
Jahrelang machten Rekordumsätze an den Immobilienmärkten Anlegern eine Freude – seit 2022 geht es deutlich bergab. Laut Umfrage von EY Real Estate schrumpfte das Transaktionsvolumen um mehr als 40 Prozent. Und die Prognosen für 2023 sind ebenfalls nicht rosig.
Rund 67 Milliarden Euro wurden im vergangenen Jahr mit deutschen Gewerbeimmobilien und Wohnimmobilienportfolios gehandelt – das sind rund 40 Prozent weniger als ein Jahr zuvor mit knapp 114 Milliarden Euro. Damit wurde 2022 in etwa das Niveau des Jahres 2016 erreicht. Die große Mehrheit (zirka 80 Prozent) der Investoren erwarten für 2023 ein noch weiter sinkendes Transaktionsvolumen. Nur vier Prozent prognostizieren einen Anstieg, 18 Prozent eine Seitwärtsbewegung.
Das sind Ergebnisse des aktuellen Investment-Trendbarometers von EY Real Estate. Von den rund 250 befragten Immobilieninvestoren beurteilten außerdem mehr als ein Drittel (36 Prozent) Deutschland als "weniger attraktiv", im Vorjahr sagten das nur vier Prozent der Experten. Zwei Drittel (66 Prozent) halten den hiesigen Markt für "attraktiv" oder "sehr attraktiv": So urteilten im Vorjahr noch 96 Prozent.
"Die Vorzeichen haben sich fundamental gedreht: Wir beobachten nicht nur teils eingefrorene Transaktionsmärkte, sondern auch sinkende Preise über die meisten Nutzungsarten und Lagen hinweg", sagt Studienautor Florian Schwalm, Managing Partner bei EY Real Estate.
Zeitenwende am Immobilienmarkt: sinkende Preise überall
Bei Büro-, Einzelhandels-, Hotel- und sogar Wohnimmobilien erwarten die meisten Umfrageteilnehmer sinkende Preise. Nur bei Logistikimmobilien geht eine knappe Mehrheit der Investoren noch von stabilen Preisen aus – eine positive Preisentwicklung wird aber auch hier nicht mehr erwartet. Grund für die Zurückhaltung ist die Diskrepanz der Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern, heißt es in der Studie – noch vor Unklarheiten über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung oder ESG-Risiken.
Potenzielle Käufer warten derzeit lieber ab, während Verkäufer auf das gewohnte Preisniveau bestehen. "Dieses Phänomen lähmt den Transaktionsmarkt in Krisenzeiten seit jeher – sei aber erfahrungsgemäß vorübergehend", erklärt Paul von Drygalski, Director bei EY Real Estate und ebenfalls Autor der Studie. Derzeit erwarteten rund zwei Drittel der Umfrageteilnehmer, dass sich Käufer und Verkäufer noch im laufenden Jahr wieder auf eine gemeinsame Preisbasis verständigen werden.
Megatrends: Zinswende und demografischer Wandel
Am Finanzierungsmarkt erwartet für das Jahr 2023 eine Mehrheit der Investoren erschwerte Anschlussfinanzierungen (99 Prozent), einen zunehmenden Eigenkapitalbedarf (94 Prozent), häufigere Kreditausfälle (89 Prozent), ein weiter steigendes Zinsniveau (88 Prozent) – auch das Neugeschäft dürfte rückläufig sein (83 Prozent). Der Neubau leidet laut Studie unter den neuen Rahmenbedingungen. Fast alle Befragten (99 Prozent) stimmen der Aussage zu.
Bei den Megatrends hat sich etwas verschoben: Die Zinsentwicklung und der demografische Wandel lösen die im Vorjahr relevantesten Trends Digitalisierung und Klimawandel ab. Rund drei Viertel der Investoren meinen, dass PropTechs besonders unter der wirtschaftlichen Situation leiden.
Energiekrise: Druck auf Kostenseite
Knapp neun von zehn der befragten Marktakteure sind der Meinung, dass die hohen Energiekosten Anreize zur energetischen Transformation des Gebäudebestandes setzen. Mehr als 60 Prozent gehen davon aus, dass die Energiekosten die Liquidität von Bestandshaltern gefährden werden. Und 91 Prozent der Investoren erwarten, dass in diesem Jahr mehr restrukturierungsbedürftige Immobilien zum Kauf angeboten werden. "Die Energiekrise erzeugt immensen Druck auf der Kostenseite und verschärft die Notwendigkeit der energetischen Sanierung im Gebäudesektor", sagt Schwalm.
Allerdings gaben auch 88 Prozent der Befragten an, dass gezielte "Manage-to-Green"-Strategien durch fehlende Erfahrungswerte und Benchmarks erschwert werden. Zudem kennen zirka zwei Drittel (60 Prozent) die Taxonomie-Konformitätsquote ihres Portfolios nicht. 90 Prozent der Anleger meinen, dass die ESG-Due-Diligence künftig wesentlicher Teil der Ankaufsprüfung wird.
Wohnimmobilien: Trendumkehr zur kleineren Fläche
Im Segment der Wohnimmobilien erwarten überraschenderweise 81 Prozent der für das EY-Trendbarometer befragten Investoren eine Trendumkehr: So könnten die steigenden Nebenkosten zukünftig zu einem geringeren Flächenverbrauch pro Kopf führen. Im Bürosegment hingegen sehen die Befragten trotz erschwerter Marktbedingungen einen positiven Trend: Die hohen Energiekosten könnten dazu führen, dass wieder regelmäßiger im Büro gearbeitet wird, meinen 60 Prozent der Umfrageteilnehmer.
Für das Einzelhandelssegment erwarten 92 Prozent der Befragten Inoslvenzen im Non-Food-Bereich. Gründe sind steigende Verbraucherpreise, eine sinkende Kaufkraft und hohe Energiekosten. Das Segment "Hotelimmobilien" wird nach Prognose von 96 Prozent der Investoren weiter erheblich unter dem Fachkräftemangel leiden.
EY-Trendbarometer Immobilien-Investmentmarkt 2023
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