Expo Real 2025: Tanzen, um zu vergessen
Jörg Seifert (Managing Editor "Immobilienwirtschaft"):
ESG und KI: Zwischen Anspruch und Realität
Klar wurden auf der Expo Real auch 2025 wieder die großen Zukunftsthemen der Immobilienwirtschaft – Nachhaltigkeit, ESG, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz – diskutiert. Doch während die Visionen nach wie vor hochfliegen, zeigt die immobilienwirtschaftliche Praxis eher ein ernüchterndes Bild: Politische Blockaden und nicht ganz ausgegorene technologische Reifeprozesse bremsen den Fortschritt.
ESG: Bremsklotz statt Beschleuniger
So hoch die Erwartungen an ESG auch waren, haben doch die politischen Entwicklungen die mögliche Dynamik erheblich gebremst. Denn die EU-Regulierungen rund um Taxonomie und CSRD sind durch politische Querelen zwischen Trump-ähnlichen Kräften in Europa und immer größerem partiellen nationalem Widerstand ins Stocken geraten. Manche Unternehmen nutzen diese Verzögerung als öffentliche Ausrede für eigene Passivität. Doch das ist ein gefährlicher Fehler. Denn insbesondere Investoren verlangen weiterhin klare und transparente ESG-Kennzahlen, unabhängig von regulatorischen Vorgaben. Deswegen finden Klimamaßnahmen im Bestand eigentlich nur zum Erzielen von höheren Verkaufspreisen statt. Im Betrieb lahmen diese sehr.
In München wurde trotzdem deutlich: Wer jetzt nicht proaktiv handelt, riskiert zumindest langfristig Wettbewerbsnachteile. Vor allem Tools zur freiwilligen Portfolioanalyse, zur Steuerung und Überwachung der technischen Anlagen sowie klimaneutrale Bauprojekte stachen hervor. Diese zeigen, dass es ja auch ohne regulatorischen Druck möglich ist, nachhaltige Maßnehmen zu ergreifen – allerdings nur bei klarer strategischer und vielleicht eher mittelfristiger Zielsetzung.
Künstliche Intelligenz: Viel Hype, wenig Praxis
Bei der Digitalisierung – man kann es fast nicht mehr hören – hinkt die Branche nach wie vor hinterher. Zwar wurde auch in diesem Jahr wieder viel über Künstliche Intelligenz gesprochen, doch konkrete Anwendungen bleiben Mangelware. Abseits von Chatbots oder automatisierten Prozessen im Marketing fehlt es an praxistauglichen Lösungen mit echtem Mehrwert für Asset Management oder Gebäudebetrieb.
Vielversprechend klangen Ansätze wie KI-gestützte Risikoanalysen oder dynamische Flächenplanung. An Ihrer Marktreife aber vor allem am passenden Platz in der IT-Struktur bestehen noch so manche Praxiszweifel. Ein weiteres Hindernis bleibt das Datenmanagement: Solange Datensilos bestehen und Schnittstellen fehlen, können selbst fortschrittlichste Algorithmen ihr Potenzial nicht entfalten. Auch hierbei ruhen jedoch viele Hoffnungen auf KI.
Die Expo Real 2025 offenbarte eine zentrale Erkenntnis: Anspruch und Realität klaffen in den Schlüsselthemen ESG und KI weit auseinander. Politische Stillstände und technologische Reifeprobleme dürfen jedoch keine Entschuldigung sein. Denn Kapitalgeber wie Mieter verlieren ihre Geduld mit Zauderern schnell. Wer jetzt handelt, verschafft sich einen entscheidenden Praxisvorteil in einer zunehmend fordernden Marktlandschaft.
Dirk Labusch (Chefredakteur "Immobilienwirtschaft"):
Wo ist der Aufbruch?
Sie waren wieder alle da, zumeist in ihrem Mikrokosmos. Die Verbände auf ihrem Verbandsstand, die Lebensmittelhändler in B3, die Techis im Transform & Beyond-Bereich. Dazwischen die Banken, die Kommunen und die vielen anderen, die zur Immobilienwirtschaft gehören. Floaten in den Hallen, Ausruhen in den Foren. Das ist die Spielwiese auf jeder Expo. Nur am Montag stockte das Spiel: Drinnen wars zu voll, denn draußen wars nass.
Wohnen im Mittelpunkt
Die Lebenszyklus-Studie-des Pestel-Instituts zur Eröffnungspressekonferenz zeigt: Wohnen ist im Mittelpunkt der Expo Real angekommen. Pestel-Vorstand Günther mahnte zur Steigerung der Wohnungsbautätigkeit eine Entschlackung der Förderlandschaft an. Er forderte ein breit aufgestelltes Kreditprogramm für die Wohnungs- und Bauwirtschaft.
Das Herz der Ministerin
Die Bundesbauministerin kam, aber sie ließ ihr Herz nicht auf der Expo Real. Das gehört den Mietern und den PropTechs, nicht den Maklern, nicht der gewerblichen Immobilienwirtschaft. Viel Kritik wurde laut am Bauturbo, der nicht die große Wende bringen wird, weil die Bundesregierung im gleichen Atemzug die Mietpreisbremse verlängerte. Auch die Dickschiffe der Branche, die Lenker großer Bauunternehmen wie die Zech Group, versprühten auf dem Panel Pessimismus. Der Satz "Lasst uns über Lösungen sprechen, nicht über Probleme", wurde zwar mit Verve vorgetragen. Aber er wurde nicht beherzigt.
Ein Panel zur Zukunft von Büroimmobilien war äußerst gut besucht. Nicht, weil die Assetklasse so sexy ist. Hier bahnt sich ein Problem an mit dem alten Office-Bestand, der kaum wiedervermietbar erscheint.
Nach all den Diskussionen im Vorfeld: Nachhaltigkeit und ESG bleibt wichtig, eine Veranstaltung zum Thema war voll. Der Bereich in Halle A3, Transform & Beyond, war belebt und von der Messe ansprechend gestaltet. Nur wird das Thema inzwischen anders angepriesen: als unabdingbare Voraussetzung, um auch weiterhin mit Immobilien Geld verdienen zu können.
Im Kommen: Defense Real Estate
Defense Real Estate war neu. Die Verteidigungsindustrie könnte zum Katalysator für den deutschen Immobilienmarkt werden. Panels zu diesem Thema bordeten über. Es war die Rede von bis zu sechs Millionen zusätzlichen Quadratmetern an Flächennachfrage bis 2030. Schöne neue Welt!
Gerald Makuzwa (Redakteur "Immobilienwirtschaft"):
Sorgenkind Career Day
Degewo-Vorständin Sandra Wehrmann analysiert die Lage im eigenen Unternehmen schonungslos: "In den nächsten zehn Jahren verlieren wir ein Drittel unserer Belegschaft.“ Gemeint ist der massive Boomer-Abgang im eigenen Haus.
Beim Career Day – der Recruiting- und Networking-Plattform für den Immobiliennachwuchs am dritten Tag der Expo Real – ist das Wohnungsunternehmen allerdings nicht vertreten. Immerhin: Frau Wehrmann macht es sich offen zur Aufgabe, die Problematik rechtzeitig anzugehen. Ein alternativloser Weg im Kleinen.
Kampf um Fachkräfte verstärkt sich …
Im Großen stellt sich die Lage mindestens genauso dramatisch dar: Bis 2036 werden 20 Millionen Babyboomer den Arbeitsmarkt verlassen – der Kampf um junge Fachkräfte wird härter denn je. Umso erstaunlicher ist, dass der Career Day immer noch ein Stiefkind der Expo Real bleibt.
Und der Trend ist enttäuschend. "Im vergangenen Jahr haben noch 46 Immobilienunternehmen teilgenommen, in diesem Jahr sind es nur 36", verrät eine Presseangestellte. Eine rückläufige Entwicklung, obwohl die Dringlichkeit steigt. Warum so wenige der rund 1.700 Aussteller dieses Angebot wahrnehmen, bleibt offen. An den 2.000 Euro Standgebühren kann es jedenfalls nicht liegen.
Typisch Immobilienbranche mal wieder? Das wäre allenfalls die halbe Wahrheit. Selbst in anderen Branchen, die ebenso vom demografischen Wandel und Fachkräftemangel betroffen sind, stoßen solche Angebote bei Unternehmen kaum auf Gegenliebe, so eine Vertreterin der Messe München. Bei einer Logistikmesse habe man ein ähnliches Konzept ausprobiert – eine Art Speed Dating für Arbeitgeber und Nachwuchs. Die Resonanz sei so gering gewesen, dass man das Ganze nach wenigen Versuchen wieder eingestellt habe, sagt sie mit fast schon verzweifelter Miene.
… aber der Career Day verliert an Zugkraft
Beim Career Day der Expo Real übernimmt der Veranstalter die komplette Organisation und den Aufbau der Stände. Alles, was die Unternehmen tun müssten, wäre, ihre Recruiter für einen Vormittag zur größten Immobilienmesse Europas zu schicken. Wir schütteln mit den Köpfen und schauen uns ratlos an. Macht es Sinn, das Konzept in dieser Form weiterzuführen oder muss es vielleicht überdacht werden? Die ehrliche Antwort, frei übersetzt und in drei Buchstaben zusammengefasst: TBD.
Es ist nicht so, dass die Immobilienbranche nicht wüsste, was auf sie zukommt. Das Bewusstsein ist da – aber Gegenmaßnahmen werden oft so lange hinausgeschoben oder das Problem wird kleingeredet, bis Handlungsdruck entsteht: so bei eklatantem Wohnungsmangel, so bei der Umsetzung nachhaltigen Bauens oder der Digitalisierung der Branche; so auch bei der drohenden Refinanzierungswelle – und augenscheinlich ebenso beim Fachkräftemangel und dem demografischen Wandel.
Spannend waren immerhin die Panels mit jungen Personalverantwortlichen der Branche. Ihre Titel lauten aber nicht "Personalleiterin" oder "HR-Managerin", sondern "People Manager" oder "Relationship Manager". Es geht um KI und digitale Bewerbungsprozesse – Themen, die nicht nur Chancen, sondern auch Gefahren mit sich bringen. Und genau deshalb bleibt der persönliche Kontakt das A und O. Und deshalb nehmen sie, als Vertreter der neuen Personalgeneration, mit ihren Arbeitgebern am Career Day teil.
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