Beteiligte

Kläger und Revisionsbeklagter

Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg, Regensburger Straße 104, Beklagte und Revisionsklägerin

 

Tatbestand

I.

Der Rechtsstreit betrifft die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg).

Der Kläger ist von Beruf Kraftfahrer. Er ist seit 1984 in einem nicht tarifgebundenen Unternehmen beschäftigt, dessen Gegenstand der Vertrieb und Transport von Sandsteinrohblöcken ist. Aus Witterungsgründen stellt das Unternehmen die Tätigkeit jährlich von Mitte Dezember bis Anfang März des folgenden Jahres ein, entläßt die Arbeitnehmer und meldet die Transportfahrzeuge ab. Der Kläger bezog in den Zeiten der Betriebseinstellung jeweils Alg auf der Grundlage des tatsächlich bezogenen Arbeitsentgelts. Seit 1985 wird das Unternehmen in Form einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG) betrieben, deren Gesellschafterinnen G. K. und M. N. - die Ehefrau des Klägers - sind. Nach dem Gesellschaftsvertrag vertreten beide Gesellschafterinnen die OHG.

Am 27. Dezember 1989 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte Alg. Nach der von seiner Ehefrau unterzeichneten Arbeitsbescheinigung war er vom 1. April bis 26. Dezember 1989 als Fahrer beschäftigt und erzielte in den Monaten September, Oktober und November 1989 einen Bruttolohn von monatlich 6.052,-- DM. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit betrug 48 Stunden.

Nach vorschußweiser Bewilligung des Alg erteilte die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) den Bewilligungs-Änderungs-Bescheid vom 21. März 1990, in dem sie nach einem wöchentlichen gerundeten Arbeitsentgelt von 930,-- DM nach Leistungsgruppe C für 1989 Alg in Höhe von 424, 20 DM und für 1990 von 441, 60 DM festsetzte. Im Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 1990 führte die BA aus, der Kläger sei im Betrieb seiner Ehefrau beschäftigt gewesen, so daß das Alg nach dem Arbeitsentgelt für familienfremde Beschäftigte in gleichartiger Tätigkeit zu bemessen sei. Nach dem maßgeblichen Tarifvertrag für das Verkehrsgewerbe Rheinland-Pfalz betrage das monatliche Arbeitsentgelt für Lkw-Fahrer 4.034, 60 DM monatlich.

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die BA verurteilt, Alg nach dem vom 1. September bis 30. November 1989 vom Kläger tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt zu zahlen. Die vom SG zugelassene Berufung der BA hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 29. September 1992 zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, der Kläger erfülle mit der Beschäftigung vom 1. April bis 26. Dezember 1989 die Anwartschaftszeit, weil er allein wegen der Besonderheit seines Arbeitsplatzes regelmäßig weniger als 360 Kalendertage im Kalenderjahr beschäftigt gewesen sei. Dabei habe es sich nicht um die Beschäftigung bei einem Ehegatten gehandelt, denn der Kläger sei Arbeitnehmer der N. & T. OHG gewesen. Auch wenn die OHG nicht juristische Person sei, komme ihr doch Teilrechtsfähigkeit zu, so daß im Namen der Gesellschaft geschlossene Verträge die Gesellschaft als solche verpflichteten. Etwas anderes gelte auch dann nicht, wenn die gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter als Träger von Rechten und Pflichten aufzufassen seien. In diesem Falle sei nicht die Ehefrau des Klägers allein Arbeitgeber, sondern die gesamthänderisch verbundenen Gesellschafterinnen N. und T. Da § 112 Abs. 5 Nr. 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) Manipulationen des für die Bemessung des Alg maßgeblichen Arbeitsentgelts entgegenwirken solle, sei die Vorschrift nur anzuwenden, wenn der Ehegatte nach den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen in der Lage sei, die Gesellschaft maßgebend zu beeinflußen. Der Zweck des § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG sei mit der Zielsetzung der Vorschriften zur Abwehr von Gläubigerbenachteiligungen nicht zu vergleichen. Auch eine entsprechende Anwendung des § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG scheide aus, weil das Gesetz keine Lücke aufweise.

Die BA hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und führt aus, für die Anwendung des § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG sei nicht die Teilrechtsfähigkeit der OHG entscheidend, sondern mit welchem eigenen Risiko der Ehegatte oder Verwandte in gerader Linie Arbeitgeber des Arbeitslosen gewesen sei. Gesellschafter einer OHG hafteten unbeschränkt persönlich auch für das vereinbarte überhöhte Arbeitsentgelt. Das Merkmal der Beschäftigung bei einem Ehegatten oder Verwandten im Sinne des § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG sei jedenfalls in den Fällen zu bejahen, in denen dieser persönlich haftender Gesellschafter einer Personengesellschaft sei. Das Urteil des LSG könne daher nicht Bestand haben. Im übrigen habe das LSG zur Verfügbarkeit des Klägers Feststellungen nicht getroffen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. September 1992 und das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 22. Juli 1991 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er vertritt die Ansicht, § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG sei nur anzuwenden, wenn Arbeitgeber eine natürliche Person sei. Die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach seien zu keinem Zeitpunkt zweifelhaft gewesen. Die BA habe Alg bewilligt. Streit bestehe allein über die Höhe der Leistung.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist i.S. der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Das Urteil des LSG verletzt §§ 112 Abs. 5 Nr. 3, 103 Abs. 1 Satz 1 AFG. Für eine abschließende Entscheidung über die Höhe des Alg reichen die vom LSG getroffenen Feststellungen nicht aus.

1. Das Alg beträgt nach § 111 Abs. 1 AFG i.d.F. des 7. AFG-Änderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985 (BGBl. I, 2484) für Arbeitslose, die mindestens ein Kind haben, 68 v.H. des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts. Arbeitsentgelt ist grundsätzlich das in den letzten drei Monaten vor der Entstehung des Anspruchs (Bemessungszeitraum) durchschnittlich in der Woche abgerechnete Entgelt ohne Mehrarbeitszuschläge oder einmalige oder wiederkehrende Zuwendungen (vgl. § 112 Abs. 1 und 2 Satz 1 AFG). Das im Bemessungszeitraum tatsächlich abgerechnete Arbeitsentgelt ist abweichend von der allgemeinen Regel nicht maßgebend, wenn Tatbestände des § 112 Abs. 5 AFG anzuwenden sind. Nach § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG in der hier anzuwendenden Fassung des 8. AFG-Änderungsgesetzes vom 14. Dezember 1987 (BGBl. I, 2602) ist bei der Feststellung des Arbeitsentgelts für die Zeit einer Beschäftigung bei dem Ehegatten oder bei einem Verwandten gerader Linie höchstens das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, das familienfremde Arbeitnehmer bei gleichartiger Beschäftigung gewöhnlich erhalten. Diese Vorschrift ist hier entgegen der Ansicht des LSG anzuwenden. Bei dem Ehegatten beschäftigt ist i.S. des § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG auch, wer im Dienst einer OHG steht, deren Gesellschafter der Ehegatte ist.

1.1 Nach § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG genügt eine Beschäftigung bei dem Ehegatten oder einem Verwandten gerader Linie für die Anwendung dieser Vorschrift. Der Wortlaut verlangt nicht, daß der Ehegatte oder der Verwandte gerader Linie allein Arbeitgeber ist. Auch Beschäftigungen bei einer Personenmehrheit, zu denen der Ehegatte oder Verwandte gerader Linie gehört, erfaßt die Vorschrift. Zwar hat die Rechtsprechung des BSG einen Fall des § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG verneint, wenn der Arbeitnehmer bei einer Kapitalgesellschaft wie der GmbH beschäftigt war, deren Gesellschafter der Ehegatte oder ein Verwandter war. Diese Rechtsform von Unternehmen schließt die Annahme der Arbeitgebereigenschaft des Kapitaleigners neben der Gesellschaft als juristischer Person wegen der strikten Trennung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter aus. Dort haftet der Gesellschafter - von besonderen Fallgestaltungen abgesehen - für Verbindlichkeiten der Gesellschaft (wie z.B. das Arbeitsentgelt des familienangehörigen Arbeitnehmers) nicht (BSG SozR 4100 § 112 Nr. 36; BSGE 66, 168, 170 = SozR 3-2400 § 7 Nr. 1). Für Personalgesellschaften wie die OHG trifft dies nicht zu. Die Rechtsform der OHG schließt die persönliche Haftung ihrer Gesellschafter für das Arbeitsentgelt ihrer Arbeitnehmer nicht aus.

Die vom Wortlaut gedeckte und durch die Rechtsform der Gesellschaft nicht ausgeschlossene Anwendung des § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG auf Ehegatten und Verwandte persönlich haftender Gesellschafter ist durch ihren Zweck geboten. Die mit dem Arbeitsförderungskonsolidierungsgesetz (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I, 1497) eingefügte Vorschrift soll "Manipulationen" des für die Bemessung des Alg maßgebenden Arbeitsentgelts bei Ehegatten und Verwandten gerader Linie entgegenwirken (vgl. Begründung zu Art 1 § 1 Nr. 32 des Entwurfs eines AFKG, BT-Drucks 9/799 S. 42f.). Sachlich nicht gerechtfertigte Vereinbarungen des Arbeitentgelts sollen nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft gehen (BSG SozR 4100 § 112 Nr. 36; Gagel, AFG, § 112 RdNr 231). Die Gefahr solcher Vereinbarungen zugunsten von Ehegatten oder Verwandten besteht nicht nur im Falle der Beschäftigung bei Alleinunternehmern und nicht assoziierten sonstigen Selbständigen, auf die sich § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG andernfalls beschränken würde. Auch bei Arbeits- und Beschäftigungsverhältnissen mit dem Ehegatten oder engen Verwandten des Gesellschafters einer Personalgesellschaft ist der typische Interessengegensatz zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht gegeben. Das Arbeitsentgelt geht in die gerade zwischen Ehegatten typischerweise bestehende Wirtschaftsgemeinschaft ein. Auf die individuellen Einflußmöglichkeiten des familiär mit dem Arbeitnehmer verbundenen Gesellschafters oder die tatsächliche Wahrnehmung solchen Einflusses kommt es nicht an. Dabei verkennt der Senat nicht, daß die Möglichkeit der Manipulation von Arbeitsentgelten unabhängig von der Rechtsform von der Verteilung der Einflußmöglichkeiten von Gesellschaftern durch Geschäftsführungs- oder Vertretungsbefugnis bedingt sein kann. Die Notwendigkeit, über Anträge auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit umgehend zu entscheiden, steht der Aufklärung der inneren Strukturen einer Handelsgesellschaft sowie der Einflußmöglichkeiten von Ehegatten oder Verwandten des Arbeitslosen innerhalb der Gesellschaft entgegen. Auch werden die tatsächlichen Einflußmöglichkeiten der Sachaufklärung im Verwaltungs- oder gerichtlichen Verfahren häufig kaum zugänglich sein.

Die Rechtsform einer OHG schließt die Annahme eines Arbeitsverhältnisses zwischen einem persönlich haftenden Gesellschafter und dessen Ehegatten oder Verwandten gerader Linie i.S. des § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG nicht aus. Die OHG weist nicht die Eigenschaft einer juristischen Person auf. Allerdings begründet § 124 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) eine gewisse Selbständigkeit "der OHG" als "Subjekt des Gesellschaftsvermögens, das prozeßrechtlich wie eine Rechtsperson behandelt wird" (RGZ 64, 155 f; 102, 301 f; 118, 295, 298; 136, 266, 270; BGHZ 34, 293, 296; 64, 155f.). Damit wird jedoch eine juristischen Personen eigentümliche Trennung von Gesellschaftsvermögen und Gesellschaftervermögen nicht mit der Folge begründet, daß Rechte und Pflichten gegenüber Dritten nur dem einen oder dem anderen zugeordnet werden können. Der Bundesgerichtshof (BGH) begreift die Personalgesellschaft trotz ihrer durch § 124 Abs. 1 HGB begründeten "Verselbständigung" nicht als "von den Gesellschaftern verschiedenes Rechtssubjekt", sondern als die in der Gesamthand verbundenen Gesellschafter (BGHZ 34, 293, 296; BGH NJW 1988, 556; BGH NJW 1990, 1181). Die persönliche Haftung des Gesellschafters für Gesellschaftsschulden nach § 128 Satz 1 HGB deutet der BGH dem Reichsgericht folgend i.S. einer einheitlichen Verpflichtung von Gesellschaft und Gesellschafter (BGHZ 34, 293, 297). In engem Zusammenhang damit steht die Ansicht des BGH, soweit es für die Rechtswirksamkeit, Anfechtbarkeit oder Rechtsfolgen von Geschäften der Gesellschaft auf persönliche Beziehungen, Kenntnisse oder Verhältnisse der Vertragspartner ankomme, genügten die entsprechenden Umstände in der Person eines einzelnen Gesellschafters (BGHZ 34, 293, 297). Auch dieser Grundsatz spricht dafür, § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG auch auf Versicherte anzuwenden, die im Bemessungszeitraum mit einem persönlich haftenden Gesellschafter verheiratet oder in gerader Linie verwandt waren.

Allerdings ist die angeführte Rechtsprechung nicht unwidersprochen geblieben. So wird die Ansicht vertreten, an den Schuldverhältnissen der Gesellschaft sei nur die "Gesamthand als Gruppe" beteiligt (Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts Bd I/1: Die Personengesellschaft, 1977, § 16 II 1 = 285, 287). Das beruht auf grundsätzlichen Positionen zur Dogmatik von Schuld und Haftung bei Personengesellschaften, die zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs von § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG nicht näher zu verfolgen sind. Denn auch soweit die Lehre die Identität des Rechtsgrunds und des Inhalts von Gesellschafts- und Gesellschafterschulden bestreitet, erkennt sie das Nebeneinander von Gesellschaftsschuld und Haftungsverbindlichkeit des Gesellschafters ausdrücklich an (Flume a.a.O. § 16 II = 283 ff; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Auflage 1991, § 46 II 2 = 1124). Die persönliche Verpflichtung des Gesellschafters nach § 128 HGB, mit seinem Privatvermögen für das Arbeitsentgelt von Arbeitnehmern der Gesellschaft einzutreten, begründet eine konkrete Beziehung zwischen Arbeitnehmer und persönlich haftendem Gesellschafter, die die Annahme eines Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisses auch bei diesem - neben der Gesellschaft - und im Falle des Bestehens einer Ehe oder eines Verwandtschaftsverhältnisses auch die Anwendung des § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG rechtfertigt.

1.2 Auch hinsichtlich solcher Folgerungen stimmt der Senat mit der Rechtsprechung des BGH und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) überein: Der BGH hat Arbeitnehmern ein Konkursvorrecht (§ 61 Nr. 1 Konkursordnung) nicht nur im Konkurs der Gesellschaft, sondern auch im Konkurs des persönlich haftenden Gesellschafters zugebilligt. Dazu hat der BGH ausgeführt, Träger der Rechte und Pflichten aus Rechtsverhältnissen der Gesellschaft seien die persönlich haftenden Gesellschafter selbst, allerdings in ihrer Verbundenheit als Gesellschafter (BGHZ 34, 293, 296ff.). Mit der gleichen Begründung hat der BGH die Haftung des Steuerberaters einer OHG für Verletzungen des Geschäftsbesorgungsvertrages auch gegenüber den Gesellschaftern angenommen (BGH NJW 1988, 556). Als Versicherungsnehmer einer Firmen-Vertrags-Rechtsschutzversicherung hat der BGH neben der Gesellschaft auch die persönlich haftenden Gesellschafter angesehen, weil Träger der im Namen der Gesellschaft begründenden Rechte und Pflichten "die gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter" seien (BGH NJW 1990, 1191). Schließlich hat das BAG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und persönlich haftenden Gesellschaftern angenommen, weil diese Arbeitgeber i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 3a Arbeitsgerichtsgesetz seien. Entscheidend für das BAG war die "primäre Einstandspflicht des persönlich haftenden Gesellschafters, die auf gleicher Stufe steht mit der Verbindlichkeit der Gesellschaft" (BAG NZA 1993, 618 m.w.N.).

1.3 Damit weicht der Senat nicht von dem Urteil des 12. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Februar 1983 - 12 RK 30/82 - ab (BSGE 55, 3ff. = SozR 5486 Art 4 § 2 Nr. 3). Dort hat der 12. Senat entschieden, mit der Gründung einer Anwaltssozietät trete ein Arbeitgeberwechsel für die bei einzelnen Sozien beschäftigten Arbeitnehmer ein mit der Folge, daß eine bisher aufgrund einer Übergangsvorschrift begründete Befreiung von der Versicherungspflicht wegen einer Ehegattenbeschäftigung entfalle. Durch die Gründung der Anwaltssozietät in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts werde für den Arbeitnehmer ein Beschäftigungsverhältnis zur Gesamtheit aller Gesellschafter begründet. Dieses Beschäftigungsverhältnis werde von dem Befreiungsbescheid des Rentenversicherungsträgers nicht erfaßt, der nach Übergangsvorschrift lediglich der Erhaltung der Versicherungsfreiheit diente. Für den 12. Senat war deshalb die hier allein wesentliche Frage des Bestehens eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Ehegatten neben dem Beschäftigungsverhältnis zur Sozietät nicht relevant.

1.4 Die Beitragsabführung zugunsten des Klägers nach seinem tatsächlich erzielten höheren Arbeitsentgelt steht der Anwendung des § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG nicht entgegen. In der Arbeitslosenversicherung ist die Beitragsentrichtung weder für die Leistungsbewilligung noch im Regelfall für die Leistungsbemessung von Bedeutung. Zur Erfüllung der Anwartschaftszeit (§ 104 Abs. 1 AFG) ist allein wesentlich, daß der Versicherte innerhalb der Rahmenfrist eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung zurückgelegt hat. Zu Unrecht entrichtete Beiträge begründen einen Leistungsanspruch nicht, während die Nichtabführung von Beiträgen bei bestehender Versicherungspflicht dem Leistungsanspruch bei Vorliegen seiner Voraussetzungen im übrigen nicht entgegensteht (BSGE 70, 81, 84 = SozR 3-4100 § 104 Nr. 8). Das BSG hat bereits in verschiedenen Zusammenhängen ausgesprochen, daß das Arbeitslosenversicherungsrecht nicht durch eine Äquivalenz zwischen Beitrags- und Leistungsbemessung gekennzeichnet ist (BSG SozR 3-4100 § 112 Nr. 1 m.w.N.). Die Trennung des Leistungsrechts vom Beitragsrecht ist auch für die Bemessung durchgeführt, indem diese regelmäßig an das im Bemessungszeitraum abgerechnete Entgelt unabhängig von der Beitragsentrichtung anknüpft, sofern nicht Sondertatbestände heranzuziehen sind. Die Entgegennahme von Beitragsbeträgen kann deshalb entsprechende Leistungen dem Grunde und der Höhe nach auch nicht unter Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes begründen (BSGE 70, 81, 87).

1.5 Die Auslegung und Anwendung des § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG auf die vorliegende Fallgestaltung ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich. Die geltende Fassung des § 112 Abs. 5 Nr. 3 trägt solchen Bedenken gegenüber früheren Fassungen der Vorschrift Rechnung (BT-Drucks 11/1161 S. 12), indem sie die Berücksichtigung durch Beschäftigung bei Ehegatten oder Verwandten erzielter Arbeitsentgelte bei der Leistungsbemessung nicht generell ausschließt oder die Leistungsbemessung an das Arbeitsentgelt nach § 112 Abs. 7 AFG anknüpft (vgl. zur Rechtsentwicklung BSGE 66, 168, 169; Gagel a.a.O.). Gleichgerichtete Interessen und persönliche Verbindungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind "einleuchtende Sachgründe" für eine an Ehe bzw. Verwandtschaft anknüpfende Differenzierung bei der Bemessung von Leistungen für diesen Personenkreis (BVerfGE 28, 324, 327; 78, 128, 130). Die weitere Differenzierung nach der Rechtsform von Personal- einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits erscheint sachgerecht, weil nur bei Kapitalgesellschaften eine rechtliche Selbständigkeit der Gesellschaft von der Rechtsordnung gewollt ist (BSG SozR 4100 § 112 Nr. 36). Die Differenzierung nach der Rechtsform grenzt den Anwendungsbereich des § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG im übrigen an einfach feststellbaren Merkmalen ab. Für den Bereich sozialer Leistungen als Massenerscheinungen sind Gesichtspunkte der Verwaltungspraktikabilität und Typisierungen als Differenzierungsgründe sowohl im Rahmen des Schutzes von Ehe und Familie (Art 6 GG) als auch der Gleichheit vor dem Gesetz (Art 3 GG) anerkannt (zB BVerfGE 60, 68, 78 = SozR 4100 § 104 Nr. 10).

1.6 Für die Höhe von Alg ist im Falle des Klägers hiernach höchstens das Arbeitsentgelt maßgebend, welches familienfremde Arbeitnehmer bei gleichartiger Beschäftigung erhalten. Die vom Kläger erzielten 6.052,-- DM sind daher nur zugrunde zu legen, wenn die OHG ein solches Entgelt auch an familienfremde Arbeitnehmer zahlte. Fehlt es an einer gleichartigen Beschäftigung im Betrieb, reicht es aus, wenn das erzielte Entgelt üblich war - d.h. der Arbeitslose das erzielte Entgelt bei gleichartiger Beschäftigung auch bei einem anderen Arbeitgeber hätte erzielen können. Die Gleichartigkeit von Arbeit läßt sich nur anhand der wahrgenommenen Aufgaben feststellen. Damit ist eine funktionale Betrachtungsweise gefordert, welche die vom Kläger wahrgenommenen Aufgaben mit seinem Arbeitsentgelt in Beziehung setzt und als Vergleichsmaßstab das bei familienfremden Arbeitnehmern gleichartiger Beschäftigung gewöhnlich anfallende Arbeitsentgelt heranzieht. Feststellungen hierzu hat das LSG - nach seiner Rechtsansicht folgerichtig -nicht getroffen. Schon deshalb kann der Senat nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob dem Kläger ein höheres Alg zusteht als ihm bewilligt worden ist.

2. Noch aus einem anderen Grund kann das Urteil des LSG keinen Bestand haben. Obwohl der Rechtsstreit ausschließlich die Höhe des bewilligten Alg betrifft, hat das LSG zutreffend die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach geprüft. Nur wenn diese gegeben sind, kann ein Anspruch auf eine höhere Leistung begründet sein. Aus der Bewilligung der Leistung folgt für den Bereich des Arbeitsförderungsrechts nicht, daß eine Bindungswirkung tragender Gründe der Verwaltungsentscheidung zugunsten des Leistungsempfängers eingetreten oder die Pflicht des Gerichts, den streitigen Anspruch unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen, eingeschränkt ist (dazu näher: BSGE 66, 168, 173).

2.1 Die Erfüllung der Anwartschaftszeit hat das LSG bejaht, weil nach seinen für den Senat bindenden Feststellungen (§ 163 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) die Firma N. & T. den Betrieb jährlich wiederkehrend aus Witterungsgründen während der Winterzeit einstellt. Mit Recht hat das LSG angenommen, daß der Kläger deshalb bereits mit einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vom 1. April bis 26. Dezember 1989 nach § 104 Abs. 1 Satz 4 AFG i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 2 Anwartschaftszeit-Verordnung vom 29. Januar 1982 (BGBl. I, 112) die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

2.2 Dem angefochtenen Urteil sind jedoch die erforderlichen Feststellungen zur Beurteilung der objektiven Verfügbarkeit einschließlich der Erreichbarkeit und der Bereitschaft des Klägers, jede zumutbare Arbeit anzunehmen (§ 103 Abs. 1 Satz 1 Nrn 1-3 AFG), nicht zu entnehmen. Das Vorliegen dieser Anspruchstatsachen ist nach den Umständen des Falles nicht selbstverständlich.

Bei der vom LSG festgestellten Beschränkung betrieblicher Aktivität auf die Zeit von April bis Dezember jeden Jahres ist der Kläger zwar rechtlich nicht an den Betrieb gebunden, weil das Arbeitsverhältnis für die übrige Zeit gelöst wird. Tatsächliche Bindungen an den Betrieb sind jedoch bei diesem regelmäßig wiederkehrenden Wechsel von betrieblicher Aktivität und Einstellung der Produktion denkbar (vgl. auch: BSGE 71, 18, 21 = SozR 3-4100 § 103 Nr. 8 sowie Urteil vom 28. September 1993 - 11 RAr 69/92 -). Dies gilt um so mehr, als der Kläger durch familiäre Bindung und hohes Arbeitsentgelt ein gesteigertes Interesse an der Fortsetzung der Beschäftigung bei der Firma N. & T. nach der jeweiligen Winterpause hat. Unter diesen Umständen war eine Eingliederung des Klägers in das Arbeitsleben - mit Ausnahme der jährlichen Winterpause - möglicherweise auf Dauer sichergestellt. Das BSG hat bereits entschieden, die absehbare Aufnahme einer der Ausbildung des Arbeitslosen entsprechenden Beschäftigung dürfe nicht Anlaß sein, den Versicherungsschutz zwischenzeitlich zu verkürzen (BSGE 44, 71, 78 = SozR 4100 § 119 Nr. 3). Das mag auch für sonstige Fälle befristeter Arbeitslosigkeit vor einer Änderung der Verhältnisse gelten (vgl. dazu: Gagel/Steinmeyer, AFG, § 103 RdNrn 101f. - Stand: Juli 87). Bei regelmäßig wiederkehrender Unterbrechung einer Beschäftigung kann aber eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls im Hinblick auf die familiären Bindungen des Klägers, seine bei Wiedereinstellung zu erwartenden Arbeitsbedingungen, einschließlich seiner persönlichen Stellung im Betrieb, zu einer tatsächlichen Bindung an diesen Betrieb führen, die die objektive Verfügbarkeit in rechtserheblicher Weise beschränkt. Bestehen solche Bindungen, die eine Arbeitsvermittlung in anderweitige Dauerarbeitsverhältnisse ausschließen, so stand der Kläger der Arbeitsvermittlung objektiv nur zur Verfügung, wenn befristete Beschäftigungen, die er fachlich bewältigen kann, den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts entsprechen.

Auch die Erreichbarkeit des Klägers für die Arbeitsvermittlung (§ 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. §§ 1 Satz 1, 3 Aufenthalts-Anordnung ≪Aufenthalts-AnO≫ i.d.F. der ersten Änderungsanordnung vom 25. Juni 1986 ≪ANBA 1986, 1095≫) ist nicht geklärt. Da die Firma N. & T. als Saisonbetrieb arbeitet, ist naheliegend, daß die jährliche Winterpause zum "Urlaub" genutzt wird. Soweit dieser mit Ortsabwesenheit des Klägers verbunden ist, steht das der Erreichbarkeit nur bis zur Dauer von 3 Wochen unter den weiteren Voraussetzungen des § 3 Aufenthalts-AnO nicht entgegen.

2.3 Schließlich ist die Bereitschaft des Klägers, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, zweifelhaft (§ 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AFG). Wegen der möglichen Bindungen an den Betrieb seiner Ehefrau sind die Leistungsvoraussetzungen grundsätzlich nur erfüllt, wenn der Kläger sich der Arbeitsvermittlung mit der Bereitschaft stellt, sich auch vom bisherigen Betrieb zu lösen (Urteil des Senats vom 28. September 1993 - 11 RAr 69/92 -). Einschränkungen dieses Grundsatzes können sich aus der Zumutbarkeit ergeben, die bestimmt, "was dem Arbeitslosen zur Herstellung und Aufrechterhaltung seines Anspruchs angesonnen wird" (BSGE 70, 180, 183 = SozR 3-4100 § 103 Nr. 7). So wird es als zulässige Einschränkung der Arbeitsbereitschaft erwogen, wenn die Beschäftigung zur Erhaltung betrieblicher Anwartschaften oder saisonbedingt suspendiert oder mit einer Wiedereinstellungszusage gelöst wird (Gagel/Steinmeyer a.a.O. § 103 RdNr 102 und Gagel a.a.O. § 119 RdNrn 173 und 297). Die zur Konkretisierung der Zumutbarkeit erforderliche Abwägung zwischen dem Interesse des Arbeitslosen und Belangen der Solidargemeinschaft wird hier zu berücksichtigen haben, daß Vorbehalte des Klägers gegenüber einer Vermittlung in eine anderweitige Dauerbeschäftigung wesentlich auf Umständen beruhen, die die Solidargemeinschaft nach dem in § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG enthaltenen Rechtsgedanken unverhältnismäßig belasten.

3. Da die tatsächlichen Feststellungen des LSG für eine abschließende Entscheidung des Senats nicht ausreichen, ist das angefochtene Urteil einschließlich der zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Zur Klärung der betrieblichen Verhältnisse wird das LSG zu ermitteln haben, ob der Kläger ab 27. Dezember 1989 betrieblichen Bindungen unterlag, die seine Verfügbarkeit objektiv einschränken. In Betracht kommt dafür etwa die Vernehmung der Gesellschafter über betriebliche Perspektiven für den Fall seines Ausscheidens und die Urlaubsgestaltung. Die Anhörung des Klägers selbst kann Aufschluß über seine Bereitschaft erbringen, sich der Arbeitsvermittlung uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen. Außerdem können Auskunftsersuchen beim zuständigen Gewerbeamt und bei der Kraftfahrzeug-Zulassungsstelle klarstellen, ob der Betrieb im Leistungszeitraum tatsächlich im vollen Umfang eingestellt war.

Eine Urlaubsabgeltung oder ein Urlaubsabgeltungsanspruch begründen gegebenenfalls das Ruhen des Leistungsanspruchs für die Zeit des abgegoltenen oder abzugeltenden Anspruchs (§ 117 Abs. 1a AFG). Sollte ein Urlaubsanspruch des Klägers auf spätere Arbeitsperioden übertragen worden sein, kann dies als Anzeichen für das Bestehen des angeblich gekündigten Arbeitsverhältnisses in Betracht zu ziehen sein. In diesem Falle kann die Anspruchsvoraussetzung der "Arbeitslosigkeit" zu verneinen sein, wenn die Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse ergibt, daß außer dem - möglicherweise nur suspendierten - Arbeitsverhältnis auch das Beschäftigungsverhältnis in der Winterpause wegen faktischer Gebundenheit des Klägers fortbestanden hat (vgl. dazu Urteil des Senats vom 28. September 1993 - 11 RAr 69/92 -).

Soweit sich das LSG vom Vorliegen der Anspruchstatsachen dem Grunde nach überzeugt, wird es darauf ankommen, die tatsächlichen Aufgaben des Klägers im Betrieb und das gewöhnliche - nicht notwendig tarifliche - Arbeitsentgelt von familienfremden Arbeitnehmern mit gleichartigen Aufgaben zu ermitteln. Nach dem Ergebnis dieser Ermittlungen richtet sich, ob für das "gewöhnliche Arbeitsentgelt" auf statistische Erhebungen zurückgegriffen werden kann, oder welche Stellen zu dieser Frage Auskünfte erteilen können (Fachverband, Gewerkschaft).

Bei einer erneuten Entscheidung wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 518133

BSGE, 263

BB 1994, 1570

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