Cannabis-Legalisierung: Konsequenzen für Arbeitsschutz

Das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (KCanG) ruft - neben einer breiten Diskussion von Experten über mögliche Chancen und Risiken - auch Verantwortliche im Arbeitsschutz auf den Plan. Das Gesetz zur Entkriminalisierung tritt in 2 Stufen in Kraft. Seit 1. April 2024 können Erwachsene Cannabis legal konsumieren. Arbeitgeber müssen Gefährdungsbeurteilungen aktualisieren und geeignete Maßnahmen festlegen, um Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu gewährleisten.

Konsum von Alkohol und Drogen: Geltende Vorschriften

Die DGUV Vorschrift 1 regelt bereits jetzt, dass Versicherte sich durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen dürfen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können (§ 15 Abs. 2). Unternehmer dürfen Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen (§ 7 Abs. 2). Beide Regelungen gelten also auch, wenn dies durch Cannabiskonsum verursacht wird. Weitere Pflichten für Beschäftigte legen §§ 15 Abs. 1 und 16 ArbSchG fest.

Mögliche Risiken von Cannabis-Konsum

Unter Einfluss von Cannabis konnten – in Abhängigkeit von Dauer und Menge - Angst- und Panikgefühle, Orientierungslosigkeit, verminderte Reaktionsfähigkeit, Erinnerungslücken, depressive Verstimmung, Herzrasen, Übelkeit oder Schwindel und Halluzinationen beobachtet werden. Der Konsum bei Kindern und Jugendlichen wird von Experten als kritisch eingestuft, da sie besonders anfällig für psychische, physische und soziale Auswirkungen sind: Neben körperlicher und psychischer Abhängigkeit können u.a. gestörte Gehirnentwicklung sowie ein erhöhtes Risiko für Psychosen und Depressionen mögliche Folgen sein. Leistungs- und Reaktionsfähigkeit können beeinträchtigt werden, beobachtet werden u.a.: Erhöhte Lichtempfindlichkeit, Euphorisierung, Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses, erhöhte Risikobereitschaft oder Gleichgültigkeit gegenüber Gefahren.
Eine Dosis-Wirkung-Beziehung ist bisher nicht bekannt, auch einen Grenzwert gibt es derzeit nicht. Gutachter bei Arbeitsunfällen orientieren sich an einem Wert > 1 ng Tetrahydrocannabinol (THC) im Blut.
Medizinalcannabis ist im Gegensatz zu Konsumcannabis als Arzneimittel verschreibungspflichtig. Regelungen sind nicht im KCanG, sondern in einem eigenen Gesetz (MedCanG) festgelegt. 

Grenzwerte für THC im Straßenverkehr 

Eine Expertenkommission schlägt in Bezug auf Fahrtüchtigkeit im Straßenverkehr als Grenzwert 3,5 ng THC je ml Blutserum vor. Dieser Wert ist vergleichbar mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille. Aktuell liegt bei > 1 ng THC/ml eine Ordnungswidrigkeit vor. Derzeit führen in Deutschland Arbeits- oder Wegeunfälle unter Einfluss von Cannabis allerdings nicht zwingend zum Leistungsausschluss der gesetzlichen Unfallversicherung (Sozialgericht Osnabrück im Urteil vom 07.02.2019 / S19U40/18 zu einem Radfahrer-Wegeunfall mit unfallverursachendem Fehlverhalten bei 10 ng THC im Blut).

Gefährdungsbeurteilung aktualisieren und Maßnahmen festlegen

Das KCanG richtet sich vor allem an Erwachsene, für Jugendliche unter 18 Jahren bleiben Erwerb, Besitz und Anbau von Cannabis weiterhin verboten.
Nach BG RCI Merkblatt A017 „Gefährdungsbeurteilung Gefährdungskatalog“ wird Suchtmittelkonsum als Gefährdungs- und Belastungsfaktor eingestuft. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung müssen also neben Suchtmitteln wie Alkohol auch Cannabis berücksichtigt und geeignete Maßnahmen festgelegt werden. Je nach betrieblichen Gegebenheiten sind dies z.B.:

  • Bereits bestehende betriebliche Regelungen bzw. Betriebsvereinbarungen zu Suchtmitteln um Cannabis erweitern oder falls erforderlich, neue Regeln zum Umgang mit Suchtmitteln festlegen
  • Betriebliche Informationsveranstaltungen und Aktionen zu Suchtmitteln durchführen (für Vorgesetzte, Multiplikatoren, Belegschaft)
  • Führungskräfte als Vorbild
  • Betrieblichen Arbeitskreis „Suchtmittel“ einrichten
  • Abbau von missbrauchsfördernden Arbeitsbedingungen
  • frühzeitiges Einschreiten von Vorgesetzten bei Missbrauchsfällen
  • Drogenberatungsstellen zur Beratung heranziehen
  • Vermittlung von Therapiemöglichkeiten, Therapiebegleitung sowie berufliche Wiedereingliederung nach erfolgreicher Therapie

Cannabis-Legalisierung: Umsetzung in der Praxis

Arbeitgeber müssen entscheiden, ob für ihr Unternehmen eine Regelung erforderlich ist, die den Konsum von Cannabis am Arbeitsplatz untersagt. 
Da für die Mehrheit der Unternehmen weder Schnelltests noch Blutentnahme bei ihren Beschäftigten in Frage kommen, liegt der Fokus auf Prävention. Ob zukünftig Schnelltests bei Berufsgruppen wie Kranführern, LKW-Fahrern oder Gabelstaplerfahrern angewendet werden, wie dies für Alkohol mit Alkohol-Interlocks bereits möglich ist, bleibt abzuwarten. 
Unternehmen sollten ihre Gefährdungsbeurteilung bez. Cannabis aktualisieren. Eine geeignete HSEQ-Software gewährleistet eine systematische Vorgehensweise.
Falls ein Betriebliches Gesundheitsmanagement eingerichtet ist, können Aktionen zum Thema „Suchtmittelkonsum und Risiken“ integriert werden. Besonders für jugendliche Auszubildende ist eine Sensibilisierung zu diesem Thema wichtig, da Experten vor erheblichen Gesundheitsgefährdungen für diese Zielgruppe warnen. Aktionen sind dann erfolgreich, wenn sie konkrete Gefahren benennen, auf Augenhöhe stattfinden und die Beschäftigten einbeziehen.
Ein klares und abgestuftes Vorgehen im Umgang mit Beschäftigten, die Suchtmittel missbrauchen oder abhängig sind, ermöglicht z.B. ein Fünf-Stufen-Plan (s. BG RCI Merkblatt A 003 „Suchtmittelkonsum im Betrieb“). Unterstützung für die Praxis liefert u.a. auch die DGUV I 206-009 Suchtprävention in der Arbeitswelt – Handlungsempfehlungen.