Immobilienbranche fordert Solo-Bundesbauministerium

Die Ampel geht in die Koalitionsverhandlungen, da wärmt die Immobilienbranche eine alte Forderung auf: Ein eigenständiges Bundesministerium für Bauen und Wohnen muss her, sagen die einen, und ein PR-Gag verleiht dem Wunsch Nachdruck – andere sehen so ein Solo-Ministerium mit gemischten Gefühlen.

Die soziale Frage des Wohnens lasse sich nicht mit einem "Anhängsel-Ressort" lösen, sagte Robert Feiger, Chef der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau), noch während des Bundestagswahlkampfs. Kurz vor der Regierungsbildung wird der Ruf nach einem eigenständigen Bundesbauministerium aus Bauwirtschaft und Immobilienbranche wieder lauter. Auch der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW will endlich ein Bauministerium, das nicht nur in "Teilzeit" betrieben wird.

Der Wunsch scheint so verzweifelt zu sein, dass ein Team um GdW-Präsident Axel Gedaschko ein "Ministerium für gutes Wohnen" einfach erfunden hat, inklusive einer imaginären Ministerin und einer eigenen Webseite: "Endlich gibt es ein Ministerium, das sich wirklich dezidiert den großen gesellschaftlichen Herausforderungen im Bereich 'Wohnen' stellen kann: Dem Wohnungsmangel, den steigenden Mieten oder dem Klimaschutz im Wohnbereich", heißt es da unter anderem. Mit dem "PR-Gag" erregte der Verband zumindest neue Aufmerksamkeit, vielleicht auch bei der Politik.

Solo-Bundesbauministerium: Pro & Contra

Zu den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und FDP hat auch IG Bau-Chef Feiger seine Forderung nach einem eigenständigen Bau- und Infrastrukturministerium noch einmal erneuert. Das Thema "Bauen und Wohnen" müsse in der künftigen Bundesregierung endlich den Stellenwert bekommen, den es brauche. Die Ampel dürfe nicht den gleichen Fehler machen wie frühere Koalitionen und das Bauen lediglich als "politisches Beiboot mitziehen". Der Wohnungsbau müsse zentrale Aufgabe sein. Auch der Verein Architects for Future Deutschland unterstützt den Appell und will das Bauministerium am liebsten im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben.

Anders sieht das zum Beispiel Mike Groschek, Präsident Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung. Er sagte auf Nachfrage von Dirk Labusch, Chefredakteur des Haufe-Fachmagazins "Immobilienwirtschaft", im Zweifel sei ein kombiniertes Ministerium mit viel Einfluss und einer einflussreichen Führung wichtiger und besser als ein Bauministerium mit jemandem, der nichts zu sagen habe. Ein Wohnungsbauministerium, das nur eine Visitenkarte und ein Türschild hat, nütze nichts. "Wir brauchen eine Ministerin oder einen Minister, der sich sehr stark auf das Bauen konzentriert", so Groschek. Ein solches Ministerium müsse mit Kompetenzen und Haushaltsmitteln ausgestattet sein und dürfe nicht nur ein Papiertiger sein.

Ein eigenständiges Bauministerium ist keine neue Idee

Seit 1949 gab es ein Bundesministerium ausschließlich für die Themen "Bauen und Planen". 1998 wurde das Bauwesen dann in das Verkehrsministerium eingegliedert. Im Jahr 2013 wurden die Zuständigkeiten für Bauwesen, Bauwirtschaft und Bundesbauten sowie für Stadtentwicklung, Wohnen, ländliche Infrastruktur und öffentliches Baurecht dem Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit übertragen, bevor das Ressort schließlich im März 2018 dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) zugeordnet wurde. Das ist der Status quo.

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"Wohnraumoffensive 2.0": Politische To-do-Liste

Eine politische To-do-Liste für eine "Wohnraumoffensive 2.0" haben 34 Verbände, darunter auch der GdW, und Organisationen der Bau- und der Immobilienbranche bereits Ende Januar 2021 vorgelegt. Der Forderungskatalog an enthält acht zentrale wohnungsbaupolitische Punkte:

  1. Sozialen Wohnungsbau stärken: Um den Bestand an Sozialmietwohnungen zu stabilisieren, müssten mindestens 80.000 neue Sozialmietwohnungen pro Jahr gebaut werden. Die Fördermittel sollen laut Bündnis ab 2022 auf jährlich rund fünf Milliarden Euro erhöht werden.
  2. Umfeld für Investitionen verbessern: Die im August 2019 eingeführte Sonder-AfA für Mietwohnungen ist bis Ende 2021 befristet. Ab 2022 müssen alternative Förderinstrumente für betroffene Regionen her, fordert das Bündnis. Die Regel-AfA zeitnah von zwei auf drei Prozent angehoben werden.
  3. Wohneigentum: Dem Erwerb von Wohneigentum stehen oft die Kaufnebenkosten im Weg – konkret geht es dem Bündnis um das Senken oder Abschaffen der Grunderwerbsteuer bis zur Gebühr für den Grundbucheintrag. Das gelte vor allem für Ersterwerber. Zusätzlich soll das Baukindergeld, das Ende März 2021 ausgelaufen ist, in die Verlängerung gehen.
  4. Günstiges Bauland: Das Baulandmobilisierungsgesetz enthält dem Bündnis zufolge gute Ansätze. Die preisgünstige Vergabe öffentlicher Grundstücke und Bebauungspläne mit Kontingenten für preisgebundene Wohnungen müssen rasch realisiert werden.
  5. Energetisch sanieren: Bis 2045 soll der Gebäudesektor klimaneutral sein. Neben der steuerlichen Förderung energetischer Sanierungen von selbstgenutztem Wohneigentum muss auch die energetische Modernisierung von vermieteten Wohngebäuden durch Steuererleichterungen und Zuschussregelungen gefördert werden. Konzepte zur "Klima-Seriensanierung" sollen entwickelt und bezuschusst werden.
  6. Baurecht: Bei Kernsanierungen, Nutzungsänderungen, Aufstockungen oder Erweiterungen von Altbauten und Ersatzneubauten (Neubau nach Abriss) entfällt der Bestandsschutz. Das Bündnis fordert neue Strategien und bauordnungsrechtliche Anpassungen, um Baumaßnahmen im Bestand zu ermöglichen und zu fördern. Hier seien auch Änderungen im Baurecht erforderlich.
  7. Baustoff-Forschung: Für eine bessere Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft und eine nahezu CO2-neutrale Baustoffherstellung bis 2045 müssen weitere Fördermaßnahmen der Bundesregierung bei Forschung und Entwicklung sowie in der Bewertung von Baustoffen und Bauweisen her. Basis für den ökologischen Fußabdruck ist laut Initiative der komplette Lebenszyklus von Gebäuden. Der Staat muss dabei konsequent auf Technologieoffenheit setzen.
  8. Rechtliche Auflagen: Dem Ziel, mehr sozialen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, stehen dem Bündnis zufolge zu viele Gesetze, Verordnungen und Normen entgegen. Alle Regelungen sollen auf die "Sozial-Waage": Es muss streng und kritisch abgewogen werden, ob die Auflagen den sozialen und bezahlbaren Wohnraum teurer machen.

IVD-Reform-Agenda 2025: Lösungsvorschläge für die Wohnungspolitik

Unter dem Titel "Das Sowohl-als-auch-Prinzip" hat der Immobilienverband Deutschland (IVD) gemeinsam mit Wissenschaftlern und Experten eine wohnungspolitische Reform-Agenda erarbeitet, die am 10. Juni beim Deutschen Immobilientag (DIT) 2021 vorgestellt wurde.

"Unterschiedliche Lebenswirklichkeiten zu respektieren und nicht gegeneinander auszuspielen, sollte die Maxime einer zukünftigen Politik in Sachen Bauen und Wohnen sein. Wir sind überzeugt, dass viele scheinbar gegensätzliche Interessen in unserer Gesellschaft zu einer produktiven Koexistenz zusammengeführt werden können", so IVD-Präsident Jürgen Michael Schick.

Die Autoren schlagen in dem Positionspapier unter anderem vor, dass das Baukindergeld mit einer energetischen Komponente neu aufgelegt werden soll, die dann zieht, wenn Wärmeschutz oder Heizungsanlage energetisch verbessert werden. Auch sollte sozialer Wohnungsbau nicht nur auf Mietwohnungen beschränkt werden, sondern den Bezugsberechtigten die Perspektive auf Eigentumsbildung eröffnen, etwa mit einem Mietkaufprogramm.

"Unabhängig von allen Farbspielen denkbarer Koalitionsbildungen ist eines klar: Es muss eine Kurskorrektur in der Wohnungspolitik geben", sagte direkt nach der Bundestagswahl 2021 auch IVD-Präsident Jürgen Michael Schick. Damit sollte sich ein eigenständiges Bauministerium auseinandersetzen.

IVD-Reform-Agenda 2025


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Schlagworte zum Thema:  Wohnungsbau, Immobilienverband