75 Jahre DW: Interview mit vbw-Direktorin Dr. Iris Beuerle

Auch in Baden-Württemberg stehen die Wohnungsunternehmen vor zahlreichen Herausforderungen. Dr. Iris Beuerle, Verbandsdirektorin des vbw, spricht darüber, wie sich die Akteure diesen stellen und was sie von der Politik fordern.

Der vbw ist mehr als 100 Jahre alt. Vor 30 Jahren verschmolzen der Verband württembergischer Bau-Genossenschaften von 1909 und der Badische Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen von 1912 zum heutigen Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Zu den Mitgliedern zählen 273 gemeinwohlorientierte Wohnungs- und Immobilienunternehmen, die rund 460.000 Wohnungen bewirtschaften.

Ihre Mitgliedsunternehmen geben – so ist es auf Ihrer Webseite zu lesen – jedem elften Einwohner in Baden-Württemberg ein Zuhause. Was muss getan werden, damit es so bleibt?

Dr. Iris Beuerle: Baden-Württemberg ist das Land der "Häuslebauer". Das Wohnen zur Miete hat hier keinen so hohen Stellenwert wie in manch anderen Bundesländern. Dafür stehen unsere Mitgliedsunternehmen für bezahlbares Wohnen: Ihre Durchschnittsmiete liegt aktuell bei 7,16 Euro und ist im Vergleich zu 2021 um 2,7 Prozent gestiegen. Rund 4.600 Wohnungen wurden 2022 neu gebaut und 2,17 Milliarden Euro investiert. Ein Rückgang ist wegen der aktuell schlechten Rahmenbedingungen ab 2023 zu erwarten. Keine gute Nachricht für die Menschen, die bezahlbaren Wohnraum suchen. Denn Wohnen muss bezahlbar bleiben, dafür setzen wir uns ein. Wir brauchen alles, was die Kosten senkt: schnellere Verfahren, eine Reduktion der überbordenden Standards und Anforderungen sowie eine wirksame Förderung. Mit dem Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen und dem Staatsministerium, das dafür den Strategiedialog "Bezahlbares Wohnen und innovativ Bauen" initiiert hat, sind wir dazu in gutem Austausch. Ebenso mit den Kommunen, die es in der Hand haben, wem sie ihre Grundstücke verkaufen.

Was verbirgt sich hinter dem Strategiedialog? Was können Sie als Vertreterin der Wohnungswirtschaft dazu beitragen?

Der Strategiedialog hat zum Ziel, Lösungen für mehr bezahlbaren Wohnraum mit allen beim Bauen beteiligten Akteuren zu erarbeiten. Die Beteiligten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung arbeiten in den drei Themensäulen:

  • 1. Bezahlbares Wohnen,
  • 2. Innovativ Bauen und
  • 3. Digitale Transformation der Bauwirtschaft.

Wir wirken intensiv in den ersten beiden Themensäulen mit. So wird zum Beispiel ein "Kommunaler Werkzeugkasten" erarbeitet, in dem Handlungsempfehlungen zur Beschleunigung und Vereinfachung von Verfahren und Prozessen enthalten sind. Wir wirken auch an einer AG mit, in der Kostentreiber anhand eines konkreten Projektes aufgezeigt werden und engagieren uns für eine neue Struktur der Wohnraumförderung. Wir setzen unsere Expertise ein, damit wir zu guten Ergebnissen kommen. Am wichtigsten ist dann die Umsetzung der Ergebnisse, damit sich die Rahmenbedingungen für die Wohnungswirtschaft verbessern und das Wohnen wieder bezahlbar wird.

Die Internationale Bauausstellung "IBA 2027 StadtRegion Stuttgart" wirft erste Glanzlichter auf das Ausstellungsjahr. Wie ist der vbw eingebunden?

Wir sind Partner der IBA und stolz, dass sich sieben Mitgliedsunternehmen mit sechs ausgewählten Projekten aus der Region an der IBA beteiligen. In diesem Jahr fand bereits ein IBA-Festival vom 23. Juni bis 23. Juli in Stuttgart statt. In dem Rahmen veranstalteten wir am 11.7.2023 eine Fachtagung zum Themenschwerpunkt Partizipation mit Vorträgen, einer städtebauliche Exkursion, interaktiven Workshops und eine Podiumsdiskussion.

Im Februar fand in Konstanz der Klimagipfel der Wohnungswirtschaft statt, den Sie mit dem VdW Bayern durchgeführt haben. Welche Lösungsansätze wurden und werden diskutiert, welche Weichen seither gestellt?

Mit der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes hat die Bundesregierung nochmals maßgeblich in alle Planungen der Branche eingegriffen. Dabei sollen unsere Mitgliedsunternehmen die Klimaziele schneller als andere erreichen, da Baden-Württemberg bereits bis 2040 klimaneutral sein will – viele Städte sogar noch früher. Die Umsetzung aller Anforderungen wird die Finanzkraft der Wohnungsunternehmen stark belasten. Zumal die Klimapolitik einerseits auf die CO2-Einsparung abzielt, das GEG auf die Energieeffizienz der Gebäude. Wir wünschten, die Politik ließe der Wohnungswirtschaft mehr Spielraum, wie sie die Klimaziele erreicht und setzte insgesamt weniger Regulatorik ein. Spannend wird dann noch die Umsetzung der europäischen Gebäuderichtlinie. Mit Blick auf Baden-Württemberg schreibt das Land den großen Kreisstädten vor, dass sie den Regierungspräsidien bis zum 31.12.2023 einen Wärmeplan vorlegen. Das wird die Konzepte der Wohnungsunternehmen in Bezug auf die Klimaneutralität nochmals beeinflussen. Übrigens: Der Klimagipfel bleibt ein feststehender Termin und findet 2024 am 22. und 23. Februar wieder in Konstanz statt.

Sie wurden im vergangenen Jahr zur Honorarprofessorin an der HfWU, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen Geislingen bestellt. Gibt es Synergieeffekte für den Verband?

Ich bin seit meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Assistentin an der HfWU 1994 Lehrbeauftragte und eng mit der Hochschule verbunden. Mein langjähriges Engagement wurde nun durch die Honorarprofessur gewürdigt. Jungen Menschen die Themen der Wohnungswirtschaft näher zu bringen, ist mir eine Herzensangelegenheit. Wir brauchen für die Wohnungswirtschaft und auch für den Nachwuchs in der Prüfungs- und Beratungstätigkeit des vbw Fachkräfte. Daher gilt es, auch Studierende für die spannende Branche zu begeistern. Im Übrigen sind auch andere Alumni und Führungskräfte unserer Mitgliedsunternehmen an der Hochschule aktiv und bereichern die Lehrveranstaltungen durch ihre Expertise und Exkursionen.

Die Nachhaltigkeitsbestrebungen des vbw haben Sie dokumentiert und im Jahr 2022 erstmals einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. Wie gehen Sie als Verband mit dem Thema um?

Mit unserem ersten Nachhaltigkeitsbericht wollten wir uns selbst dem Thema stellen und insbesondere unseren kleineren Mitgliedsunternehmen einen Leitfaden für ihren Nachhaltigkeitsbericht an die Hand geben. Ich freue mich, dass mit dem Bericht und durch unseren neuen Kollegen im Bereich Nachhaltigkeit viele Ideen entwickelt werden. Wir haben einige interne Projekte angestoßen und ein Leitbild mit unseren Mitarbeitern erarbeitet. An beidem werden wir kontinuierlich weiterarbeiten. An bürokratische Hürden sind wir gestoßen, als wir zur Reduktion unseres Fremdenergiebedarfs und zur Förderung der Elektromobilität in eine Dachsolaranlage mit Batteriespeicher und E-Ladesäulen investiert haben. Das komplexe Steuerrecht trifft auf einen überregulierten Strommarkt und verhindert die einfache Abgabe des Stroms an den Ladestationen. Ähnliche Erfahrungen machen auch viele Mitgliedsunternehen, die wir auf dem Weg zur Klimaneutralität und der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten begleiten. Dabei fällt auf, wie stark die komplette Umsetzung der Klimapfade zu Buche schlägt. Hier klafft ein Delta zwischen den hohen Anforderungen der Bundesregierung mit ihrem kurzen Zeitplan und der Leistungsfähigkeit der Wohnungsunternehmen.

75 Jahre DW Die Wohnungswirtschaft – was verbindet Sie mit dem Magazin?

Ich hielt die DW zum ersten Mal während meines Praktikums im vbw 1992 in Händen. Seitdem begleitet sie mich. Die DW ist in jüngster Zeit – wie wir auch – digitaler und moderner geworden. Das gefällt mir. Herzlichen Glückwunsch zum 75-jährigen Bestehen! Vielen Dank an das Team und weiter so!

Das Interview findet sich auch in der Print-Ausgabe der DW Die Wohnungswirtschaft 06/2023.

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