Doppelte Schriftformklausel verhindert mündliche Änderung nicht

Eine doppelte Schriftformklausel in einem Gewerbemietvertrag, die formularmäßig vereinbart wurde, kann nicht verhindern, dass die Vertragsparteien mündlich oder stillschweigend Änderungen am Vertrag vereinbaren.

Hintergrund: Doppelte Schriftformklausel im Mietvertrag

Die Vermieterin und der Mieter von Gewerberäumen streiten über die Wirksamkeit von Kündigungen zweier Mietverträge.

Die Mietverträge, die zunächst keine Laufzeit enthielten, wurden im Dezember 2005 beziehungsweise Mai 2006 schriftlich geschlossen. Als Vertragszweck war die Lagerung bestimmter, näher bezeichneter Waren genannt. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthielten die Verträge die Regelung, dass Vertragsänderungen einschließlich Änderungen der Schriftformklausel nur wirksam sein sollen, wenn sie schriftlich vereinbart sind (doppelte Schriftformklausel).

Im Juli 2006 bestätigte die Vermieterin dem Mieter in einem Schreiben, dass auch das „Lagern von handelsüblichen Waren“ gestattet sei.

In einem schriftlichen Nachtrag zum Mietvertrag vereinbarten die Parteien im November 2014, dass das Mietverhältnis nun auf bestimmte Zeit bis zum 31.12.2016 laufen solle.

Im Februar 2015 kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis unter anderem ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Der Mieter meint, eine ordentliche Kündigung sei wegen der fest vereinbarten Laufzeit ausgeschlossen. Die Vermieterin meint, da die 2006 vereinbarte Vertragsänderung nicht in Schriftform erfolgt sei, sei die Schriftform insgesamt nicht eingehalten, so dass die Befristung unwirksam sei.

Entscheidung: Individualabrede hat Vorrang vor doppelter Schriftformklausel

Die Vermieterin konnte den Mietvertrag vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit ordentlich kündigen, weil der Vertrag nicht der Schriftform entsprach.

Nachdem die Parteien im November 2014 nachträglich eine bestimmte Laufzeit des Mietvertrages vereinbart hatten, galt für den gesamten Vertrag das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB. Die bereits im Juli 2006 vereinbarte Änderung des Vertragszwecks war allerdings nicht in Schriftform getroffen worden, so dass der Vertrag insgesamt nicht der Schriftform entsprach. Dies hat gemäß § 550 BGB zur Folge, dass der Vertrag für unbestimmte Zeit geschlossen war und ordentlich gekündigt werden konnte.

Hieran ändert die durch AGB vereinbarte doppelte Schriftformklausel nichts. Die nicht in schriftlicher Form erfolgte Vertragsänderung war nicht wegen Verstoßes gegen die doppelte Schriftformklausel unwirksam.

Ausdrücklich offen lässt der BGH die Frage, ob eine formularmäßig vereinbarte doppelte Schriftformklausel in einem Gewerbemietvertrag überhaupt wirksam ist. Denn die Klausel bleibt hier jedenfalls wirkungslos, weil Individualvereinbarungen Vorrang haben.

Für eine in einem Formularvertrag enthaltene einfache Schriftformklausel hat der BGH dies schon entschieden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Parteien eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen beabsichtigt haben oder sich der Kollision mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch nur bewusst geworden sind. Unerheblich ist auch, ob die Individualvereinbarung ausdrücklich oder stillschweigend getroffen worden ist. Den Vorrang gegenüber Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben individuelle Vertragsabreden ohne Rücksicht auf die Form, in der sie getroffen worden sind, und somit auch, wenn sie auf mündlichen Erklärungen beruhen. Das gilt selbst dann, wenn durch eine AGB-Schriftformklausel bestimmt wird, dass mündliche Abreden unwirksam sind.

Zwischen einfacher und doppelter Schriftformklausel sind insoweit keine maßgeblichen Unterschiede erkennbar. Der Vorrang der Individualvereinbarung muss bei beiden auch dann gewahrt bleiben, wenn man ein Interesse des Verwenders anerkennt, einem langfristigen Mietvertrag nicht durch nachträgliche mündliche Abreden die Schriftform zu nehmen, und deshalb eine solche Klausel ausnahmsweise als wirksam ansieht. Das gebieten Sinn und Zweck des § 305 b BGB, wonach vertragliche Vereinbarungen, die die Parteien für den Einzelfall getroffen haben, nicht durch davon abweichende Allgemeine Geschäftsbedingungen durchkreuzt, ausgehöhlt oder ganz oder teilweise zunichte gemacht werden können. Allgemeine Geschäftsbedingungen können und sollen nur insoweit Geltung beanspruchen, als die von den Parteien getroffene Individualabrede dafür Raum lässt. Vereinbaren die Parteien - wenn auch nur mündlich - etwas anderes, so kommt dem der Vorrang zu.

Das Interesse des Klauselverwenders oder gar beider Vertragsparteien, nicht durch nachträgliche mündliche Absprachen die langfristige beiderseitige Bindung zu gefährden, muss gegenüber dem von den Parteien später übereinstimmend Gewollten zurücktreten. Es kommt - anders als bei einer individuell vereinbarten doppelten Schriftformklausel - auch nicht darauf an, ob die Parteien bei ihrer mündlichen Absprache an die entgegenstehende Klausel gedacht haben und sich bewusst über sie hinwegsetzen wollten

(BGH, Beschluss v. 25.1.2017, XII ZR 69/16)

Lesen Sie zur Schriftform auch:

BGH: Anpassung von Nebenkosten zerstört Schriftform nicht

BGH: Grundstückskäufer muss Schriftformmangel nicht heilen


Einfache und doppelte Schriftformklausel

Bei den Schriftformklauseln wird zwischen der einfachen und der doppelten beziehungsweise qualifizierten Schriftformklausel unterschieden. Eine einfache Schriftformklausel sieht vor, dass Änderungen und Ergänzungen des Vertrages der Schriftform bedürfen. Die doppelte Schriftformklausel regelt zusätzlich, dass auch die Schriftformklausel ihrerseits nur schriftlich geändert werden kann.

Schlagworte zum Thema:  Mietvertrag, Mietrecht, Formvorschrift