Anrechnung von Dozenten-Berufserfahrung an ausländischen Unis

Die Berufserfahrung als Hochschuldozent muss nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs bei einem Wechsel ins EU-Ausland vollständig angerechnet werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass die neue Tätigkeit mit der vorherigen gleichwertig oder identisch ist. Dies entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Hintergrund ist der Fall einer deutschen Wissenschaftlerin, die nach einer Lehrtätigkeit an der Münchner Universität an der Universität Wien arbeitete.

Berufserfahrung einer deutschen Dozentin wurde in Österreich nur teilweise anerkannt

Die Klägerin, eine deutsche Historikerin, wechselte nach fünfjähriger Lehrtätigkeit an der Universität München zum Wintersemester 2000/2001 an die Universität Wien, wo sie zunächst als Lehrbeauftragte, dann als Universitätsdozentin und ab Oktober 2010 als Senior Lecturer/Postdoc beschäftigt war. Sie klagte vor den österreichischen Gerichten auf Anrechnung aller ihrer Vordienstzeiten – der achteinhalb Jahre an der Universität Wien und der fünf Jahre an der Universität München – mit dem Ziel der Einstufung in eine höhere Gehaltsstufe.

An der Universität Wien werden bei der Festlegung des Gehalts allerdings aufgrund eines Rektoratsbeschlusses vom 8.11.2011 nur höchstens vier Jahre Berufserfahrung angerechnet, wenn Dozenten und Postdoktoranden von einer anderen Hochschule kommen. 

EuGH: Erfahrung muss vollständig angerechnet werden

Die Luxemburger Richter urteilten nun, dass Berufserfahrung in derartigen Fällen vollständig angerechnet werden muss. Andernfalls sei die Freizügigkeit europäischer Arbeitnehmer gefährdet. Danach müssen Menschen in jedem EU-Staat die gleichen Möglichkeiten haben, eine Beschäftigung auszuüben wie die Staatsbürger des jeweiligen Landes.

Der Rektoratsbeschluss vom 8.11.2011 könne zu einer Behinderung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gem. Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 führen, wobei insoweit zwischen gleichwertiger Berufserfahrung und jeder anderen Art von Berufserfahrung, die für die Ausübung der Tätigkeit eines Senior Lecturers/Postdocs schlicht nützlich sei, unterschieden werden müsse.

Eine Benachteiligung liege nicht vor, wenn der frühere Job für die neue Anstellung «schlicht nützlich» sei. Das Oberlandesgericht Wien muss nun prüfen, ob dies auf die Tätigkeit der Deutschen in München zutreffe oder ob die Vortätigkeit "gleichwertig oder gar identisch" war (EuGH, Urteil v. 10.10.2019, RS C-703/17).

dpa