Vorsicht bei Rückzahlungsklauseln zu Ausbildungs- und Studienkosten in Altverträgen
Der Fall
Eine Studentin absolvierte in den Jahren 2018-2021 einen dualen Studiengang bei einer öffentlichen Arbeitgeberin bzw. Ausbildenden. Im Hinblick auf eine etwaige Rückzahlungsverpflichtung der Studienkosten regelte der maßgebliche Ausbildungs- und Studienvertrag unter anderem: „Der vom Ausbildenden bezahlte Gesamtbetrag [… ] ist von den Studierenden oder den ehemals Studierenden zurückzuerstatten […] bei Beendigung des ausbildungsintegrierten dualen Studiums durch Kündigung vom Ausbildenden aus einem von der Studierenden zu vertretenen Grund oder durch eine Eigenkündigung der Studierenden, die nicht durch einen wichtigen Grund gemäß § 626 BGB gerechtfertigt ist.“
Die Formulierung entspricht dabei im Wesentlichen der in Bezug genommenen Richtlinie des Bundes für ausbildungsintegrierte duale Studiengänge (Rundschreiben des BMI v. 25.9.2018). Zwischenzeitlich wurde die Formulierung außerdem in § 18 Abs. 2 Buchst. b TVSöD übernommen, der zum Zeitpunkt des Abschlusses des hier streitgegenständlichen Vertrages allerdings noch nicht in Kraft war.
Streit um 8.100 Euro Ausbildungskosten
Kurz nach Bestehen der Abschlussprüfung und somit nach Abschluss des Ausbildungsteils, aber noch vor Beendigung des ausbildungsintegrierten dualen Studiums, kündigte die Studentin den Ausbildungs- und Studienvertrag ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Die ausbildende Stelle forderte daraufhin Rückzahlung der verauslagten Ausbildungskosten in Höhe von circa 8.100 Euro.
Weder das Arbeitsgericht noch das Landesarbeitsgericht sahen den Rückzahlungsanspruch als begründet an. Und auch vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) scheiterte die Ausbildende schließlich mit ihrer Rückzahlungsforderung.
BAG: Unangemessene Benachteiligung
Denn wie das BAG feststellte, handelt es sich bei den Regelungen in dem Ausbildungs- und Studienvertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die daher einer sog. AGB-Kontrolle unterliegen. Das BAG führt dazu aus: „Die Regelung […], die den Vertragspartner mit den Kosten des dualen Studiums belastet, wenn er das Arbeitsverhältnis kündigt, ohne dass ein wichtiger Grund vorliegt, benachteiligt ihn entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).“
Zwar sind Rückzahlungsklauseln nach ständiger Rechtsprechung grds. zulässig, allerdings ist die obenstehende Regelung nach Auffassung des BAG im Hinblick auf die Ausnahmeregelungen zu eng gefasst. Die Bestimmung unterscheidet nämlich nicht danach, wessen Sphäre der Grund für die Eigenkündigung der Studierenden zuzuordnen ist: „Eine Rückzahlungspflicht soll nur entfallen, wenn der Vertragspartner infolge eines wichtigen Grundes berechtigt ist, den Ausbildungs- und Studienvertrag zu kündigen. Im Übrigen sieht die Klausel eine Ausnahme von der Rückzahlungspflicht nicht vor. Dies gilt insbesondere für den nicht fernliegenden Fall, dass die Beendigung des Vertragsverhältnisses durch ein vertragswidriges Verhalten des [Ausbildenden] veranlasst wurde, das zwar nicht die Schwere eines wichtigen Grundes erreicht, dem Vertragspartner aber das Festhalten am Vertrag unzumutbar macht.“
An dem Ergebnis der unangemessenen Benachteiligung ändert aus Sicht des BAG auch eine ebenfalls enthaltene Härtefallregelung nichts.
Welche Rückzahlungsklauseln sind betroffen?
Zunächst einmal bleibt festzuhalten, dass das BAG damit keine Aussage zur Wirksamkeit der wortgleichen aktuellen Rückzahlungsregelung in § 18 Abs. 2 TVSöD trifft. Im Gegenteil stellt das BAG diesbezüglich fest, dass im Hinblick auf die Wirksamkeit einer Tarifregelung ein gänzlich anderer Maßstab gilt als bei einer AGB-Kontrolle von individualvertraglichen Klauseln: „Die Tarifvertragsparteien haben im Unterschied zu den Arbeitsvertragsparteien eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Tarifverträge sind deshalb allein daraufhin zu untersuchen, ob sie gegen die Verfassung, anderes höherrangiges zwingendes Recht oder die guten Sitten verstoßen.“
Problematisch sind daher zunächst nur individualvertragliche Rückzahlungsvereinbarungen zwischen Ausbildenden und Studierenden mit dem oben genannten Wortlaut. Maßgeblich ist bei diesen außerdem, ob sie vor dem Inkrafttreten des TVSöD, also vor dem 1.8.2020, getroffen wurden oder danach. Denn bloße Verweise auf bereits bestehende Tarifregelungen oder deren wortgetreue Wiedergabe in Individualverträgen sind im Rahmen von AGB-Kontrollen begünstigt (vgl. §§ 307 Abs. 3, 310 Abs. 4 Satz 3 BGB). Anders ist dies hingegen auf Grund der fehlenden Außenwirkung bei Richtlinien zu beurteilen, sodass eine Bezugnahme auf die im Jahr 2018 ergangene Richtlinie keine Auswirkung auf die vorzunehmende AGB-Kontrolle hat.
Unwirksam sind nach der Entscheidung des BAG also jene individualvertraglichen Rückzahlungsklauseln, die vor dem 1.8.2020 vereinbart wurden, wenn sie entsprechend der oben genannten Regelung bei Eigenkündigungen nur das Bestehen eines wichtigen Grundes als Ausnahme zulassen.
(BAG, Urteil v. 9.7.2024, 9 AZR 227/23)
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