ESG in der Wohnungswirtschaft: Von der Vision zur Umsetzung

Mit der Agenda 2030 haben die Vereinten Nationen eine Vision für eine gerechtere Welt formuliert, deren Umsetzung in Deutschland unter anderem mit der GEG-Novelle fortgesetzt wird. Ein Blick in den ESG-Rückspiegel – und auf die Konsequenzen für Wohnungsunternehmen.

Am 25.9.2015 haben 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (UN) in New York 17 globale Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) mit insgesamt 169 Unterzielen verabschiedet. Damit wurde eine Vision für ein menschenwürdiges Leben mit dauerhaft bewahrten Lebensgrundlagen für alle formuliert, die die Dimensionen Soziales, Wirtschaft und Umwelt umfasst.

Auf dieser Basis wurde im Dezember 2015 bei der UN-Klimakonferenz in Paris eine Mission erarbeitet, um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Die beteiligten Staaten einigten sich auf ein neues globales Klimaschutzabkommen, um die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf "deutlich unter" zwei Grad Celcius – möglichst 1,5 Grad Celcius – zu begrenzen. Darüber hinaus soll die Fähigkeit zur Anpassung an den Klimawandel gestärkt werden und die Finanzmittelflüsse mit den Klimazielen in Einklang gebracht werden. Das Abkommen trat am 4.11.2016 in Kraft.

Mittlerweile haben mehr als 180 Staaten das Abkommen ratifiziert, darunter auch die Europäische Union (EU) und Deutschland.

European Green Deal und Sustainable Finance Initiative

Die Europäische Union entwickelte hieraus die Strategie des European Green Deal. Damit wollen die Mitgliedstaaten bis 2050 klimaneutral werden.

In einem ersten Schritt sollen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 sinken. Das Paket "Fit für 55" umfasst eine Reihe von Vorschlägen zur Überarbeitung und Aktualisierung von EU-Rechtsvorschriften. Damit soll sichergestellt werden, dass das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung unabhängig ist und keine Menschen und Regionen in der EU im Stich gelassen werden.

Als taktische Maßnahme dient die Sustainable Finance Initiative der EU. In diesem Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums wird die Mobilisierung privaten Kapitals in nachhaltige Investitionen angestrebt. Finanzdienstleister sollen bei ihren Entscheidungen Nachhaltigkeit in den Bereichen Klima, Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung berücksichtigen.


ESG-Umsetzung

Operative ESG-Umsetzung Grafik DW 04_2024

ESG-Reportings: Die operativen Schritte der EU

Um die Kapitalflüsse verstärkt in nachhaltige Investitionen umzuleiten, wurde 2022 die EU-Taxonomie geschaffen. Durch einheitliche Kriterien für nachhaltiges Wirtschaften sollen die ESG-Reportings für Investoren und Anleger vergleichbarer werden. Bereits im Jahr 2006 wurde auf Anregung des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan die auf Freiwilligkeit beruhende Investoreninitiative UN Principles for Responsible Investment (UN PRI) gegründet.

Folgerichtig ist im Januar 2023 die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in Kraft getreten, die die Nachhaltigkeitsberichterstattung als verpflichtenden Bestandteil von Geschäftsberichten regelt. Die dafür definierten Standards wurden im ersten Set der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) definiert. Die rund 40 branchenspezifischen Standards, Erleichterungen für kapitalmarktorientierte klein- und mittelgroße Unternehmen sowie weitere Leitlinien und spezifische Guidelines werden durch die Europäische Beratungsgruppe zur Rechnungslegung (European Financial Reporting Advisory Group, EFRAG) noch ausgearbeitet.

Renovation Wave: Wärmewende im Gebäudesektor

Mit der 2020 veröffentlichten Renovation Wave soll die Wärmewende im Gebäudesektor vorangetrieben werden und mindestens eine Verdoppelung der jährlichen Sanierungsrate bis 2030 in Europa erzielt werden. Ein Hauptaugenmerk liegt auf der Dekarbonisierung der Wärme- und Kälteversorgung, der Bekämpfung von Energiearmut, der Fokussierung auf Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz sowie der Vorbildfunktion von öffentlichen Gebäuden.

Hierfür soll zum Beispiel die EU-Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) überprüft werden. Darüber hinaus soll die Initiative "New European Bauhaus" (NEB) sicherstellen, dass Gebäude und ganze Quartiere unter der Zielsetzung der Klimaneutralität mit Hinblick auf Nachhaltigkeit, Ästhetik und Inklusion baukulturell sorgsam errichtet und saniert werden.

Insbesondere die Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) und die nationale Umsetzung wird zu einem erheblichen Anstieg der Sanierungen und zu Veräußerungen führen. Durch die gesetzliche Verpflichtung, bestimmte Energieeffizienzklassen bis 2030 beziehungsweise 2033 auf eine bessere Energieeffizienzklasse zu heben, müssen entsprechend einer Renditeberechnung zeitnah Investitionen oder Desinvestitionen durchgeführt werden. Das bedeutet faktisch auch: Eine mehrdimensionale Portfoliobetrachtung muss einer zeitlich gesteuerten "worst-first-Strategie" weichen.

EU-Gebäuderichtlinie: Die Umsetzung in Deutschland

Die deutsche Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) erfolgt zum Teil ambitionierter als die europäischen Vorgaben. So soll nach dem Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) die Klimaneutralität bereits im Jahr 2045 erreicht werden. Einige Bundesländer und große Immobilieneigentümer – wie die Landeskirchen – haben sich mit eigenen Klimaschutzgesetzen noch strengere Vorgaben gegeben.

Die öffentlich kontrovers diskutierte Neufassung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) im Herbst 2023 machte deutlich, dass Zielkonflikte, insbesondere zwischen Dekarbonisierung und Bezahlbarkeit, in den Fokus der öffentlichen Diskussion rücken werden. Der Gesetzgeber hat der Bezahlbarkeit in diesem Fall den Vorzug vor dem ökologischen Möglichen gegeben. Für den Neubau und die Ersatzinvestitionen gilt in Abhängigkeit von der Wärmeplanung, dass das Heizen mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien zu erfolgen hat, wobei die Art der Heiztechnologie nicht vorgegeben wurde. Auf einen gesetzlichen Zwang zum Tausch funktionierender Heizungen wurde verzichtet.

Mit dem Energieeffizienzgesetz (EnEfG) und dem Gesetz über Energiedienstleistungen und anderer Energieeffizienzmaßnahmen (EDL-G) soll ein geringer Primärenergieverbrauch sichergestellt werden. Die geforderten Energieaudits und Energie- und Umweltmanagementsysteme sind Instrumente zur Identifizierung und Umsetzung energieeffizienzsteigernder Maßnahmen. Während das EnEfG energieintensive Unternehmen im Blick hat, gilt das EDL-G bei Unternehmen, die den Nicht-KMU-Status aufweisen und einen Gesamtenergieverbrauch bis 500.000 KWh/a haben.

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Gesetze, die direkt oder indirekt die Klimaneutralität im Blick haben. Dazu gehören das Klimaanpassungsgesetz, das Solarpaket I und vieles anderes mehr.


Gebäudeenergiegesetz (GEG)

Grafik GEG DW-ESG-Artikel HWS

Die Folgen für Wohnungsunternehmen

Die Weltgemeinschaft hat beschlossen, allen Bewohnern langfristig ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und dabei die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. Um das zu erreichen sind alle Unternehmen gefordert, unabhängig von Größe oder Organisationsform. Auch wenn bestimmte Unternehmensgruppen – wie bei der CSRD – einzelne Verpflichtungen noch nicht erfüllen müssen, sind die Verfasserinnen und Verfasser der Auffassung, dass über kurz oder lang alle Beteiligten die Regelungen umsetzen werden müssen. Der europäische Unternehmensbegriff umfasst auch gemeinnützige Unternehmensformen des Privatrechts und Genossenschaften.

Im ersten Schritt ist zu prüfen, welche Maßnahmen sinnvoll sind. Hierfür ist eine CO2-Bilanz notwendig, die die Verteilung der Emissionen im Unternehmen angibt und die Grundlage für die Transformation darstellt. Darauf aufbauend kann ein Plan erarbeitet werden, wie die gesetzlichen Vorgaben bis 2030 beziehungsweise 2045 erreicht werden können.

Um herauszufinden, ob die Maßnahmen organisatorisch machbar und finanzierbar sind, ist je nach Datenbestand mit hohen internen und externen Kosten der Erstellung und Umsetzung zu rechnen. Rund 80 Prozent der im GdW vertretenen Unternehmen verwalten weniger als 2.000 Wohnungen mit entsprechend schlanken Strukturen. Um an Erfahrungen und Lösungsansätzen anderer teilhaben zu können und zu kooperieren, wurde 2020 die "Initiative Wohnen.2050" als offene Wissensplattform mit unterschiedlichen Kommunikationsformaten ins Leben gerufen.

Auch wenn die meisten Wohnungsunternehmen – insbesondere nach der Erhöhung der Schwellenwerte nach § 276 HGB – als KMU noch nicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung entsprechend CSRD respektive ESRS verpflichtet sind, sollten sie sich mit der Berichterstattung beschäftigen. Zum einen wird, wie oben beschriebenen, von einer langfristigen Berichtspflicht für alle ausgegangen und zum anderen sollte auch mit Hinblick auf ein ESG-Rating über nachhaltiges Handeln entsprechend berichtet werden. Hierfür eignet sich zum Beispiel eine Berichterstattung in Anlehnung an den Deutschen Nachhaltigkeitskodex DNK, in den die Anforderungen des ESRS integriert werden sollen.

Der Artikel ist ein Auszug aus dem Fachmagazin "DW Die Wohnungswirtschaft", das im April 2024 erscheint.


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