Mietkauf: Alternative zum Immobilienkauf? – Makler zweifeln

Bauministerin Klara Geywitz und andere Politiker machen sich für Mietkaufmodelle stark – um die Wohneigentumsbildung zu beleben. Die Immobilienbranche senkt den Daumen. Der Maklerverband IVD zweifelt an der Umsetzbarkeit. Und kontert mit einer eigenen Idee.

Die Idee klingt bestechend: Weil es vielen Haushalten am nötigen Eigenkapital für den Erwerb von Wohneigentum fehlt, könnten sie doch den Kaufpreis über einen langen Zeitraum über die Miete bezahlen. Doch wer sich in der Branche umhört, merkt schnell: Fast niemand ist von diesem Mietkaufmodell überzeugt. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) war erst wenige Wochen im Amt, als sie in einem Interview mit dem Berliner "Tagesspiegel" einen weitreichenden Gedanken äußerte. Mit Blick auf den Mietkauf sagte sie: "Ich halte dieses Modell für interessant, gerade für die ostdeutschen Länder. Bekanntlich erben Ostdeutsche im Vergleich weit weniger als Westdeutsche, deshalb haben viele auch weniger Eigenkapital für die eigene Immobilie."

Mietkauf: Auch die FDP spricht sich dafür aus

Geywitz benannte damit ein Problem, das viele umtreibt, die sich eine höhere Wohneigentumsquote wünschen: Die stark gestiegenen Kaufpreise führen in Kombination mit den hohen Erwerbsnebenkosten dazu, dass selbst für viele Haushalte mit gutem Einkommen der Kauf einer Wohnung oder eines Hauses in weite Ferne gerückt ist – eben weil es am nötigen Eigenkapital fehlt. Diesen Gedanken nahm auch die FDP Nordrhein-Westfalen in ihr Programm für die Landtagswahl 2022 auf. "Wir wollen durch einen sozialen Wohnungskauf mehr Mieter zu Eigentümern machen", heißt es darin. Dazu gehöre auch "die Weiterentwicklung und Erprobung von Mietkauf-Ansätzen, die aus Käufer- wie Verkäufersicht ökonomisch sinnvoll sind".

Mit Mietkauf ist eine Variante des Immobilienerwerbs gemeint, bei dem der Mieter die von ihm bewohnte Immobilie nach einer bestimmten Frist kauft. Bezahlt wird das Haus oder die Wohnung dabei durch die Miete und eine zusätzliche Restsumme, wodurch eine Baufinanzierung überflüssig wird. "Somit", stellt der Baufinanzierungsexperte Dr. Klein fest, "stellt der Mietkauf für viele Mieter, die sich ein eigenes Heim wünschen, aber nur wenig oder gar kein Eigenkapital beisteuern können, eine Alternative zur Immobilienfinanzierung dar." Dennoch rät Dr. Klein zur Vorsicht. Denn durch versteckte Kosten und überteuerte Preise müssten Käufer beim Mietkauf meist mehr bezahlen als bei einer normalen Baufinanzierung.

Risiko beim Mietkauf

Kritisch äußert sich auch Dr. Reiner Braun, Vorstandsvorsitzender der Beratungsgesellschaft Empirica. Das Problem beim Mietkauf sei, dass dabei implizit zwei Verträge – ein Miet- und ein Kaufvertrag – geschlossen würden, wobei oft nicht klar geregelt sei, was Miete und was Anzahlung auf den Kaufpreis sei. "Außerdem", sagt Braun mit Blick auf die lange Mietkaufphase, "gehen sowohl Verkäufer als auch Käufer ins Risiko – der Käufer noch etwas mehr wegen der Gefahr, dass der Verkäufer Insolvenz anmelden muss."

Für Braun ist der Mietkauf deshalb "bisher ein Nischenprodukt, das mit großen rechtlichen Risiken behaftet ist". Interessant sei es nur für Gutverdiener, die (beispielsweise als Freiberufler) keinen Kredit bekämen. "Für Schwellenhaushalte", betont der Empirica-Chef, "kommt der Mietkauf nach dem bisherigen Modell hingegen nicht in Frage, weil er im Prinzip nichts anderes als eine teure Vollfinanzierung ist." Aber könnte vielleicht ein anderes Modell des Mietkaufs funktionieren?

Ansparkauf und Sozialkauf 

Dieser Frage ging Empirica in einer Studie nach, die das Institut Anfang 2022 im Auftrag der FDP-Landtagsfraktion von Nordrhein-Westfalen vorlegte. Darin entwerfen die Fachleute zwei Modelle: den Ansparkauf und den Sozialkauf. Der Ansparkauf zielt auf junge Mieterfamilien in beengten Wohnverhältnissen, die dringend eine größere Wohnung benötigen. Durch eine Ansparprämie soll in diesem Modell die öffentliche Hand die Voraussetzung dafür schaffen, dass der Haushalt Eigenkapital bilden und nach einer gewissen Zeit die neue Wohnung kaufen kann.

Einen anderen Ansatz verfolgt das Modell Sozialkauf. Dieses ist – anders als der Ansparkauf – als Soforthilfe zum Kauf der bisherigen Mietwohnung konzipiert. Dafür sollen die Mieterinnen und Mieter eine Sozialkaufprämie und unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich ein zinsgünstiges Mietkaufdarlehen bekommen. Flankiert werden sollen beide Modelle durch eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer.

Carolin Hagenbarth

Es hapert an der Realisierung

Die Studie "Ein Mietkauf-Modell für NRW. Vorschlag für eine praktische Umsetzung" verschweigt allerdings auch die Herausforderungen nicht. "Derzeit dürften am Markt nur wenige Angebote bereitstehen, die eine Anwendung eines der beiden Modelle ermöglichen", halten die Autoren fest. "Deshalb sollten zunächst in ausgewählten Modellkommunen Best-Practice-Beispiele angestrebt und realisiert werden." Auf Nachfrage wird Braun sogar noch deutlicher. "Ich glaube nicht, dass die von uns entwickelten Mietkaufmodelle realisiert werden", sagt er. "Denn sie brauchen eine hohe Förderung, und diese wird niemand bezahlen wollen."

Mit seiner Skepsis steht der Empirica-Chef nicht alleine da. Auch diejenigen Verbände der Immobilienwirtschaft, die eigentlich ein großes Interesse an einer Erhöhung der Wohneigentumsquote haben, winken beim Stichwort Mietkauf ab. Inhaltlich gar nicht äußern will sich der BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen – der Mietkauf sei für seine Mitglieder schlicht kein Geschäftsfeld. Bestätigt wird dieser Eindruck dadurch, dass sich auf den einschlägigen Immobilienportalen nur wenige Mietkauf-Angebote finden. Und wenn doch, handelt es sich meist um ausgesprochen schwierige Objekte. So bietet zum Beispiel ein Makler ein stark sanierungsbedürftiges Mehrfamilienhaus in Radegast (Sachsen-Anhalt) bei einem Kaufpreis von knapp 60.000 Euro auch im Mietkauf-Modell an.

IVD übt Kritk am Mietkauf – und schlägt Alternativen vor

Der Immobilienverband Deutschland (IVD) sieht in diesem Instrument ebenfalls kein Potenzial. "Aus unserer Sicht fehlt dem Mietkauf die allseits erhoffte Durchschlagsfähigkeit", sagt IVD-Bundesgeschäftsführerin Carolin Hegenbarth. "Wir bezweifeln, dass das Modell Mietkauf geeignet ist, der Wohneigentumsbildung den nötigen Impuls zu geben. Denn die Haftungs- und Ausfallrisiken innerhalb des Privatrechts sind sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer recht hoch." Der Mietkauf, so die Einschätzung von Hegenbarth, werde sich deshalb wohl nicht als Standardmodell des Immobilienerwerbs durchsetzen.

Enttäuscht wird auch, wer auf Rückenwind durch die Bundespolitik hofft. Das Bundesbauministerium prüfe zwar, inwieweit auch Mietkaufmodelle einen Beitrag zur Wohneigentumsbildung leisten könnten, teilt ein Ministeriumssprecher auf Anfrage mit. "Aktuell bestehen dazu jedoch noch viele offene Fragen. Das Bundesbauministerium wird dazu demnächst weitere Forschung/Begutachtung durchführen." Besser wäre es nach Ansicht des IVD, gleich auf ein anderes Modell zu setzen, nämlich auf den "Mieterkauf". "Es gilt, dem Mieter zu helfen, selber Eigentümer der Mietwohnung zu werden, die sein Zuhause ist", sagt Hegenbarth. "Dadurch erhoffen wir uns deutlich mehr Wohneigentumsbildung." Auch für den Verkäufer biete dieses Modell einen großen Vorteil, denn für eine Wohnung mit bestehendem Mietverhältnis fänden sich in der Regel weniger Kaufinteressenten als für leerstehende Wohnungen.

Makler: "Mieterkauf" statt Mietkauf 

Damit der "Mieterkauf" funktioniert, braucht es nach Ansicht des IVD jedoch einen Verzicht auf die Grunderwerbsteuer, einen steuerlichen Schuldzinsenabzug für Selbstnutzer und eigenkapitalersetzende Bürgschaften. Außerdem stehe das in vielen Städten geltende weitgehende Verbot, Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln, diesem Ansatz entgegen. Noch weiter gehen die Ideen von Braun. Er könnte sich ein Eigentumsrecht vorstellen, bei dem man über einen längeren Zeitraum verteilt einzelne Zimmer oder sogar Quadratmeter einer Wohnung kaufen kann. Mithilfe der Blockchain könnte demnach sichergestellt werden, dass Käufer und Verkäufer nicht wiederholt zum Notar gehen müssen.

"Damit würde das Insolvenzrisiko ausgeschaltet, da der Käufer im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Verkäufers ja Eigentümer eines Teils der Wohnung ist", argumentiert Braun. Oder sollte man sich vielleicht doch am Ausland orientieren? Wie aus der Empirica-Studie "Wohnungsmarkt Wien" hervorgeht, begründet in Österreich das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz den Anspruch eines Mieters auf den Erwerb seiner geförderten Wohnung, wobei die laufenden Mietzahlungen gewissermaßen der Tilgung des Fremdkapitals dienen. Wie viele geförderte Wohnungen in Wien tatsächlich von Mietern gekauft werden, wird laut der Empirica-Studie allerdings nicht erfasst.

Mietkauf: Pro und Contra

Vier Vorteile

Vier Nachteile

  • Immobilie wird vor dem Kauf bewohnt, mögliche Mängel werden frühzeitig entdeckt.
  • Kauf ist auch ohne Eigenkapital möglich.
  • Lösung für Selbstständige, die Probleme haben, eine Baufinanzierung zu erhalten.
  • Mietzahlungen werden auf den Kaufpreis angerechnet.
  • Auswahl an Angeboten ist gering.
  • Mietkauf ist in den meisten Fällen deutlich teurer als Sofortkauf.
  • Mietkauf ist risikoreich: Gerät der Verkäufer in Insolvenz, ist das Geld des Käufers weg.
  • In der Regel können keine staatlichen Fördermittel genutzt werden.
 

Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen  Ausgabe 07/2023 des Fachmagazins "Immobilienwirtschaft". Lesen Sie das gesamte Heft auch in der  Immobilienwirtschaft-App.

Schlagworte zum Thema:  Wohnungspolitik, Makler, Eigentumswohnung