Höhe des Mutterschutzlohns bei Saisonarbeit

§ 18 Satz 2 MuSchG kann bei tariflichen Jahresarbeitszeitmodellen mit saisonal stark schwankender variabler Vergütung nach einer aktuellen Entscheidung des BAG extensiv dahingehend auszulegen sein, dass zur Ermittlung des als Mutterschutzlohn zu zahlenden durchschnittlichen Arbeitsentgelts auf einen zwölfmonatigen Referenzzeitraum abzustellen ist. Entsprechendes kann in derartigen Fällen für den Referenzzeitraum zur Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld nach § 20 Abs. 1 Satz 2 MuSchG gelten.

Der Fall: Stewardess hat stark schwankende Einkünfte

Die Klägerin ist Flugbegleiterin und erhält neben ihrem Grundgehalt eine Mehrflugstundenvergütung sowie sog. Bordverkaufsprovisionen. Zwischen Mai und Dezember 2018 waren dies zwischen 380 und 900 Euro pro Monat. Von Januar bis April 2019 erhielt sie nur Bordverkaufsprovisionen zwischen null und 54 Euro monatlich. Im Mai 2019 wurde sie schwanger und im Februar 2020 bekam sie ihr Kind. Abgesehen von den Mutterschutzzeiten bestand für die Flugbegleiterin ein Beschäftigungsverbot.

Das Flugunternehmen hatte für den Mutterschutzlohn die durchschnittliche variable Vergütung aus dem Referenzzeitraum Februar bis April 2019 zugrunde gelegt und diesen um den Teilzeitfaktor in Höhe von 83 % gekürzt. Die Klägerin war jedoch der Ansicht, dass bei dessen Berechnung ein längerer als der gesetzlich vorgesehene dreimonatige Referenzzeitraum nach § 18 S. 2 MuSchG heranzuziehen sei, weil ihre variable Vergütung über das Jahr saisonbedingt stark schwanke.

Das Arbeitsgericht und das LAG Köln (Urteil vom 8.4.2022, Az. 10 Sa 670/21) gaben der Klägerin Recht. Dagegen wehrte sich die beklagte Arbeitgeberin nun vor dem BAG.

BAG: Der Referenzzeitraum ist zu verlängern

§ 18 Satz 2 MuSchG kann bei tariflichen Jahresarbeitszeitmodellen mit saisonal stark schwankender variabler Vergütung nach dem Urteil des BAG vom 31.5.2023 (Az. 5 AZR 305/22) extensiv dahingehend auszulegen sein, dass zur Ermittlung des als Mutterschutzlohn zu zahlenden durchschnittlichen Arbeitsentgelts auf einen zwölfmonatigen Referenzzeitraum abzustellen ist. Entsprechendes kann in derartigen Fällen für den Referenzzeitraum zur Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld nach § 20 Abs. 1 Satz 2 MuSchG gelten.

Nach seinem Wortlaut stelle § 18 Satz 2 MuSchG auf einen dreimonatigen Referenzzeitraum ab. Damit sei ein fester Zeitraum vorgesehen, der grundsätzlich auch bei schwankender Vergütungshöhe gelten soll. Allerdings soll nach der gesetzlichen Regelung zugleich ein „durchschnittliches Arbeitsentgelt“ ermittelt und als Mutterschutzlohn gezahlt werden. In besonders gelagerten Fällen und bei bestimmten Arbeitszeitmodellen kann dieses nach Ansicht des BAG durch einen dreimonatigen Referenzzeitraum nicht zutreffend abgebildet werden. Unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Leistung spreche die Gesetzeshistorie und -begründung dafür, dass dann ausnahmsweise eine Anpassung des Referenzzeitraums vorzunehmen ist. Diese Verlängerung des Referenzzeitraums auf ein Jahr sei bereits in den Jahresarbeitszeitmodellen des für die Klägerin geltenden Tarifvertrags angelegt.

Wichtig für die Praxis

Die Berechnung des Mutterschutzlohns ist bei variablen (s. dazu die Entscheidung des LAG Niedersachsen vom 20.2.2023), wie bei schwankenden Vergütungen für den Arbeitgeber nicht einfach. In der arbeitsrechtlichen Literatur war schon lange vertreten worden, dass es in Sonderfällen möglich sein müsse, bei schwankenden Vergütungen den Referenzzeitraum zu verlängern. Dem folgt das BAG in der hier vorgestellten Entscheidung und schafft damit für alle Beteiligten Rechtssicherheit.