75 Jahre DW: Interview mit Andreas Breitner

Der Einsatz für bezahlbares Wohnen steht für VNW-Verbandsdirektor Andreas Breitner an erster Stelle. Dafür wird er nicht müde, die Interessen der Wohnungsunternehmen an passender Stelle zu adressieren – mit Erfolg.

Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e. V. (VNW) wurde 1900 bei Kiel als Interessen- und Prüfungsverband der Wohnungsbaugenossenschaften gegründet. Der Verband gliedert sich in die drei Landesverbände Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Der VNW vertritt die Interessen von knapp 400 Wohnungsunternehmen.

Wie bringen Sie die, wahrscheinlich teils sehr unterschiedlichen, Interessen und Wohnungsbestände der Wohnungsunternehmen unter einen Hut?

Andreas Breitner: Egal, ob Nord, Süd, Ost oder West, groß oder klein, Genossenschaft oder Gesellschaft – alle Unternehmen eint das Ringen um bezahlbaren Wohnraum. Auch wenn die Lage auf den Wohnungsmärkten in Ballungsräumen und ländlichen Regionen unterschiedlich ist. Die Aufgaben, vor denen die Unternehmen derzeit stehen, sind ähnlich: steigende Baukosten, explodierende Zinsen, Herausforderungen der Energiewende.

Worin sehen Sie die größte Herausforderung für Ihre Mitgliedsunternehmen, für das bezahlbare Wohnen zu sorgen?

Oh, das Wort "Herausforderungen" ist Politsprech. Die lauern da nämlich immer und überall und werden tausendfach als solche erwähnt. Für mich sind es Aufgaben oder schlicht Probleme. Es gilt, steigende Baukosten, die Energiewende und das bezahlbare Wohnen miteinander zu versöhnen. Das Erreichen von Klimaneutralität ist mit hohen Investitionen in den Wohnungsbestand verbunden. Vermieter mit Werten haben aber keinen ‚Geldsack‘ im Keller, den sie anzapfen können. Sie finanzieren ihre Investitionen aus den Mieten. Diese aber – das ist unser Auftrag – müssen für Menschen mit mittlerem und kleinem Einkommen bezahlbar bleiben. Da den richtigen Weg zu finden, treibt viele Vorstände und Geschäftsführer um.

Das Bündnis für das Wohnen in Hamburg wird als Erfolg gefeiert: Die bisher immer erreichte Zielmarke von jährlich 10.000 neu genehmigten Wohnungen soll auch künftig Bestand haben. Ist das unter den erschwerten Rahmenbedingungen derzeit tatsächlich schaffbar?

Nein. Ich denke nicht. Am Anfang waren es 6.000 Wohnungen, jetzt sind es 10.000. Diese Werte waren immer eine politische Zahl. Mal liegt man drüber, mal drunter. Die Rahmenbedingungen für den Neubau sind derzeit aber schlecht. Die Stadt hat immerhin angesichts der schwierigen Lage beim Wohnungsbau ihr Fördervolumen auf über 750 Millionen Euro pro Jahr mehr als verdoppelt. Damit wird man im Bereich des Sozialwohnungsbaus das schlimmste verhindern können. Insbesondere im frei finanzierten Wohnungsbau geht nichts mehr. Wer heute baut, muss Baukosten von bis zu 5.000 Euro pro Quadratmeter fürchten. Am Ende kommt eine Netto-Kalt-Miete von 20 Euro pro Quadratmeter heraus. Wer soll das bezahlen?

Seit 2015 sind Sie Verbandsdirektor des VNW und noch länger SPD-Mitglied – Sie haben nämlich auch eine politische Vergangenheit: zum Beispiel als Bürgermeister von Rendsburg oder Innenminister Schleswig-Holsteins. Würden Sie sagen, dass es vorteilhaft ist, auch über die politische Innenansicht zu verfügen, wenn Sie Forderungen für die Wohnungswirtschaft durchsetzen wollen?

Ich war immer ein politischer Mensch und bin seit vielen Jahrzehnten an unterschiedlichen Stellen politisch aktiv – auch jetzt noch. Für meine Arbeit als Verbandsdirektor ist das Wissen, wie politische Prozesse ablaufen, hilfreich. Auch wie schwierig das Finden eines Kompromisses ist oder wie viel Kraft es kostet, sich mit ideologisch gefestigten Positionen auseinanderzusetzen. In meiner Arbeit bin ich unparteiisch und überparteilich. Da kriegen all diejenigen ihr Fett weg, die die Axt an das bezahlbare Wohnen legen. Das kommt leider bei allen vor. Da kenne ich im Interesse unserer Mitgliedsunternehmen keine Verwandten.

Was läuft Ihrer Meinung nach für die Branche auf Länderebene besser als auf Bundesebene? Finden die Forderungen der Wohnungswirtschaft dort mehr Gehör? Was muss sich ändern?

Eine Ebene fehlt: die kommunale. In unserem Verbandsgebiet haben wir es mit rund 2.000 Städten und Gemeinden mit eigener Planungshoheit zu tun. Sie entscheiden darüber, was auf den Grundstücken passiert. Die machen teilweise, was sie wollen oder kennen ihre Möglichkeiten nicht. Auf Landesebene habe ich den Eindruck, dass die verantwortlichen Ministerinnen und Minister an unseren Themen dran sind. Ich erlebe in Gesprächen mit Sabine Sütterlin-Waack, Karen Pein und Christian Pegel immer wieder ein großes Verständnis für die Probleme der am Gemeinwohl orientierten Wohnungsunternehmen. Sie tun, was sie können. Schwierig ist es in den Umweltministerien und beim Bundeswirtschaftsministerium. Da habe ich manchmal das Gefühl, man sieht uns im Ringen um die Energiewende mehr als Bedrohung denn als Verbündete. Das Chaos um die KfW-Förderung im vergangenen Jahr und das Durcheinander beim Gebäudeenergiegesetz belegen das auf dramatische Weise: Avanti dilletanti! Mit Ideologie lässt sich kein Staat machen, beziehungsweise wird die Klimawende nicht gelingen.

Kaum jemand aus der Wohnungswirtschaft ist so präsent auf Social Media, vor allem LinkedIn, wie Sie. Warum ist Ihnen die Präsenz dort so wichtig? Da die Anzahl Wohnungsunternehmen, die auf LinkedIn aktiv werden, zunimmt – was können Sie Unternehmen oder auch Kolleginnen und Kollegen der Branche für deren LinkedIn-Auftritt raten?

In der Interessenvertretung unserer wohnungswirtschaftlichen Positionen gehören politisch Verantwortliche und Journalisten zu meiner Zielgruppe. Die tummeln sich alle auf den Social Media-Kanälen. Natürlich werbe ich darüber auch für unsere Verbandsarbeit, das VNW-Team, unsere Dienstleistungen und Mitgliedsunternehmen. Ein Teil meiner Aufgabenbeschreibung ist Netzwerken. Auch über das Netz entstehen wertvolle Kontakte. Unsere Gesellschaft wird stetig digitaler. Ob mir das gefällt oder nicht. Unsere Unternehmen präsentieren sich in unterschiedlicher Art und Weise. Am Ende ist eines wichtig: authentisch und menschlich sein.

Das VNW-Magazin gibt es künftig nur noch in digitaler Form. Die DW Die Wohnungswirtschaft wird in diesem Jahr 75 Jahre – plädieren Sie auch hier für eine Abkehr von der Printausgabe? Digital und als App gibt es uns ja bereits - oder halten Sie "uns" gern auch weiterhin zum Blättern in der Hand?

Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht – gerade, weil ich es sehr schön finde, das VNW-Magazin in der Hand zu halten, darin zu blättern. Aber die Zeiten habe sich geändert. Das VNW-Magazin in rein digitaler Form erlaubt uns, alle multimedialen Möglichkeiten des Internets zu nutzen: Text, Foto, Video, Audio. Wir erhoffen uns zudem eine größere Verbreitung, und wir glauben, dass gerade ein Verband wie der VNW auf diesem Weg kommunizieren muss, um beachtet zu werden. Zu guter Letzt: Wir sind auch dem sorgsamen und nachhaltigem Umgang mit den Beiträgen unserer Mitgliedsunternehmen verpflichtet. Über die Verwertung von Holz, steigende Papier- und Druckkosten muss ich Ihnen ja nichts erzählen.

Bei der DW sind Sie in Sachen Digitalisierung schon weit. Es lohnt sich aus meiner Sicht, die digitale Version der DW ‚in der Tasche‘ zu haben. Also: Herzlichen Glückwunsch zum 75. Geburtstag.


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Das Interview findet sich auch in der Print-Ausgabe der DW Die Wohnungswirtschaft 07/2023 .