Berlin ist speziell. Die Stadt hat den Mietendeckel, eine mehrstufige Verwaltung und zumindest eine Branche, die unter all dem leidet. Berlin hat viele Chancen – auch ein paar Probleme. Und eine Immobilienwirtschaft, die Lust hat, zu deren Lösung beizutragen.

Wie die Lösung aussehen könnte, diskutierten in Berlin vier Experten: Bernd Duda, Geschäftsstellenleiter der Berlin Hyp, Stefanie Frensch, Geschäftsführerin Becker & Kries, Dr. Christian Schede, Managing Partner bei Greenberg Traurig, und Carsten Sellschopf, Geschäftsführer Instone Real Estate Development. Moderiert hat Dirk Labusch, Chefredakteur der "Immobilienwirtschaft".

Dirk Labusch: Herr Duda, Berlin ist in vielen Bereichen im Aufbruch. Da passt das Thema "Mietendeckel“ nicht ganz dazu …

Bernd Duda: Nein ... es wird auf einmal viel mit Ängsten in der Bevölkerung gearbeitet, nach dem Motto: "Es wird dir etwas weggenommen, dein Quartier verändert sich". Vor 100 Jahren wurde das heutige Berlin geformt. Da gab es die Entscheidung, aus vielen Vorortgemeinden und einzelnen Städten ein Groß-Berlin zu machen. Diese Begeisterung von damals müssen wir den Menschen wieder stärker vermitteln.


Dr. Christian Schede: Wir müssen uns zurück besinnen auf das, was den Berlin-Boom tatsächlich ausgelöst hat. Berlin steht für Freiheit und Kreativität – auch historisch. Gerade in den letzten fünf Jahren haben Berliner diese Freiräume genutzt und die Hinterhöfe wiederbelebt. Daran muss sich die Zukunft Berlins auch wieder messen.


Carsten Sellschopf: Wir reden tatsächlich mehr über Regulation als darüber, wie man Wohnungen schafft. Dabei ist klar, dass wir mehr Wohnungen in bezahlbaren Segmenten brauchen. Im Moment gibt es keine Antworten auf die wirklich wichtigen Fragen.

Aber die Diskussion um den Mietendeckel ist ja nicht völlig unverständlich.

Schede: Regulierung ist wichtig. Wofür ich jedoch kein Verständnis habe, ist, dass wir mit der Debatte über Enteignung und Mietendeckel zwölf Monate schlicht verschwendet haben. Von der Politik hätte im September (2019, Anm. der Redaktion) kein Mietendeckelgesetz-, sondern ein Neubaubeschleunigungsgesetzentwurf kommen sollen. Wir hätten uns auf dieses Thema konzentrieren müssen.

Sellschopf: Dass es ein vernünftiges Rahmenwerk geben muss, ist für mich jenseits jeder Diskussion. Aber es braucht auch Angebote, und wir haben an anderer Stelle tatsächlich welche gemacht. Damals war die Diskussion über das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung noch gar nicht richtig geführt worden. Wir haben im Quartier Luisenpark unter anderem 139 überwiegend geförderte Wohnungen realisiert. Da waren wir am Start zu einem Zeitpunkt, zu dem viele noch überlegt haben, wie sie dagegen klagen können.

Berliner Unternehmerrunde 2020 Gruppenbild

Und die Verwaltung hat mitgezogen?

Sellschopf: Ja, damals wurde kons­truktiv zwischen Investoren und Verwaltung an einer Lösung gearbeitet, die dann zeitnah in Bau gegangen ist. Dieser Geist sollte unser zukünftiges Handeln, auch in Politik und Verwaltung, prägen.

Schede: Die Enteignungs- und Mietendeckeldiskussion ist tatsächlich ein Weckruf in Sachen sozialer Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft. Ich glaube, wir sollten uns daran erinnern, dass es ein Dreieck der Nachhaltigkeit geben muss: Eine Maßnahme muss ökologisch sein und sozial. Aber eben auch die wirtschaftliche Nachhaltigkeit ist wichtig. Die Maßnahme muss sich für Unternehmen lohnen. Ich wünsche mir, dass die Verantwortlichen in der Stadtentwicklungspolitik auch letzteren Aspekt realisieren.

Auch Fehler der Immobilienwirtschaft

Aufgabe der Politik?

Schede: Das war zunächst natürlich eine Sache der Politik, aber vielleicht hätten wir auch als Immobilienwirtschaft Entwürfe konkretisieren müssen, um der Politik zu erklären, was sie auf den Tisch bringen soll.

Stefanie Frensch: Es ist ein gewisses Novum, als Gesamtbranche gemeinschaftliche Lösungen zu schaffen. Aber wichtig ist doch: Wir sollten tatsächlich nicht immer nur auf Lösungsvorschläge aus der Politik warten. Wichtig wäre im Gegenzug aber auch, dass jeder Akteur auch einmal zurücksteckt hinter dem Gedanken, dass er nur für sich selbst und sein Unternehmen optimiert wirtschaften will.

Ich höre Selbstkritik?

Frensch: Wenn wir uns einen Vorwurf machen müssen, ist das der, dass wir es als Branche nicht geschafft haben, vor einem Jahr eine Selbstverpflichtung für nachhaltiges Handeln als Immobilienwirtschaft einzugehen. Denn der Mietendeckel, so wie er jetzt kommt, ist meines Erachtens viel problematischer, als es eine Selbstverpflichtung mit Augenmaß gewesen wäre.

Schede: Trotz allem: Was wir im Moment erleben, ist für mich unverhältnismäßig. Wir wollen ein Problem lösen, indem wir ein Gesetz auf den Weg bringen, das einen massiven Eingriff darstellt: in die Vertragsfreiheit, die Auftragslage im Handwerk, den Rechtsfrieden zwischen Vermieter und Mieter. Dabei könnten wir, ohne private Freiheitsräume zu tangieren, uns selbst als Staat vernünftig organisieren.

Verwaltung und Immobilienwirtschaft: Immer gegeneinander?

Kann die Immobilienwirtschaft in irgendeiner Form der Verwaltung helfen?

Frensch: Klar. Wir können der Verwaltung zum Beispiel anbieten, B-Plan-Verfahren durch eigenes Management zu unterstützen. Die Frage ist, wie wir die Transparenz herstellen und wo wir ansetzen. Hier muss aber auch die Immobilienbranche Vorschläge machen – und hat sie in der Baulandkommission schon erarbeitet.

Sellschopf: Ich bin im Verband Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) aktiv. Aus diesem Kreis heraus haben wir die Frage diskutiert, wie wir in der Verwaltung Technologien implementieren können, die in der Branche State of the Art sind. Das Thema „digitale Bauakte“ wäre so etwas. Wir haben versucht, niedrigschwellige Angebote zu formulieren. Bei uns gibt es ganz einfache Plan-Server, mit denen wir seit Jahrzehnten arbeiten, und wir tragen teilweise noch Bauanträge in 40-facher Ausfertigung in die Behörde. Die werden dann verteilt, später kommt alles gestempelt zurück, und dann ist das Papier eigentlich überflüssig. Diese Verfahrensschritte lassen sich stark beschleunigen. Aber das sind Themen, bei denen die Verwaltung auch wirklich mit wollen muss.

Frensch: Das große Problem sind die unterschiedlichen Vergütungen. Im Bezirk wird man schlechter bezahlt als im Land. Im Land wird man schlechter bezahlt als im Bund. Und alle drei Ebenen sind in Berlin vorhanden. Eine Angleichung von Vergütungsstrukturen in Bezirk und Bund wäre nicht ganz so schlecht.

Können bessere Technik und Innovation Berlins Probleme lösen?

Frensch: Sicher nicht allein – wenn Akzeptanz und politische Beförderung fehlen. Es ist eine Tatsache, dass sich Bezirke in Berlin verändert haben, dass es eine gewisse Gentrifizierung gegeben hat. Aber die Chancen, die in der Weiterentwicklung liegen, müssen gesamtstädtisch gesehen werden.

Was ist mit den Umlandgemeinden?

Frensch: Da wird man als Investor oder Entwickler sehr freundlich empfangen. Langsam, aber sicher gewöhnt sich die Bevölkerung daran, im Umland zu leben. Das wäre übrigens das Ungüns­tigste, was Berlin passieren kann: Die Steuern gehen ins Umland, und die Pendlerstrecken nach Berlin sind permanent verstopft.


Mehr von den Experten sehen und hören Sie im Video (oben) und in unserem Podcast L'Immo.

In gedruckter Version erscheint das vollständige Interview in der Beilage Region-Report Berlin, zur " Immobilienwirtschaft", Ausgabe 03/2020

Schlagworte zum Thema:  Unternehmer, Immobilienwirtschaft, Berlin