EY-Trendbarometer: Bodenbildung am Immobilieninvestmentmarkt

Zwölf Jahre dauerte der Superzyklus am deutschen Immobilienmarkt – mit der Zinswende kam der Abschwung, der 2023 einen weiteren Tiefpunkt erreichte. Für 2024 erwartet laut einer Umfrage von EY Real Estate jeder dritte Investor wieder mehr Dynamik. Vorbei ist die Krise aber nicht.

Der Investmentmarkt erlebte 2023 das zweite Jahr in Folge einen signifikanten Einbruch: Das Transaktionsvolumen mit Immobilien lag mit 29,3 Milliarden Euro – diese Summe wurde zuletzt 2011 unterschritten – noch einmal 56 Prozent unter dem Wert des Vorjahres mit 67 Milliarden Euro. Bereits 2022 betrug das Minus gegenüber dem Rekordjahr 2021 (113,8 Milliarden Euro) 40 Prozent.

Wie eine Umfrage von EY Real Estate zeigt, rechnet nur noch ein Viertel der Investoren mit einem weiteren Transaktionsrückgang 2024 – im vergangenen Jahr waren es noch 80 Prozent. 45 Prozent der Umfrageteilnehmer prognostizieren nun eine Seitwärtsbewegung, knapp ein Drittel sogar eine zunehmende Dynamik.

Für das Trendbarometer "Immobilien-Investmentmarkt" wurden rund 250 Investoren befragt, die in den vergangenen Jahren am deutschen Immobilienmarkt aktiv waren.

Restrukturierungsbedürftige Immobilien: Angebot steigt

"Langsam verdichten sich die Zeichen einer Bodenbildung am Investmentmarkt. Die Krise überwunden haben wir allerdings noch nicht", sagt Florian Schwalm, Managing Partner bei EY Real Estate und Autor der Studie. "Leider sind auch weitere Insolvenzen entlang der Wertschöpfungskette alles andere als unwahrscheinlich. Dies wiederum setzt die Marktpreise der Assetklasse Immobilien weiter unter Druck."

92 Prozent der befragten Investoren erwarten weitere Abwertungen und 93 Prozent ein zunehmendes Angebot restrukturierungsbedürftiger Immobilien – auch durch auslaufende Finanzierungen. Während eigenkapitalstarke Bestandshalter den Fokus eher auf das Asset Management legen, wie mehr als drei Viertel (77 Prozent) der Investoren sagen, geht eine Mehrheit von 82 Prozent davon aus, dass in dieser Marktphase Investoren mit Opportunistic- oder Value-Add-Fokus die aktivste Käufergruppe bilden.

Projektentwicklern droht nach Ansicht aller Befragten auch 2024 noch ein schwieriges Jahr: Eine Ausweitung der Insolvenzwelle auf Bauunternehmen und Zulieferer wird von 87 Prozent der Marktteilnehmer erwartet.

Immobilienfinanzierung: Umfeld bleibt herausfordernd

Der Anteil der Investoren, die Deutschland derzeit als weniger attraktiv einstufen, hat im Vergleich zum Vorjahres-Barometer leicht, von 36 auf 42 Prozent, zugenommen – immer noch mehr als die Hälfte bewertet den hiesigen Markt als attraktiv. Obwohl die Umfrageteilnehmer schwerpunktmäßig der Immobilienwirtschaft zuzuordnen sind, präferiert rund ein Drittel 2024 andere Anlageklassen.

"Einige Vorteile, die Immobilieninvestments in der Niedrigzinsphase vor allem gegenüber anderen Anlagen hatten, greifen nicht mehr. Gleichzeitig kommt im Zuge insbesondere energetischer Ertüchtigungen mehr denn je zum Tragen, dass Immobilien sehr arbeitsintensive Anlageobjekte sein können", sagt Paul von Drygalski, Director bei EY Real Estate und ebenfalls Studienautor. Die zunehmende Regulierung lasse Investoren außerdem eher zurückhaltend agieren.

Das Finanzierungsumfeld bei den Banken bleibt rau: 82 Prozent der Investoren prognostizieren eine Konzentration auf kleinere Kreditvolumina, 91 Prozent gehen von steigenden Eigenkapitalanforderungen aus, nur rund die Hälfte denkt, dass Immobilienbanken eine ausreichende Risikovorsorge betrieben haben. Die Finanzierung über den Kapitalmarkt ist aufgrund der stark gestiegenen Refinanzierungskosten derzeit unattraktiv, sagen 81 Prozent der Befragten.

Aufhellung im Wohnsegment: Steigende Preise erwartet

Für Wohnimmobilien in sehr guten Lagen erwarten die von EY Real Estate befragten Investoren im Jahr 2024 steigende (29 Prozent) oder konstante (47 Prozent) Preise. Nur für schwächere Lagen geht die Hälfte der Befragten noch von sinkenden Kaufpreisen aus. Bei der Umfrage 2023 wurden mehrheitlich sinkende Preise erwartet.

Der Neubau von Wohnungen macht den meisten Investoren auch weiterhin Sorgen: 95 Prozent der Befragten stufen die ergriffenen oder geplanten politischen Maßnahmen als unzureichend ein. Sie sehen die Lösung in verlässlichen Rahmenbedingungen – etwa bei der Wohnungsbauförderung –, die Beschleunigung der Baurechtsschaffung sowie die Vereinheitlichung und Vereinfachung der Bauordnungen auf Bundesebene.

"Der Wohnungsneubau erlebt einen perfekten Sturm", so Schwalm, "und das liegt nicht nur an erschwerten Finanzierungsbedingungen." Es gebe viele Hebel, die nur endlich auch betätigt werden müssten. Als prägende Trends am Markt sehen 74 Prozent der Akteure die Konversion von Büroflächen in moderne Wohnkonzepte und ein Abebben Stadtflucht, die mit Beginn der Pandemie eingesetzt hatte (62 Prozent). In der Aufteilung der CO2-Kosten sieht mehr als die Hälfte (58 Prozent) der Befragten einen positiven Anreiz zur Verbesserung der Energieeffizienz von Wohngebäuden.

Büroimmobilien: Markt dreht zum Mietermarkt

Für Büroimmobilien erwarten die für das EY-Trendbarometer 2024 befragten Investoren wie schon 2023 weiter sinkende Preise. Laut 82 Prozent der Marktakteure kann ohne vermieterseitige Incentives kein langfristiger Mietvertragsabschluss mehr erzielt werden. 80 Prozent der Befragten gaben an, dass ein gestiegenes Qualitätsbewusstsein bei schlecht ausgestatteten Büroflächen sinkende Mieten bewirkt. Rund zwei Drittel (69 Prozent) der Umfrageteilnehmer beobachten vermehrt verbindliche Anwesenheitsregeln bei Unternehmen – allerdings gehen 77 Prozent davon aus, dass 2024 durch Homeoffice ein unsichtbarer Leerstand ausgelöst wird.

"Auf dem Büromarkt erleben wir gerade einen 'war for tenants', die Mieter geben den Ton an", sagt von Drygalski. Der Büromarkt – traditionell die zentrale Spielwiese professioneller Immobilieninvestoren – habe sich zu einem Mietermarkt gedreht. Eigentümer müssen sich auch künftig strecken, um die Werte zu sichern.

Auch bei Einzelhandelsimmobilien und im Hotelsegment gehen die Investoren 2024 überwiegend von sinkenden Preisen aus. Nur Logistikimmobilien beweisen Resilienz: Hier werden lageunabhängig überwiegend stabile Preise erwartet.

Immobilienmarkt: Zinsniveau bleibt prägender Faktor

Gefolgt vom demografischen Wandel bleibt aus Sicht der Investoren die Zinsentwicklung auch 2024 der wichtigste Trend für den deutschen Immobilienmarkt, wenn auch drei Viertel der Marktteilnehmer laut EY Real Estate kein weiter steigendes Zinsniveau erwarten.

Mit der Zinswende haben der Klimawandel und die Digitalisierung vorübergehend an Bedeutung verloren. Allerdings wird die Preisdifferenzierung zwischen "grünen" und "braunen" Immobilien weiter zunehmen (92 Prozent) und taxonomiekonforme Immobilien werden bessere Finanzierungskonditionen erhalten (68 Prozent). Mehr als zwei Drittel der Marktteilnehmer werten den Ansatz "Manage to ESG" als wirtschaftlich lohnend.

Im Bereich der Digitalisierung nimmt vor allem das Bewusstsein für die Anwendungsmöglichkeiten von Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) zu: 47 Prozent erwarten dadurch wesentliche Veränderungen für das Geschäftsmodell, 37 Prozent prüfen die Anwendung und sieben Prozent nutzen KI bereits im Geschäftsalltag.

EY-Trendbarometer Immobilien-Investmentmarkt 2024


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