Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung des Arbeitslosengeldes

 

Orientierungssatz

1. § 112 Abs 2 S 1 AFG setzt voraus, daß das der Arbeitslosengeldbemessung zugrunde zu legende Arbeitsentgelt im maßgeblichen Bemessungszeitraum erzielt ist. Erzielt ist nur solches Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer zufließt, so daß er darüber verfügen kann (vgl BSG 1981-12-10 7 RAr 6/81).

2. Im Rahmen des § 112 Abs 2 und 3 AFG ist es nicht erforderlich, daß der Zufluß im Bemessungszeitraum erfolgt ist. Es reicht vielmehr aus, wenn der Arbeitnehmer bis zum Tage des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis das Entgelt tatsächlich in die Hand bekommen hat oder es aufgrund der bis dahin erfolgten Abrechnung nur noch des technischen Überweisungsvorgangs bedarf, damit er über das Entgelt verfügen kann (vgl BSG 1981-12-10 7 RAr 6/81).

3. Maßgebend für die Bemessung des Arbeitslosengeldes ist allein das nach den tatsächlichen Umständen entsprechend dem Verständnis der Arbeitsvertragsparteien ohne Versehen oder Rechenfehler abgerechnete und zugeflossene Entgelt. Auf ein dem Arbeitslosen von Rechts wegen zustehendes höheres Entgelt kann es nicht ankommen; dies liefe auf eine Überprüfung des dem Arbeitslosen im Bemessungszeitraum zustehenden Rechtsanspruchs auf das richtige Entgelt durch die Arbeitsämter hinaus, was aber nicht Zweck der Regelung in § 112 AFG ist.

 

Normenkette

AFG § 112 Abs 2 S 1 Fassung: 1974-12-21, § 112 Abs 3 S 1 Fassung: 1974-12-21, § 111

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 28.01.1982; Aktenzeichen L 9 Al 199/80)

SG Regensburg (Entscheidung vom 19.09.1980; Aktenzeichen S 7 Al 10/79)

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 02.02.1995; Aktenzeichen 11 RAr 51/94)

BSG (Beschluss vom 02.02.1995; Aktenzeichen 11 RAr 21/94)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg). Er hatte mit seinem früheren Arbeitgeber einen Vertrag über die Ausbildung im Fleischerhandwerk für die Zeit vom 1. September 1975 bis 30. August 1978 abgeschlossen. Am 18. Juli 1978 bestand er die Gesellenprüfung. Er war danach weiterhin mit demselben Entgelt, was er zuletzt während seiner Ausbildungszeit erhielt (610,11 DM brutto monatlich), bis zum 31. Oktober 1978 beschäftigt. Am 5. Dezember 1978 schloß er mit seinem früheren Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich, in dem es ua heißt: "1. Die Parteien sind sich darüber einig, daß der Kläger seit August 1978 als Geselle beschäftigt war und auf das Arbeitsverhältnis der Lohn- und Gehaltstarifvertrag für das Fleischerhandwerk in Bayern vom 1.1.1976 Anwendung fand, sowie daß das Arbeitsverhältnis am 31.10.1978 endete. 2. Der Beklagte zahlt an den Kläger als Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG einen Betrag von 2.400,-DM. 3. Mit diesem Vergleich sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche der Parteien abgegolten."

Mit Bescheid vom 6. Dezember 1978 bewilligte das Arbeitsamt dem Kläger ab 1. November 1978 Alg nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 140,-- DM. Der Widerspruch, mit dem der Kläger entsprechend dem für das Fleischerhandwerk geltenden Tarifvertrag Alg unter Zugrundelegung eines wöchentlichen Arbeitsentgeltes von 303,15 DM - das eines Fleischergesellen - begehrte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 1978).

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte mit Urteil vom 19. September 1980 verurteilt, dem Kläger Alg nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 305,-- DM zu gewähren. Es hat die Berufung zugelassen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. Januar 1982). Zur Begründung hat es ua ausgeführt, nach den §§ 111, 112 Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bemesse sich das Alg nach einem durchschnittlichen Arbeitsentgelt, das der Antragsteller im Bemessungszeitraum des § 112 Abs 3 AFG erzielt habe. Nach § 112 Abs 3 Satz 1 AFG seien Bemessungszeitraum die letzten am Tage des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten, insgesamt 20 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs. Die Einengung auf abgerechnete Lohnabrechnungszeiträume sei bewußt vorgenommen worden, um einerseits klare Verhältnisse für die Berechnung der Leistung zu schaffen und deren rasche Feststellung zu ermöglichen sowie andererseits dem Arbeitslosen die auf sein letztes Arbeitseinkommen gegründeten Lebensverhältnisse sicherzustellen. Demzufolge habe es das Bundessozialgericht (BSG) für unzulässig angesehen, tarifliche Lohnerhöhungen, selbst wenn sie noch vor dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis vereinbart worden seien, sich aber in der letzten, vor dem Ausscheiden vorgenommenen Abrechnung noch nicht niedergeschlagen hätten, bei der Bemessung des Alg zu berücksichtigen. Nur dann, wenn das bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses verdiente Entgelt rechnerisch fehlerhaft abgerechnet worden sei, habe es eine nachträgliche Richtigstellung der Berechnung für zulässig gehalten. Im Falle des Klägers liege jedoch hinsichtlich seines im Oktober 1978 erzielten Arbeitsentgelts keine fehlerhafte Berechnung vor. Vielmehr habe er mit den 610,11 DM das Arbeitsentgelt erhalten, das er und sein damaliger Arbeitgeber als vertraglich vereinbart angesehen hätten. Der Kläger habe es bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses hingenommen, daß er auch nach Ablegung der Gesellenprüfung Lohn nur in Höhe der ihm zuletzt gezahlten Ausbildungsvergütung erhielt. Hätten sich aber der Kläger und sein früherer Arbeitgeber hinsichtlich des zu zahlenden Lohnes bewußt weiterhin an die Regelung im Ausbildungsvertrag gehalten, sei die Lohnabrechnung für den Monat Oktober nicht rechnerisch falsch, sondern haben dem entsprochen, was nach übereinstimmender Meinung weiter zu zahlen gewesen sei, so daß nur der vom Kläger im Oktober 1978 bezogene Lohn in Höhe von 610,11 DM der Bemessung des Alg zugrunde gelegt werden könne.

Die Lohnabrechnung sei auch nicht dadurch falsch geworden, daß der Kläger und sein früherer Arbeitgeber später in dem arbeitsgerichtlichen Vergleich übereingekommen seien, von einer Beschäftigung des Klägers als Geselle bereits seit August 1978 und von der Anwendung des entsprechenden Tarifvertrages bereits von diesem Zeitpunkt an auszugehen. Diese nachträgliche Regelung sei rechtlich nicht anders zu werten, als eine erst nach Ablauf des Abrechnungszeitraumes vereinbarte rückwirkende Lohnänderung.

Da der Kläger seine Berufsausbildung bereits am 18. Juli 1978 abgeschlossen habe, also im Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr in Berufsausbildung gestanden habe, ergebe sich zu seinen Gunsten auch kein höheres Alg aus § 112 Abs 5 Nr 2 AFG.

Schließlich sei auch für die Anwendung des § 112 Abs 7 AFG kein Raum. Von einer unbilligen Härte könne nur dann die Rede sein, wenn bei der Regelberechnung wegen besonders ungünstiger Umstände ein Lohn zugrunde gelegt werden müßte, der die bisherigen Einkommensverhältnisse nicht richtig widerspiegele. Ein solcher Fall liege hier jedoch nicht vor. Vielmehr entspreche das dem Kläger vom 1. November 1978 an bewilligte Alg seinem ihm in den letzten drei Jahren gezahlten Arbeitsentgelt.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 111 Abs 1 und 112 Abs 2 AFG und des § 4 Tarifvertragsgesetz. Er trägt vor, es sei unstreitig, daß das Berufsausbildungsverhältnis am 18. Juli 1978 mit Erreichen des Ausbildungszieles sein Ende gefunden habe. Entsprechend § 17 Berufsbildungsgesetz (BBiG) sei durch die Weiterbeschäftigung des Klägers ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit begründet worden. Beide Parteien des Arbeitsvertrages seien tarifgebunden gewesen. Tarifverträge hätten für tarifgebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber unmittelbare und zwingende Wirkung. Von Tarifverträgen könne nur zugunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Entgegen der Auffassung des LSG habe der Kläger eine Entlohnung unter dem Tariflohn gar nicht hinnehmen und sein Arbeitgeber habe ihn nicht untertariflich entlohnen dürfen. Dieser Zustand sei rechtswidrig gewesen. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren sei daher die Herstellung des zwingend vorgeschriebenen Rechtszustandes angestrebt worden. Es sei nicht, wie das LSG meine, etwas nachträglich vereinbart, sondern festgestellt worden, welcher Rechtszustand vom Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses Geltung gehabt habe und durch die vereinbarte Zahlung auch tatsächlich hergestellt wurde. Die finanziellen Auswirkungen dieses Rechtszustandes hätten vom Arbeitgeber daher in die Arbeitsbescheinigung eingetragen werden müssen. Dieser Zustand sei deshalb auch von der Beklagten bei der Bemessung des Alg zu beachten.

Das BSG habe in seinen früheren Entscheidungen ausdrücklich die rückwirkende Berichtigung von falschen oder fehlerhaften Angaben in Arbeitsbescheinigungen von rückwirkenden tariflichen Einkommensverbesserungen, die nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vereinbart worden seien, abgegrenzt und festgestellt, im Falle einer falschen oder fehlerhaften Angabe in der Arbeitsbescheinigung könne eine doppelte Berechnung des Arbeitslosengeldes erforderlich sein. Dieser Grundsatz müsse erst recht dann gelten, wenn die Angaben in der Arbeitsbescheinigung auf einem rechtswidrigen Zustand beruhten. Die nachträgliche Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes müsse ebenso wie die nachträgliche Berichtigung einer falschen oder fehlerhaften Angabe in den Arbeitsbescheinigungen ihren Niederschlag in der Bemessung des Alg finden. Dabei sei es unerheblich, in welcher Form die vor dem Arbeitsgericht streitenden Parteien sich dem sie bindenden Tarifrecht unterwerfen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Januar 1982 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 19. September 1980 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höheres Alg.

Gem § 111 Abs 1 AFG beträgt das Alg 68 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts. Arbeitsentgelt im Sinne dieser Vorschrift ist das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt. Arbeitsentgelt, das, wie hier nach Monaten bemessen ist, gilt als in der Zahl von Arbeitsstunden erzielt, die sich ergibt, wenn die Zahl der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden mit 13 vervielfacht und durch 3 geteilt wird (§ 112 Abs 2 Sätze 1 und 2 AFG idF von Art 27 Nr 9 Buchst b des Einführungsgesetzes zum Einkommensteuerreformgesetz vom 21. Dezember 1974, BGBl I 3656); Bemessungszeitraum sind die letzten am Tage des Ausscheidens des Arbeitnehmers abgerechneten, insgesamt 20 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs (§ 112 Abs 3 Satz 1 AFG in der bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Fassung). Nach den Feststellungen des LSG ist Bemessungszeitraum der Monat Oktober 1978. Maßgebend ist somit das in diesem Monat abgerechnete und erzielte Arbeitsentgelt. Das sind, wie das LSG richtig erkannt hat, 610,11 DM brutto.

Wie der Senat in Fortführung des Urteils des 12. Senats des BSG vom 23. Februar 1977 - 12 RAr 79/76 - (SozR 4100 § 112 Nr 3) in seinen Urteilen vom 21. Juli 1977 - 7 RAr 102/76 - (SozR 4100 § 112 Nr 5), 14. August 1980 - 7 RAr 103/79 - und vom 10. Dezember 1981 - 7 RAr 6/81 - dargelegt hat, wird nach dem Wortlaut des Gesetzes auf die abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume abgestellt. Der Berechnung wird daher nur das Arbeitsentgelt zugrundegelegt, welches abgerechnet worden ist. Das entspricht der doppelten Zielsetzung, die der Gesetzgeber mit den Regelungen der §§ 112 Abs 2 und 3 AFG verfolgt. Zum einen soll das Alg als Lohnersatzleistung nach dem Lohnniveau des Versicherten ausgerichtet werden, das möglichst nahe an dem Leistungsbeginn liegt. Zum anderen soll zugunsten des Bestrebens, bei Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis sofort eine endgültige Feststellung des zu gewährenden Alg vorzunehmen, Arbeitseinkommen unberücksichtigt bleiben, das zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgerechnet war. Der Gesetzgeber hat es für ausreichend angesehen, wenn von einem Arbeitseinkommen ausgegangen wird, das bereits in die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses erteilte Lohnabrechnung eingegangen ist. Das waren hier lediglich 610,11 DM brutto.

Darüber hinaus setzt § 112 Abs 2 Satz 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung voraus, daß das der Alg-Bemessung zugrunde zu legende Arbeitsentgelt im maßgeblichen Bemessungszeitraum erzielt ist. Erzielt ist nach der Rechtsprechung des Senats nur solches Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer zufließt, so daß er darüber verfügen kann (vgl Urteil vom 10. Oktober 1978 - 7 RAr 57/77 - Dienstblatt R der BA, AFG § 112 Nr 2381a = USK 78203; SozR 4100 § 112 Nr 11; Urteil vom 7. August 1979 - 7 RAr 17/78 - USK 79159; Urteil vom 14. August 1980 - 7 RAr 103/79 -; Urteil vom 10. Dezember 1981 - 7 RAr 6/81 -; SozR 4100 § 44 Nr 10). An dem Erfordernis des Zufließens ist entgegen der Auffassung von Hennig/Kühl/Heuer (Arbeitsförderungsgesetz, Stand: September 1982, § 112 Anm 6) grundsätzlich festzuhalten. Von jeher sind in der Arbeitslosenversicherung für die Leistungsbemessung die tatsächlichen Lohn- und Gehaltsverhältnisse im Bemessungszeitraum maßgebend gewesen (BSGE 12, 55 = SozR Nr 2 zu § 90 AVAVG). Diese werden durch das Bruttoentgelt bestimmt, das dem Arbeitnehmer netto, dh nach Abzug der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge zur Verfügung gestellt wird. Hieran hat das AFG nichts geändert (vgl Begründung der Bundesregierung zu § 101 Abs 2 - 4 AFG-Entwurf, BT-Drucks V/2291 S 80f). Die Rechtsprechung hat daher tarifliche Lohnerhöhungen, die den Bemessungszeitraum erfassen, aber der letzten Lohnabrechnung noch nicht zugrundelagen, sowohl nach früherem wie nach jetzigem Recht bei der Bemessung des Alg nicht berücksichtigt (RVA AN 1930, 48; BSGE 12, 55 = SozR Nr 2 zu § 90 AVAVG; BSG SozR 4100 § 112 Nr 1; BSG SozR 4100 § 112 Nrn 3 und 5). Auch die Neufassung des § 112 Abs 2 Satz 3 AFG durch das Zehnte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB X) geht davon aus, daß nach § 112 Abs 2 Satz 1 AFG an sich nur solches Arbeitsentgelt erzielt ist, das dem Arbeitnehmer zufließt (vgl Begründung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu § 112 Abs 2 Sätze 3 und 4 AFG, BT-Drucks 8/4022 S 90). Allerdings ist es, wie der Senat in seinem Urteil vom 10. Dezember 1981 - 7 RAr 6/81 - ausgeführt hat, im Rahmen des § 112 Abs 2 und 3 AFG nicht erforderlich, daß der Zufluß im Bemessungszeitraum erfolgt ist. Es reicht vielmehr aus, wenn der Arbeitnehmer bis zum Tage des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis das Entgelt tatsächlich in die Hand bekommen hat oder es aufgrund der bis dahin erfolgten Abrechnung nur noch des technischen Überweisungsvorgangs bedarf, damit er über das Entgelt verfügen kann. Damit ist dem rechtlichen Erfordernis des Zuflusses des abgerechneten Entgelts Rechnung getragen. Das Abstellen auf das zufließende Entgelt soll lediglich sicherstellen, daß der Bemessung die tatsächlichen Lohn- und Gehaltsverhältnisse zugrundegelegt werden. Diesen Voraussetzungen hat die Beklagte im vorliegenden Fall zutreffend dadurch entsprochen, daß sie der Bemessung des Alg des Klägers ein monatliches Bruttoentgelt von 610,11 DM zugrundegelegt hat. Dieser Betrag hat der letzten Lohnabrechnung zugrundegelegen. Der Kläger hat nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG auch ein entsprechendes Nettoeinkommen erzielt.

Ob dem Kläger in diesem Zeitraum ein höheres tarifliches Arbeitsentgelt zustand, weil er als Geselle beschäftigt war, ist nach den vorstehenden Ausführungen unerheblich. Es kommt hiernach grundsätzlich nicht darauf an, auf welches Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer einen Anspruch gehabt hat. Entscheidend ist vielmehr, welches Arbeitsentgelt tatsächlich für den Bemessungszeitraum abgerechnet und zugeflossen ist. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob dem Kläger in dem Vergleich, den er mit seinem früheren Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht geschlossen hat, eine Abfindung wegen der Auflösung seines Arbeitsverhältnisses oder rückständiger Lohn im Hinblick auf eine etwaige untertarifliche Bezahlung zugestanden worden ist. Selbst wenn letzteres der Fall sein sollte, könnte dies zu keinem für den Kläger günstigen Ergebnis führen. Er konnte beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis noch nicht über dieses Entgelt verfügen.

Zu Unrecht meint der Kläger demgegenüber, im vorliegenden Fall müßten die Ausführungen gelten, die der Senat in seinem Urteil vom 21. Juli 1977 (SozR 4100 § 112 Nr 5) hinsichtlich der Berücksichtigung einer falschen Lohnabrechnung gemacht hat. Der Senat hat dort ausgeführt, daß das für den abgerechneten Zeitraum geltende Gehaltsniveau maßgebend ist, auch wenn es fehlerhaft berechnet wurde, dann allerdings in der richtig berechneten Höhe. Dieser Fall liegt hier jedoch nicht vor. Wie das LSG festgestellt hat, war der Kläger auch im Bemessungszeitraum (Oktober 1978) tatsächlich mit demselben Entgelt weiterbeschäftigt worden, das er zuletzt während seiner Ausbildungszeit erhalten hat. Dieses Entgelt hat der Arbeitgeber abgerechnet und ausbezahlt. Auf ein dem Kläger von Rechts wegen zustehendes höheres Entgelt kann es deshalb nicht ankommen; dies liefe auf eine Überprüfung des dem Arbeitslosen im Bemessungszeitraum zustehenden Rechtsanspruchs auf das richtige Entgelt durch die Arbeitsämter hinaus, was aber - wie schon dargelegt wurde - nicht Zweck der Regelung in § 112 AFG ist. Maßgebend ist danach allein das nach den tatsächlichen Umständen entsprechend dem Verständnis der Arbeitsvertragsparteien ohne Versehen oder Rechenfehler abgerechnete und zugeflossene Entgelt. Ob etwas anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer im Falle einer untertariflichen oder nicht ordnungsgemäßen Bezahlung noch im Laufe des Bemessungszeitraumes die ihm zustehende Entlohnung verlangt hat, kann dahingestellt bleiben. Hier hat es der Kläger nach den Feststellungen des LSG bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses hingenommen, daß er auch nach Ablegung der Gesellenprüfung Lohn lediglich in Höhe der ihm zuletzt gezahlten Ausbildungsvergütung erhielt. Er hat letztlich auch später nicht das für Oktober 1978 von Rechts wegen zustehende Arbeitsentgelt erhalten, sondern sich insoweit auf eine Abfindung mit seinem Arbeitgeber geeinigt. Mithin liegt eine iS der oa Entscheidung des Senats falsche Lohnabrechnung, die bei der Berechnung des Alg richtig zu stellen war, nicht vor.

Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers steht dieses Ergebnis auch nicht im Widerspruch zu den Zielen des § 112 AFG, die, wie bereits ausgeführt wurde, ua darin bestehen, den bisherigen Lebensstandard in einem bestimmten Umfang zu sichern. Das AFG stellt grundsätzlich auf den Lebensstandard ab, der sich am tatsächlich gezahlten Lohn orientiert und nicht an dem Lohn, der dem Arbeitslosen zugestanden hätte. Um insoweit entstehende Nachteile aus einer rechtlich fehlerhaften Lohnzahlung auszugleichen, muß sich der Arbeitslose an seinen früheren Arbeitgeber halten.

Nach den zutreffenden Ausführungen des LSG kann der Kläger seinen Anspruch auf ein höheres Alg auch nicht auf § 112 Abs 5 Nr 2 und § 112 Abs 7 AFG stützen.

Die Revision muß daher zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1658620

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge