/65≫; Draeger/Buchwitz/Schönefelder, AVAVG, 1961, § 90 RdNr 4; diese Unterscheidung geht anscheinend auf RVA AN 1929, 187 zurück und liegt noch BSGE 12, 55 = SozR Nr 2 zu § 90 AVAVG zugrunde). Auch bei dieser Änderung lassen sich weder dem Gesetz selbst noch der Begründung des Regierungsentwurfs Hinweise dafür entnehmen, daß der Gesetzgeber die Korrektur falsch abgerechneter Löhne für die Bemessung des Alg in Zukunft verhindern wollte. Vielmehr ging es darum, Zufälligkeiten der Leistungsbemessung dadurch entgegenzuwirken, „daß Grundlage des Bemessungsentgelts der durchschnittliche Stundenverdienst wird” (BT-Drucks III/1214, S 13).

Entscheidend ist jedoch, daß sich die Auswirkungen des Bemessungsentgelts seit Inkrafttreten des AFG erheblich verändert haben. Die Dauer des Anspruchs war ursprünglich im Höchstfall auf 312 Tage begrenzt (§ 106 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG idF vom 25. Juni 1969 ≪BGBl I 582≫). Unter den jetzt geltenden Voraussetzungen des § 106 Abs 1 AFG idF vom 27. Juni 1987 (BGBl I 1542) beträgt die Anspruchsdauer bis zu 832 Tagen; für das Altersübergangsgeld, bei dem ebenfalls das nach § 112 AFG ermittelte Bemessungsentgelt zugrunde zu legen ist (§ 249e Abs 3 Nr 2 AFG), sogar 1560 Tage (§ 249e Abs 3 Nr 1 AFG). Hinzu kommt, daß die Bemessung des Alg Auswirkungen auf die Höhe von Rentenleistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung hat. Diese bestanden bei Inkrafttreten des AFG nicht. Der Leistungsbezug begründete nicht die Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Bewertung von Ausfallzeiten wegen Arbeitslosigkeit war von der Höhe des Alg unabhängig (§ 1255a Reichsversicherungsverordnung; § 32a Abs 2 und 3 Angestelltenversicherungsgesetz). Nach geltendem Recht gehören Bezieher von Alg zu den in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtigen Personen (§ 3 Satz 1 Nr 3 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch: Gesetzliche Rentenversicherung – ≪SGB VI≫). Beitragsbemessungsgrundlage sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI). Bei Beziehern von Alg ist beitragspflichtige Einnahme 80 vH des der Leistung zugrundeliegenden Arbeitsentgelts (§ 166 Nr 2 SGB VI). Für die Beitragszeiten werden nach der Beitragsbemessungsgrundlage Entgeltpunkte ermittelt (§ 70 Abs 1 SGB VI), die in die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente eingehen (§ 64 SGB VI). Bei solch weitreichenden Änderungen der Auswirkungen der Leistungsbemessung besteht ein Bedürfnis, den Fall nachträglichen Ausgleichs von Lohnverkürzungen während des Bemessungszeitraums bei der Bemessung des Alg zu berücksichtigen. Nach dem System der Bemessungsvorschriften bietet es sich an, diesen Fall den in § 112 Abs 5 und 7 AFG geregelten Tatbeständen gleichzustellen.

2.4 Diesen Tatbeständen ordnet der Gesetzgeber verschiedene Rechtsfolgen zu. Er trägt damit unterschiedlichen Fallgestaltungen Rechnung. Für die hier zu beurteilenden Lohnverkürzungen im Bemessungszeitraum erscheint ausschließlich der Rückgriff auf das in § 112 Abs 7 AFG näher qualifizierte tarifliche – hilfsweise ortsübliche – Arbeitsentgelt sachlich angemessen. Ein solches Vorgehen hat die Rechtsprechung bisher abgelehnt (BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 10; BSG NZA 1993, 621, 624). Sie hat sich dabei allerdings nur mit dem Grundgedanken der Härteklausel des § 112 Abs 7 AFG befaßt und in den entschiedenen Fällen unter diesem Gesichtspunkt keinen Anlaß für eine entsprechende Anwendung der Rechtsfolgen dieser Vorschrift gesehen. Soweit die Rechtsprechung § 112 Abs 7 AFG auf Insolvenzfälle anwendet (BSG SozR 4100 § 112 Nr 43; BSG AuB 1992, 58), führt dies zu einer Begünstigung von Versicherten, deren Arbeitsentgelt gerade im Bemessungszeitraum nicht oder verkürzt gezahlt wurde. Langwährende Lohnverkürzungen bleiben selbst dann unberücksichtigt, wenn die Versicherten den ihnen zustehenden Lohn nachträglich erhalten (vgl auch: Pitschas SGb 1990, 209).

Die Rechtsansicht des Senats knüpft an systematischen Zusammenhang und Zielsetzung der Regelungen des § 112 AFG an und greift auf die Rechtsfolge des § 112 Abs 7 AFG zurück, soweit bei Lohnverkürzungen im Bemessungszeitraum die Indizfunktion des Regelbemessungsentgelts für den durch Arbeitslosigkeit entstehenden Lohnausgleich versagen kann. Der Rückgriff auf das tarifliche oder ortsübliche Arbeitsentgelt erscheint nach dem Gesamtzusammenhang der Bemessungsregelungen systemgerecht. Das Verhältnis von Regel und Ausnahme bleibt davon unberührt. Anhaltspunkte dafür, daß einzelarbeitsvertrags- oder tarifwidrige Lohn- oder Gehaltsabrechnungen im Bemessungszeitraum „die Regel” darstellen, sind nicht ersichtlich.

Allerdings hat die Rechtsprechung den Bemessungsvorschriften entnommen, das bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses abgerechnete und zugeflossene Arbeitsentgelt enthalte die endgültige Grundlage des Bemessungsentgelts; nachträgliche Klarstellungen des dem Versicherten im Bemessungszeitraum zustehenden Arbeitsentgelts seien für die Bemessung unerheblich. Dem kann sich der Senat nicht anschließen, soweit damit das Ergebnis der Entscheidung oder Beilegung von Lohnstreitigkeiten für die Bemessung des Alg gänzlich ausgeschlossen werden soll. Dazu ist klarzustellen, daß die Lohnabrechnung die Bemessung des Alg nicht unmittelbar bestimmt. Sie dient vielmehr nur dazu, den für die Feststellung des Regelbemessungsentgelts maßgeblichen Bemessungszeitraum festzulegen (§ 112 Abs 2 Satz 1 AFG). Entscheidend für die Regelbemessung ist das im Bemessungszeitraum erzielte Arbeitsentgelt. Eine Notwendigkeit, unmittelbar nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses die endgültige Feststellung des Alg zu gewährleisten, läßt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Allerdings wurde der Bemessungszeitraum durch § 90 Abs 2 AVAVG idF des 7. AVAVG-ÄndG vom 10. März 1967 (BGBl I 266) eingeführt, „um eine raschere Feststellung des zu gewährenden Alg zu ermöglichen” (so die Begründung zur Neufassung des § 90 Abs 2 AVAVG zu BT-Drucks V/1420 S 3; vgl auch: BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 12). Das Beschleunigungsinteresse rechtfertigt aber nicht ein allgemeines Korrekturverbot, denn das Interesse an rascher Feststellung besteht bei Sozialleistungen allgemein (§ 17 Abs 1 Nr 1 SGB I). Ein Korrekturverbot erscheint nicht gerechtfertigt, weil sich dadurch eine Regelung zum Nachteil von Sozialleistungsberechtigten auswirken kann, die gerade in ihrem Interesse erlassen ist. Eine solche Folgerung ist auch in anderen Sozialleistungsbereichen bisher nicht gezogen worden (vgl BSGE 53, 58, 62 = SozR 2200 § 182 Nr 79; Kummer, in: Schulin ≪Hrsb≫, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 1, Krankenversicherungsrecht, 1994, RdNrn 70 ff; H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 182 Anm 17b und e – Stand: September 1985). Allein der Gedanke der Beschleunigung und Verwaltungsvereinfachung kann den Ausschluß jeder Korrekturmöglichkeit des Bemessungsentgelts nicht tragen.

2.5 Gegen die vorgeschlagene Lösung läßt sich nicht einwenden, die Vorschriften des § 112 Abs 5 und 7 AFG seien als Ausnahmeregelungen nicht entsprechend anwendbar. Ein solches Analogieverbot besteht nicht. Vielmehr sind auch Ausnahmevorschriften analogiefähig, wenn der vom Wortlaut nicht erfaßte Sachverhalt nach der Zielsetzung des Gesetzes wegen Gleichheit der Interessenlage einer gleichsinnigen Regelung bedarf (BSGE 57, 195, 197 = SozR 1500 § 149 Nr 7; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, 238; Friedrich Müller, Juristische Methodik, 5. Aufl 1993, 210 ff mit Hinweis auf die Gefahr „formalisierter Zirkelschlüsse”; Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts II, 1967, 16 f mwN). Die hier vertretene Ansicht begrenzt die Maßgeblichkeit des im Bemessungszeitraum erzielten Arbeitsentgelts auf die Fälle, in denen seine Indizfunktion für das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose verdienen könnte, nicht versagt; sie besteht mithin in einer teleologischen Reduktion der Regelbemessung (dazu: Larenz aaO 375 ff; Heusinger, Rechtsfindung und Rechtsfortbildung im Spiegel richterlicher Erfahrung, 1975, 5 ff). Kann die Regelbemessung ihre Indizfunktion nicht erfüllen, tritt die für solche Fälle vorgesehene Ausnahmeregelung ein.

3. Diese Rechtsansicht wird auch durch verfassungsrechtliche Überlegungen gestützt, die eine verfassungskonforme Anwendung der Bemessungsvorschriften für Fälle von Lohnverkürzungen im Bemessungszeitraum nahelegen.

3.1 Indem die Rechtsprechung des BSG die Bemessung des Alg allein von dem im Bemessungszeitraum abgerechneten und bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses zugeflossenen Arbeitsentgelt abhängig macht, behandelt sie Versicherte nach der Lohnabrechnung des Arbeitgebers ohne Rücksicht darauf unterschiedlich, daß sie im Bemessungszeitraum das gleiche Arbeitsentgelt erarbeitet haben. Die unterschiedliche Behandlung dieser Gruppen ist am Maßstab des Art 3 Abs 1 GG zu messen. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird eine „großzügige oder strenge Prüfung” am Maßstab des Gleichheitssatzes unterschieden (beginnend mit: BVerfGE 55, 72, 88; zusammenfassend: BVerfGE 88, 87, 96 ff mwN; dazu Herzog in: Maunz/Dürig aaO, Bd I Art 3 Anh RdNrn 6 ff – Stand: Mai 1994; Jarass/Pieroth, GG, 3. Aufl 1995, Art 3 RdNrn 15 ff mwN). Die strengere Prüfung ist vorzunehmen, wenn verschiedene Personengruppen und nicht nur verschiedene Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden (BVerfGE 55, 72, 88 f; 88, 5, 12; BSGE 58, 134, 142 = SozR 2200 § 385 Nr 14). Sie gilt auch, „wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt” (BVerfGE 88, 87, 96; Herzog aaO RdNrn 9 f). Nach diesem Maßstab ist die unterschiedliche Behandlung nur gerechtfertigt, wenn hierfür nach Art und Gewicht entsprechende Unterschiede aufzuzeigen sind (BVerfGE 63, 255, 262; 88, 5, 12). Die unterschiedliche Behandlung und der sie rechtfertigende Grund muß dabei in einem angemessenen Verhältnis stehen (BVerfGE 82, 126, 146 ff). Für die unterschiedliche Behandlung der Personengruppen kommen hier nur Gesichtspunkte der Verwaltungseffektivität in Betracht. Diese können ein Sachgrund für eine Typisierung sein, die der Verwaltungsvereinfachung dient. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht folgenden Maßstab entwickelt (BVerfGE 63, 119, 128):

„Eine noch hinzunehmende Typisierung setzt …voraus, daß die durch sie eintretenden Härten oder Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und daß der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfGE 36, 265, 275 f). Wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist ebenfalls, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (BVerfGE 45, 376, 390). Hierfür sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht (BVerfGE 9, 20, 31).”

Mißt man die Rechtsprechung an diesem Maßstab, so mag sie im Hinblick darauf noch unbedenklich erscheinen, daß die Fälle unrichtiger Lohnabrechnung möglicherweise eine kleine Zahl von Personen betreffen. In der überwiegenden Mehrzahl von Fällen werden Arbeitgeber bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses eine für den Bemessungszeitraum zutreffende Lohnabrechnung vornehmen. Genaues Material darüber gibt es naturgemäß nicht. Allerdings sollte die Intensität der unterschiedlichen Behandlung der betroffenen Personengruppen nicht gering geachtet werden. Sie betrifft Einkommensgruppen, die ohnehin häufig in verhältnismäßig geringen Einkommensverhältnissen leben und bei Eintritt des in der Arbeitslosenversicherung gedeckten Risikos im Hinblick auf die Nettolohnersatzquote im Leistungszeitraum einen erheblichen Einkommensverlust hinzunehmen haben. Dieser ist auch – wie gezeigt – nicht mehr dadurch zu bagatellisieren, daß der Leistungszeitraum im Vergleich zu Dauerleistungen der Rentenversicherung nur von begrenzter Dauer ist. Die Benachteiligung von Versicherten durch unrichtige Lohnabrechnungen läßt sich danach nicht einfach als „nicht sehr intensiv” abtun. Sie läßt sich mit dem Hinweis auf das versicherungsrechtliche Äquivalenzprinzip, das in der Arbeitslosenversicherung nicht voll durchführbar ist, wegen der erwähnten beitragsrechtlichen Folgen von Lohnzahlungen jedenfalls nicht rechtfertigen (vgl dazu BVerfGE 90, 226, 240 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6). Schließlich ist auch bei Wahrung der Belange einer Massenverwaltung zu bedenken, daß die elektronische Datenverarbeitung Möglichkeiten für die Verwaltung eröffnet, die eine unverhältnismäßige Belastung durch die Berücksichtigung nachträglicher Berichtigungen von Lohnabrechnungen ausschließen dürften (dazu grundsätzlich: BVerfGE 63, 119, 129).

Die angeführte Entwicklung der Rechtsprechung zum Gleichheitssatz, die den rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für die Würdigung von Sachgesichtspunkten bei gesetzlichen Differenzierungen fruchtbar zu machen sucht (vgl Herzog aaO RdNr 6), gibt Anlaß, die Rechtsprechung des BSG zur Bemessung des Alg hinsichtlich der Zuordnung von Individualinteressen der Versicherten einerseits und dem Interesse einer Massenverwaltung an der Verwaltungspraktikabilität dienlicher Typisierung und Pauschalierung zu überprüfen.

3.2 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist auch zu bedenken, weil der Anspruch auf Alg zum Schutzbereich der Eigentumsgarantie nach Art 14 Abs 1 Satz 1 GG gehört. Der Anspruch beruht auf der persönlichen Arbeitsleistung des Versicherten (BVerfGE 72, 9, 18 = SozR 4100 § 104 Nr 13). Ein verfassungsrechtliches Gebot voller Äquivalenz zwischen Beitrag und Leistung läßt sich daraus nicht herleiten (BVerfGE 90, 226, 240 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6). Jedoch hat der Gesetzgeber Inhalt und Schranken des Eigentums nach Grundsätzen des öffentlichen Wohls zu bestimmen und Eingriffe in geschützte Positionen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu rechtfertigen (BVerfGE 53, 257, 292 = SozR 7610 § 1587 Nr 1; 72, 9, 22 = SozR 4100 § 104 Nr 13; 76, 220, 238 = SozR 4100 § 242b Nr 3). Das BVerfG hat weiter ausgeführt, der Äquivalenzgedanke komme wegen der für die Arbeitslosenversicherung typischerweise kurzen Anwartschaftszeit, des kurzen Bemessungszeitraums und der häufig nur kurzen Leistungsbezugszeit „als vorrangiger Maßstab für die Bemessung” von Leistungen nicht in Betracht (BVerfGE 51, 115, 124 = SozR 4100 § 112 Nr 10; BVerfGE 76, 220, 238 = SozR 4100 § 242b Nr 3). Seit Erlaß dieser Entscheidungen haben Gesetzesänderungen zur Verlängerung von Anwartschaftszeit, Bemessungszeitraum und leistungsrechtlichen Auswirkungen des Bemessungsentgelts geführt. Dazu wird auf die zu 2.3 aufgezeigten Änderungen des Arbeitslosen- und Rentenversicherungsrechts Bezug genommen. Den Bemessungszeitraum erweitert § 112 Abs 2 Satz 1 AFG idF des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 2353) auf sechs Monate. Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit von Beitrag und Leistung stellt sich unter veränderten gesetzlichen Verhältnissen neu.

3.3 Die Rechtsprechung des BSG mißt der Lohnabrechnung des Arbeitgebers im Ergebnis eine für den Bereich des Arbeitslosenversicherungsrechts (und des Rentenversicherungsrechts) gerichtlich nicht kontrollierbare Drittbindungswirkung zu, wie sie sonst nur konstitutiven Behördenentscheidungen zukommt (vgl dazu: BSG Urteil vom 4. Oktober 1994 – 7 KlAr 1/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen; BSG SozR 3-7833 § 1 Nr 12; BSG SozR 3-4100 § 62a Nr 1 jeweils mwN). Sie berührt damit den nach Art 19 Abs 4 GG gewährleisteten Rechtsschutz. Danach darf der Zugang zu den staatlichen Gerichten nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht gerechtfertigter Weise erschwert werden (BVerfGE 40, 272, 274 f; 60, 253, 269; 69, 381, 385 f). Wenn auch die Gründe einleuchten, die einen Zufluß des im Bemessungszeitraum erarbeiteten Arbeitsentgelts für die Bemessung des Alg erfordern, so erscheint es doch für die damit zu wahrenden Belange der Verwaltungspraktikabilität und die Abwehr von Mitnahmeeffekten nicht verhältnismäßig, jegliche Korrekturmöglichkeit mit Wirkung für die Leistungsbemessung auszuschließen. Es ist nämlich zu bedenken, daß gerade Lohnforderungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen können. Im übrigen dürften tarifwidrige Lohnabrechnungen häufig erst nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses entdeckt werden, weil der Arbeitnehmer aus diesem Anlaß rechtliche Beratung in Anspruch nimmt. Aus diesem Grunde hilft auch die vom erkennenden Senat im Urteil vom 9. August 1990 – 11 RAr 47/89 – (AuB 1992, 58) vertretene sog modifizierte Zuflußtheorie in der Regel nicht weiter.

Das Problem unrichtiger Lohnabrechnungen wird sich auch durch die Verweisung des Versicherten auf Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber nicht lösen lassen. Der Ausgleich sozialrechtlicher Auswirkungen von Lohnverkürzungen durch Schadensersatz und damit durch die Arbeitsgerichtsbarkeit hat von vornherein etwas Mißliches, weil er den Betroffenen mit einem zusätzlichen Prozeßrisiko belastet und die Kompensation sozialrechtlicher Nachteile durch die Arbeitsgerichte nicht dem Grundsatz der Rechtswegklarheit entspricht (dazu: Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Bd II, Art 19 Abs 4 RdNrn 230 bis 232 – Stand: Januar 1985). Zwar wird man eine arbeitsrechtlich unzutreffende Lohnabrechnung durch den Arbeitgeber objektiv als Verletzung des Arbeitsvertrages und damit als positive Forderungsverletzung ansehen können (Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl 1992, § 72 I 3 = 463). Damit ist ein Ausgleich für die durch Lohnverkürzungen im Sozialrecht eintretenden Nachteile jedoch nicht gewährleistet. Auch wenn die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Beweislastregelung des § 282 BGB für das Verschulden des Arbeitgebers anwendet, so daß diesem die Beweislast für Nichtverschulden obliegt, geht sie nicht etwa davon aus, daß sein Rechtsirrtum immer verschuldet sei (BAG AP Nr 7 zu § 282 BGB mit zust Anm von Mayer-Maly). Diese Ansicht mutet also dem Versicherten bei objektiv unrichtiger Lohnabrechnung des Arbeitgebers zur Wahrung sozialrechtlicher Belange einen Arbeitsgerichtsprozeß mit nicht gesichertem Ausgang zu.

4. Aus der Rechtsansicht des Senats ergeben sich für Fälle nachträglicher Klärung von Lohnverkürzungen im Bemessungszeitraum nachstehende Folgerungen:

4.1 Führt die Entscheidung oder Beilegung eines Lohnstreits zu einer nicht nur geringfügigen Erhöhung des Arbeitsentgelts und ist dieses – unabhängig, ob vor oder nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses – auch gezahlt worden, so löst dies einen Vergleich zwischen dem im Bemessungszeitraum erzielten und dem tariflichen Arbeitsentgelt (§ 112 Abs 7 AFG) aus. Das für den Versicherten günstigere Entgelt ist der Bemessung des Alg zugrunde zu legen. Maßgebend ist dabei das am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Arbeitslosen maßgebliche Arbeitsentgelt am Tag vor dem Leistungsbeginn (BSG SozR 4100 § 112 Nr 41; BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 2), sofern der Versicherte nach Lebensalter und Leistungsfähigkeit, billiger Berücksichtigung seines Berufs und seiner Ausbildung sowie nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes für diese Beschäftigung in Betracht kommt. Unerheblich ist, ob der Versicherte seine Lohnforderung bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses gegenüber dem früheren Arbeitgeber geltend gemacht hat. Sind die Bemessungsgrundlagen zur Zeit der Arbeitslosmeldung noch nicht geklärt, hat die BA die Möglichkeit, dieser Lage entweder durch Vorschußzahlung (§ 42 SGB I) oder durch Feststellung des Alg aufgrund des im Bemessungszeitraum abgerechneten Arbeitsentgelts Rechnung zu tragen. In letzterem Fall wird sie auf eine neue Arbeitsbescheinigung, die ein nicht nur geringfügig höheres Arbeitsentgelt ausweist, nach § 48 SGB X zu reagieren haben.

Nach der Rechtsansicht des Senats kommt es also für die Bemessung des Alg nicht auf ein nachträglich geklärtes individuelles Arbeitsentgelt an. Vielmehr wird einer nachträglichen Klärung nur typisierend durch den Rückgriff auf das nach § 112 Abs 7 AFG maßgebende tarifliche Arbeitsentgelt Raum gegeben. Die typisierende Betrachtungsweise hat allerdings zur Folge, daß das tarifliche Arbeitsentgelt auch dann zu berücksichtigen ist, wenn es höher sein sollte als das individuelle Arbeitsentgelt, welches Ergebnis einer Entscheidung oder Beilegung eines Lohnstreits ist. Aus dem gleichen Grunde bietet dieser Ansatz für Versicherte keine Verbesserung, die sich mit übertariflichen Lohnforderungen durchsetzen. Letztlich ist dies Folge der Grenzen individueller Leistungsbemessung, die den Bemessungsvorschriften zugrunde liegt und die die Rechtsprechung zu beachten hat.

4.2 Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es danach darauf an, ob die Klägerin für den Bemessungszeitraum das geltend gemachte tarifliche Arbeitsentgelt für gelernte Verkäuferinnen erhalten hat und ob sie während des Leistungsraums weiterhin nach den erörterten Merkmalen des § 112 Abs 7 AFG für eine solche Beschäftigung in Betracht kam. Dazu hat das LSG – nach der von ihm vertretenen Rechtsansicht folgerichtig – Feststellungen nicht getroffen. An einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) sieht sich der Senat jedoch nach § 41 Abs 2 SGG durch die Rechtsprechung des 7. Senats des BSG gehindert, der das im Bemessungszeitraum abgerechnete und bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses gezahlte Arbeitsentgelt als endgültige Grundlage für die Bemessung des Alg ansieht und deshalb einen Rückgriff auf das tarifliche Arbeitsentgelt bei nachträglicher Klärung des zustehenden Entgelts ablehnt (BSG Urteil vom 16. März 1983 – 7 RAr 25/82 – DBlR – AFG § 112 Nr 2847; 18. April 1991 – 7 RAr 52/90 – SozR 3-4100 § 112 Nr 10 und vom 23. Juli 1992 – 7 RAr 2/92 – NZA 1993, 621). Nach § 41 Abs 3 Satz 1 SGG iVm § 3 Abs 2 der Geschäftsordnung des BSG vom 6. Juli 1981 ist deshalb beim 7. Senat des BSG anzufragen, ob dieser der beabsichtigten Abweichung des erkennenden Senats von den vorerwähnten Entscheidungen zustimmt.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172813

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