Beim ersten Haufe Real Estate Summit am 18.5.2021 in Hamburg haben unsere Moderatoren mit führenden Köpfen aus der Immobilien- und Wohnungswirtschaft gesprochen – über Themen, die die Branche bewegen. Von Klimawandel bis Mieterkommunikation.

Der Klimawandel schreitet voran, daran hat auch die Corona-Pandmie nichts geändert. Auf den kältesten April seit Jahrzehnten folgte der kälteste Mai … Wetterexperten sehen das in Kombination mit großer Trockenheit als weiteren Beleg für den fortschreitenden Klimawandel und nicht als Widerspruch zur Erderwärmung. Dazu kommt ein verschärftes Klimapaket der Bundesregierung, das die Immobilienbranche herausfordert. Und während draußen kalter Regen fiel, entbrannte im eigens dafür aufgebauten TV-Studio im Hamburger Hotel Le Méridien eine heiße Diskussion zum Thema "Wie der Klimawandel die Stadtentwicklung beeinflusst".

Iris Jachertz, Chefredakteurin des Branchenmagazins "DW Die Wohnungswirtschaft" begrüßte zu ihrem Talk Julia Antoni, Bereichsleiterin Unternehmensentwicklung von der Bauverein AG aus Darmstadt, Luisa Ropelato, Vorsitzende und Mitgründerin der Initiative Architects for Future aus Bremen, und Dieter Becken, Geschäftsführender Gesellschafter der Becken Holding GmbH aus Hamburg.

Für das Erreichen der Klimaziele ist der Neubau nicht entscheidend

In einem Punkt waren sich die Diskussionsteilnehmer einig: Der Neubau ist nicht das "Problem". Es kann heute so gebaut werden, dass die Klimaneutralität erreicht wird. Luisa Ropelato von der Bremer Initiative Architects for Future sagt hier sogar, dass heute nur noch in Ausnahmefällen neu gebaut werden sollte. Deutschland sei bereits gebaut. Außerdem sei nahezu die Hälfte des Energieausstoßes eines Gebäudes auf die Herstellung zurückzuführen, der quasi automatisch eingespart werde, wenn nicht neu gebaut, sondern der Bestand umgenutzt wird.

Für Julia Antoni von der Darmstädter Bauverein AG ist die Energieversorgung der Hebel zum klimaneutralen Gebäude. Solarthermie und Dach- oder Fassadenbegrünung seien "nice to have", aber ein Großteil der CO2-Emissionen komme aus der Energieversorgung, speziell der Wärmeversorgung also müsse hier etwas getan werden, denn nur so könne man den CO2-Ausstoß signifikant senken. Wie Antoni hat auch Ropelato die energetische Sanierung im Fokus: Sie fordert eine Umstellung zu regenerativen Systemen. Der Bestand müsse dringend flächendeckend mit lokalen nachhaltigen Materialien energetisch saniert werden. Im Moment verschleudere man hier unglaublich viel Heizenergie, die in 80 Prozent der Fälle fossil erzeugt werde.

Für Dieter Becken von der Hamburger Becken Holding GmbH wird sich im Aussehen unserer Städte bedingt durch den Klimawandel nur wenig ändern. Aber er meint, dass künftig moderne Technologien dafür Sorge tragen werden, dass Immobilien die Klimaziele erreichen, indem sie die benötigte Energie größtenteils selbst erzeugen und dadurch ihren CO2-Ausstoß deutlich senken. Voraussetzung hierfür sei auch eine Vernetzung von Technologien. Becken setzt auf die Forschung. Die werde in den kommenden Jahren große Fortschritte erzielen, sodass Verbesserungen und Neuheiten vor allem auch wirtschaftlich miteinander vernetzt werden können.

Klimaziele: Teil der gesellschaftlichen Aufgabe

Becken sagte: "Die Klimaziele können nur erreicht werden, wenn die Gesellschaft an deren Realisierung glaubt. Auch Mieter müssen akzeptieren, dass Wohnen und Nutzen von Immobilien künftig mehr kosten wird." Die Politik müsse dafür Sorge tragen, dass steuerliche Hürden abgebaut und Anreize beispielsweise durch bessere Bedingungen für Abschreibungen geschaffen werden. Der Staat solle erforderliche Maßnahmen zinslos fördern und mit einem geringen Tilgungsansatz. So hätten auch Eigentümer, die nicht über die finanziellen Mittel verfügen, die Möglichkeit, ihre Häuser so umzubauen, dass sie für die Zukunft werthaltig sind. "Eine Abwertung für nicht klimakonforme Immobilien wird kommen", das steht für Becken fest.

Becken machte klar: "Die Politik muss aufpassen, dass sie die Klimaschutz-Zielvorgaben im Zuge der erneuten Verschärfung nicht überfordert. Es besteht ansonsten die Gefahr, dass sich daraus eine Frustration entwickelt und eine Überforderung der Verantwortlichen einsetzt." Auch Antoni sieht die Politik in der Pflicht, Anreize für energetische Sanierungen zu schaffen. Sie wünscht sich hier seitens des Staates eine klare Fokussierung auf die Klimaziele. 

Ropelato stellte die Frage, wie die Menschen künftig wohnen wollen. Die Wohnfläche pro Kopf steige in Deutschland stetig sie schlug etwa vor, Räume gemeinsam zu nutzen. Das wirke nicht nur der Vereinsamung in vielen Single-Haushalten entgegen, sondern könne auch dazu beitragen, Energie und Ressourcen einzusparen.

Quartiersansatz und Stadt als urbane Rohstoffmine

Antoni sprach sich für den Quartiersansatz im Bestand aus. Der Erfolg liegt in der Effizienz. So könnten zum Beispiel Technologien für ganze Straßenzüge verwendet werden, die sich für einzelne Häuser nicht rechneten. "Solarstrom versorgt nicht nur die Gebäude, sondern auch die E-Ladestationen davor", so Antoni. Anreize für den Quartiersansatz schaffe unter anderem die staatliche Förderbank KfW: Sie trägt 65 Prozent der Kosten für die Erstellung von Quartierskonzepten.

Für Ropelato sind Städte nicht zuletzt urbane Rohstoffminen. "Es kann nicht sein, dass wir unsere Rohstoffe immer nur einmal nutzen und dann als Sondermüll entsorgen müssen. Es braucht ein Konzept für den Lebenszyklus von einem Gebäude, das beinhaltet welche Rohstoffe in dem Gebäude gespeichert sind und wie man sie lokal wiederverwenden kann", sagte sie.

Das Fazit

Um einen klimaneutralen Bestand im vorgegebenen Zeitfenster zu schaffen, braucht es die Unterstützung des Staates, sei es durch Förderprogramme oder steuerliche Entlastungen für entsprechende Investitionen. Es ist heute kein Problem mehr, klimaneutrale Gebäude zu bauen oder zu sanieren – allerdings muss die Bezahlbarkeit gewährleistet bleiben! Dennoch sollte sich die Gesellschaft darüber klar werden, dass es die Klimaneutralität nicht zum Nulltarif geben wird.