Einzelhandelsmarkt: Deutsche Innenstädte im Wandel

Einkaufsstraßen suchen nach ihrer neuen Rolle. Trends, die sich schon vor Corona abzeichneten, verstetigen sich, wie eine aktuelle Studie zeigt. Spannende Shop-Konzepte sind gefragt, nicht mehr so sehr Filialisten. Gastronomie als Erlebnismoment erlebt ein Revival in der City.

Zum dritten Mal in Folge haben CT Real Estate Partners Germany und Bulwiengesa die “Highstreets” von 141 deutschen Städten unter die Lupe genommen. Mehr als 150 zentrale Einkaufsstraßen, rund 150 innerstädtische Shoppingcenter und etwa 19.600 Shops wurden untersucht.

Über alle Städte hinweg entfallen 77 Prozent der Stores auf Einzelhandelsmieter, dazu kommen einzelhandelsnahe Dienstleistungen (neun Prozent) und 14 Prozent gastronomische Angebote.
Nach wie vor ist der Modehandel mit einem Anteil von 32 Prozent in den zentralen Einkaufsstraßen die dominierende Warengruppe. Die Spitzenposition geraten jedoch ins Wanken, heißt es in dem Report – was nicht zuletzt auch für die zunehmende Diversifikation in den Highstreets spreche.

Gastronomie: Das Erlebnis belebt die City

Während 2020 noch 7.028 Stores aus der Warengruppe “Modischer Bedarf” in den untersuchten Highstreets vertreten waren, lag die Zahl laut Studie im Jahr 2022 bei nur noch 6.227 Stores. Das ist ein Rückgang um elf Prozent. Die stärksten relativen Zugewinne verzeichneten der “Sonstige periodische Bedarf” (plus 15 Prozent) und die "Betriebe ohne Sortimentsschwerpunkt" (plus neun Prozent), wobei beide Warengruppen weniger als zwei Prozent am Gesamtanteil aller Stores ausmachen.

Die größte absolute Zunahme (plus sieben Prozent) in den "Highstreets" ist laut der Untersuchung im Gastronomiesegment zu beobachten. Dies könne als Indikator für den Wunsch nach mehr Aufenthalts- und Erlebnisqualität gedeutet werden, meinen die Analysten. Der Anteil der Gastronomie in den zentralen Einkaufsstraßen sei auf sehr vielfältige Art und Weise gewachsen: In Shops fänden sich immer häufiger kleine Café-Bereiche, die während und nach dem Shopping zum Verweilen einladen.

Die öffentlich zugänglichen Flächen vor den Gebäuden würden von den Stores oder den ansässigen Gastronomen genutzt, was zu einer Belebung und Aufwertung des öffentlichen Raumes beitrage, eine besondere Atmosphäre schaffe und die "Highstreets" zum Treffpunkt nicht nur für Shopping-Begeisterte mache, heißt es in dem Report.

Innenstädte: Auch nach Ladenschluss Magnet

Grundsätzlich sei festzustellen, so die Studienautoren, dass die Relevanz der Aktivierung der Innenstädte auch nach Ladenschluss in den Köpfen der Akteure angekommen sei. Dabei spiele auch die Implementierung von kulturellen Angeboten eine große Rolle, die für eine höhere Frequentierung und eine entsprechende Identifikation mit dem Standort sorge.

Neben der Gastronomie erobern demnach derzeit auch viele “Discountierende Multisortimenter” die "Highstreets": Im Zuge der zunehmenden Durchmischung der zentralen Einkaufsstraßen sind laut der Untersuchung immer mehr Geschäfte wie Euroshop, Woolworth und Action zu finden. Diese hätten ihre Präsenz in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut und verzeichneten Shopzuwachsraten im zweistelligen Bereich.

Weniger Filialisten, mehr lokale Anbieter

Egal ob Einzelhandel, einzelhandelsnahe Dienstleister oder Gastronomie: Im Jahr 2022 war laut Studie im Vergleich zu 2020 ein Rückgang des Filialisierungsgrades zu verzeichnen. Gleichzeitig habe der Anteil der lokalen Akteure in den deutschen "Highstreets" zugenommen. So seien sieben Prozent der Shops im Einzelhandel, 29 Prozent der einzelhandelsnahen Dienstleister und sieben Prozent der Gastronomie-Standorte Fachgeschäfte und Anbieter mit nur einem Standort in den untersuchten Städten oder ausschließlich regional agierende Filialisten.

Zu beobachten sei außerdem, dass Filialisten die Bereinigung der Filialnetze fortsetzten, egal ob nationale oder internationale Shops. Die strategische Flächenkonsolidierung, bei der Filialisten auf weniger Standorte setzten, habe sich 2022 unter anderem in den Bereichen Nahrungs- und Genussmittel sowie Drogerie und Gesundheit gezeigt – vor allem Anbieter mit einem vormals sehr großen Filialnetz hätten die Anzahl ihrer Dependancen deutlich reduziert, so die Analysten.

Shopping-Center auf dem absteigenden Ast?

Neu in die Innenstädte integriert werden laut Studie zunehmend neue Konzepte – vom Kulturcafé über Fahrradwerkstätten bis hin zu Shops, in denen man Pakete abholen und die online bestellte Kleidung direkt anprobieren kann. Auch Anbieter des täglichen Bedarfs fänden ihren Weg in die Highstreets.

Und nicht nur neue Shops gebe es, auch der “Look” der zentralen Einkaufsstraßen ändere sich, schreiben die Analysten. Neubauten hätten häufiger begrünte Fassaden und trügen damit nicht nur zu optischen Varianten bei, sondern seien auch ein aktiver Beitrag zu einer nachhaltigen und klimafreundlichen Transformation der Innenstädte. Zudem realisierten Projektentwickler verstärkt energetisch neutrale Gebäude und sogar Plus-Energie-Gebäude – auch in den Stadtzentren.

Zu den Verlierern gehören innerstädtische Shopping-Center: Bei der Untersuchung verzeichnete die 1A-Lage einen Zugewinn an Mietern (plus vier Prozent), während es bei den Shopping-Centern ein Mieter-Minus in gleicher Höhe gab (minus vier Prozent). 

"Top 7"-Städte: Stuttgart mit gegenläufigen Trends

Bei Betrachtung der sieben größten deutschen Städte ("Top 7") zeigen sich laut dem Report ebenfalls einige der bundesweit beobachteten Entwicklungen: In Bezug auf den Anteil des modischen Bedarfs verzeichne München mit einem Minus von 5,4 Prozent gegenüber 2020 den größten Rückgang. Derzeit liegt der Anteil der Modeläden dort bei 33 Prozent. Unter den "Top 7" konnte nur Stuttgart eine positive Bilanz ziehen (plus ein Prozent) und liegt nun bei 32 Prozent Modegeschäften in den Highstreets.

Auch im Bereich der Gastronomie entwickelte sich Stuttgart (minus 2,5 Prozent) entgegen dem Trend der "Top 7" und liegt nun bei einem Anteil von 16 Prozent. Mit einem Gastronomie-Anteil von rund 25 Prozent (plus 2,9 Prozent) rangiert Hamburg auf Platz eins im Vergleich zu den anderen Metropolen.

Hinsichtlich des Filialisierungsgrades haben nahezu alle "Top 7" im Vergleich zu 2020 einen Rückgang zu verzeichnen – nur Stuttgart hielt das Niveau. Mit einem Minus von acht Prozent war der Rückgang in Berlin am stärksten. Hier liegt der Filialisierungsgrad aktuell bei 60 Prozent.

"Wir haben in diesem Jahr gesehen, dass Trends, die sich bereits vor Corona abzeichneten und dadurch zusätzlich beschleunigt wurden, sich nun langsam verstetigen", fasst Iris Schöberl, Managing Director Germany und Head of Institutional Clients bei CT Real Estate Partners Germany, die Studie zusammen. Die Highstreets müssten ihre künftige Rolle neu definieren und annehmen. Handel und Innenstädte täten gut daran, die Transformation gerade jetzt voranzutreiben. Hierfür müssten die Stakeholder stärker in den Austausch gehen und "zusammen mutig sein".


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