Schriftformheilungsklauseln sind unwirksam

Schriftformheilungsklauseln in gewerblichen Mietverträgen sind stets unwirksam und können eine auf einen Schriftformverstoß gestützte ordentliche Kündigung nicht verhindern. Das hat der BGH entschieden und damit eine umstrittene Frage geklärt.

Hintergrund: Vermieter nutzt Schriftformmangel zur Kündigung

Die Vermieterin von Gewerberäumen verlangt vom Mieter nach einer ordentlichen Kündigung die Räumung.

Der Mietvertrag wurde im Dezember 1998 schriftlich geschlossen. 2009 hat die Vermieterin das Gebäude erworben und ist in den Mietvertrag eingetreten.

In zwei schriftlichen Nachträgen von 2006 und 2009, die jeweils auf die bisherigen Vertragsdokumente Bezug nehmen, wurden Änderungen am Mietvertrag vereinbart.

Die ursprüngliche Wertsicherungsklausel wurde durch eine Klausel ersetzt, nach der sich die Miete ändert, sobald sich der Verbraucherpreisindex für Deutschland um mindestens 10 Punkte verändert. Bei einer Umbasierung oder Einstellung des Index sollte der dem bisherigen Index am nähesten kommende neue Index treten.

Zudem wurde eine feste Mietzeit bis zum 31.5.2020 mit einer einmaligen Verlängerungsoption für den Mieter vereinbart.

Schließlich enthielt der zweite Nachtrag folgende Regelung:

„Die Parteien verpflichten sich gegenseitig, … jederzeit alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis gemäß § 550 BGB, insbesondere im Zusammenhang mit dem Abschluss dieses Nachtrages sowie weiteren Nachträgen, Genüge zu tun und bis dahin den Mietvertrag nicht unter Berufung auf die Nichteinhaltung der Schriftform vorzeitig zu kündigen.“

Bereits der erste Nachtrag enthielt eine ähnliche Klausel.

Im Januar 2011 teilte die Vermieterin dem Mieter schriftlich mit, die Wertsicherungsklausel dahingehend ändern zu wollen, dass bei einer Veränderung des Verbraucherpreisindex um 5 Prozent eine entsprechende Änderung der Miete eintreten solle. Der Mieter vermerkte auf dem Schreiben handschriftlich „6 Prozent einverstanden“, unterschrieb den Vermerk und sandte das Schreiben an die Vermieterin zurück.

Am 20.6.2014 erklärte die Vermieterin die ordentliche Kündigung zum 31.12.2014. Der Mieter beruft sich auf die vereinbarte Vertragslaufzeit bis Mai 2020, die die Vermieterin mangels Schriftform des Mietvertrages für unwirksam hält.

Entscheidung: Schriftformmangel nicht geheilt, Kündigung trotzdem ausgeschlossen

Die Räumungsklage hat keinen Erfolg. Der Mietvertrag entspricht zwar nicht (mehr) der Schriftform, die Vermieterin ist aber nach Treu und Glauben daran gehindert, sich auf den Schriftformmangel zu berufen.

Schriftform war ursprünglich eingehalten

Der ursprüngliche Mietvertrag entsprach der Schriftform, und auch bei den Nachträgen von 2006 und 2009 war die Schriftform gewahrt. Die Nachträge nahmen hinreichend deutlich auf den ursprünglichen Vertrag Bezug, führten die geänderten Regelungen auf und ließen erkennen, dass es im Übrigen bei den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrages bleiben sollte.

Nicht erforderlich war es, auf der Urkunde des Ausgangsvertrages auf die Nachträge hinzuweisen. Die erforderliche gedankliche Verklammerung zwischen ursprünglichem Vertrag und Nachtrag wird vielmehr im jeweiligen Nachtrag hergestellt, der durch die Dokumentation der Änderungen und durch die Inbezugnahme des Ausgangsvertrags des im Übrigen fortgeltenden Regelungsbestands den aktuellen Vertragsstand wiedergibt.

Dritter Nachtrag zerstört Schriftform

Die Schriftform des Mietvertrages wurde aber durch den Nachtrag von 2011, mit dem die Indexklausel geändert wurde, zerstört. Dem Schreiben der Vermieterin mit dem handschriftlichen Zusatz des Mieters fehlt es an einer ausreichenden Bezugnahme auf den Ursprungsvertrag und die Nachträge.

Folge des Verstoßes gegen die Schriftform ist, dass der Mietvertrag gemäß § 550 BGB als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt und grundsätzlich jederzeit eine ordentliche Kündigung unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist möglich ist.

Berufung auf Schriftformmangel ausgeschlossen

Die Vermieterin kann sich hier aber nicht auf das Fehlen der Schriftform berufen

Schriftformheilungsklausel ist unwirksam

Das ergibt sich allerdings nicht schon aus der im 2. Nachtrag enthaltenen Schriftformheilungsklausel, nach der die Vertragsparteien zur Nachholung der Schriftform verpflichtet sind.

Schriftformheilungsklauseln, die eine generelle Verpflichtung der Vertragsparteien enthalten, Schriftformverstöße jeglicher Art nachträglich zu beseitigen, um so eine „vorzeitige“ Vertragsbeendigung durch ordentliche Kündigung zu unterbinden, sind stets unwirksam. Das gilt unabhängig davon, ob sie durch Individualvertrag oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden. Der Rechtsprechung, die Schriftformheilungsklauseln in bestimmten Fällen für wirksam hält, erteilt der BGH ausdrücklich eine Absage.

§ 550 BGB enthält zwingendes Recht. Das Schriftformerfordernis bei langfristigen Mietverträgen soll nicht nur sicherstellen, dass ein Grundstückserwerber, der als Vermieter in ein langfristiges Mietverhältnis eintritt, dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Mietvertrag ersehen kann. Es dient auch dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden zwischen den ursprünglichen Mietvertragsparteien zu gewährleisten und diese vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen.

Mit Blick auf diesen Schutzzweck sind Schriftformheilungsklauseln nicht mit § 550 BGB vereinbar. Dies gilt unabhängig davon, ob sie wie hier zusätzlich eine Verpflichtung enthalten, von einer Kündigung wegen des Schriftformfehlers abzusehen.

Kündigung wegen Treu und Glauben ausgeschlossen

Die Vermieterin konnte sich aber deshalb nicht auf den Schriftformmangel berufen, weil die Vertragsänderung, die zum Wegfall der Schriftform geführt hat, auf ihr Drängen erfolgt war und ausschließlich Ihren Interessen gedient hat. Durch die geänderte Indexklausel war es der Vermieterin wesentlich früher möglich, eine Mieterhöhung durchzusetzen, als dies bei der ursprünglichen Klausel der Fall gewesen wäre. Es verstößt gegen Treu und Glauben, wenn eine Mietvertragspartei eine nachträglich getroffene Abrede, die lediglich ihr vorteilhaft ist, allein deshalb, weil sie nicht die schriftliche Form wahrt, zum Anlass nimmt, sich von einem ihr inzwischen lästig gewordenen langfristigen Mietvertrag zu lösen.

(BGH, Urteil v. 27.9.2017, XII ZR 114/16)

Mehr zur Bedeutung dieser Entscheidung für die Praxis lesen Sie hier:

Unsicherheit für Investoren: BGH erleichtert Kündigungen von Gewerbemietverträgen


Lesen Sie zum Thema „Schriftform“ auch diese BGH-Entscheidungen:

BGH: Doppelte Schriftformklausel verhindert mündliche Vertragsänderung nicht

BGH: Vertragsübernahme kann Schriftform des Mietvertrags zerstören

BGH: Grundstückskäufer muss Schriftformmangel nicht heilen

BGH: Anpassung von Nebenkosten zerstört Schriftform nicht

BGH: Anpassung der Miete nach Indexänderung kann Schriftform unterliegen

§ 550 BGB Form des Mietvertrags

Wird der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit. Die Kündigung ist jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Wohnraums zulässig.

Schlagworte zum Thema:  Mietvertrag, Mietrecht, Immobilienverwaltung