Schriftlicher Test ersetzt nicht das Vorstellungsgespräch
Die Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers zur Einladung zum Vorstellungsgespräch ergibt sich für behinderte Bewerber aus § 82 Satz 2 SGB IX.
Wird einem schwerbehinderten Bewerber, der das Anforderungsprofil erfüllt, nach nicht bestandenem Test abgesagt, ohne ihn zum Vorstellungsgespräch einzuladen, stellt dies ein Indiz für eine Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung dar und kann die Zahlung einer Entschädigung nach sich ziehen.
Der Fall: Bewerber verlangt zwei Bruttogehälter als Entschädigung
Die Beklagte, eine öffentliche Arbeitgeberin, schrieb Ausbildungsplätze im dualen Studium zur Verwaltungsinformatikerin/zum Verwaltungsinformatiker - Diplom (FH) aus. Voraussetzung war ausdrücklich „mindestens vollwertige Fachhochschulreife“. Der schwerbehinderte, entsprechend ausgebildete Kläger bewarb sich um den Studienplatz, nahm an dem bereits in der Ausschreibung erwähnten schriftlichen Eignungstest teil und fiel durch. Daraufhin erteilte ihm die Beklagte eine Absage.
Der Bewerber verlangte von der Beklagten die Zahlung einer Entschädigung, weil er wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden sei. Seine Klage war sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht im Umfang von zwei Bruttomonatsvergütungen erfolgreich.
LAG: Schwerbehinderte müssen zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden
Das Bestehen eines Eingangstests war hier ausweislich der Ausschreibung keine Stellenanforderung, sondern bereits Teil des Auswahlverfahrens. Dabei musste die Beklagte aber § 82 Satz 2 SGB IX beachten: Ein fachlich geeigneter schwerbehinderter Bewerber ist vom öffentlichen Arbeitgeber immer zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Er soll etwaige Defizite in einem persönlichen Gespräch ausgleichen können.
Unterbleibt die Einladung, wird nach dem Gesetz eine Diskriminierung aufgrund der Schwerbehinderung vermutet. Dies ist im entschiedenen Fall von der Beklagten nicht widerlegt worden (LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 9.9.2015, 3 Sa 36/15).
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