Betriebsvereinbarung zum Arbeitsschutz: Eignungsstelle

Einem Antrag auf gerichtliche Einsetzung einer Einigungsstelle gemäß § 100 ArbGG fehlt nach einem Beschluss des LAG Nürnberg das Rechtsschutzbedürfnis, wenn zuvor nicht der Versuch einer Einigung mit Vorschlägen zur Beilegung der Meinungsverschiedenheit (nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG) unternommen wurde. Ein hinreichender Versuch einer Einigung bedingt dabei eine inhaltliche Konkretisierung, zu welchem Regelungsgegenstand welche Regelung gewünscht wird.

Über Einigungsstelle zur Betriebsvereinbarung

Betriebsvereinbarungen sind ein probates Mittel zur Organisation des Arbeitsschutzes im Unternehmen. Die Betriebspartner können ihr Wissen und ihre praktische Erfahrung einbringen und so zum Nutzen aller agieren. Nicht immer ist aber der Weg zu einer Betriebsvereinbarung ganz einfach, so dass - insbesondere Betriebsräte - den Weg über die sog. Einigungsstelle suchen. Das LAG Nürnberg hat nun in einer wichtigen Entscheidung erläutert, wann der Weg in die Einigungsstelle offensteht und wann nicht und dabei eine interessante Alternative ins Spiel gebracht.

Der Fall: Schneller Abbruch der Verhandlungen

Die Beteiligten - Betriebsrat und Arbeitgeber - streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle zum Verfahren der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen zu psychischen Belastungen und zum Raumklima. Dabei kam es nur zu einer gemeinsamen Sitzung. Bei dieser ging es ausschließlich darum, dass der Betriebsrat für sich die Notwendigkeit gesehen hat, einen Sachverständigen hinzuziehen, was der Arbeitgeber als nicht notwendig angesehen hat.
Der Betriebsrat brach die Verhandlungen ab und stellte beim Arbeitsgericht den Antrag, eine Einigungsstelle einzusetzen. Dem folgte das Arbeitsgericht Bayreuth (Beschluss vom 18.04.2023, Az. 38 BV 2/23).
Dagegen wandte sich der Arbeitgeber mit seiner Beschwerde zum LAG. Insbesondere sei nach wie vor ein externer Sachverständiger nicht erforderlich, weil ausreichendes Fachwissen - auch aus dem übergeordneten Konzern - vorhanden sei.

LAG: Es fehlt das Rechtsschutzbedürfnis

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts und in Abänderung dessen Entscheidung ist der Antrag auf die Einsetzung einer Einigungsstelle nach Ansicht des LAG Nürnberg (Beschluss vom 17.07.2023, Az. 4 TaBV 10/23) zurückzuweisen. Das ArbG habe die Einigungsstelle zu Unrecht gemäß § 76 Abs. 2 BetrVG bestellt, da die Anträge unzulässig sind. Ihnen fehle offensichtlich das Rechtsschutzbedürfnis. Entgegen der Einschätzung des Arbeitsgerichts könne nicht davon ausgegangen werden, dass bereits der Streit über die Ausgestaltung des Verfahrens weiterer Verhandlungen – ohne jegliche inhaltliche Positionierung der die Einsetzung einer Einigungsstelle beantragenden Partei – ein hinreichendes Rechtsschutzbedürfnis für das Verfahren nach § 100 ArbGG begründe. Dieses fehlt grundsätzlich dann, wenn zuvor nicht der nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG vorgesehene Versuch einer Einigung unternommen und Vorschläge für die Beilegung der Meinungsverschiedenheiten gemacht worden sind. Das Arbeitsgericht kann erst angerufen werden, wenn sich entweder die Gegenseite Verhandlungen über den Regelungsgegenstand ausdrücklich oder konkludent verweigert hat oder mit Verständigungswillen geführte Verhandlungen zwar stattgefunden haben, jedoch gescheitert sind.
Das LAG folgt hier der Meinung des LAG Düsseldorf (Beschluss vom 16.07.2019, 3 TaBV 36/19). Dieses meint, dass die Anforderungen an die Feststellung des Scheiterns von Verhandlungen zwar nicht überspannt werden dürften. Haben die Betriebspartner über die zu regelnde mitbestimmungspflichtige Angelegenheit ernsthaft miteinander verhandelt, eine Seite die Kernelemente ihrer künftigen Verhandlungsposition gegenüber der anderen Seite dargestellt, kann sie vom Scheitern des innerbetrieblichen Einigungsversuchs ausgehen, wenn die andere Seite keine Verhandlungsbereitschaft zeigt (dadurch, dass sie sich auf das Verhandlungsangebot verschweigt oder Verhandlungen pauschal ablehnt) oder wenn zwar in Verhandlungen eingetreten wird, hiernach jedoch eine der Seiten nach ihrer nicht offensichtlich unbegründeten subjektiven Einschätzung Anlass zu der Annahme hat, dass die Verhandlungen nicht zum Erfolg führen. 

Wichtig für die Praxis

Die Entscheidung erläutert für die betriebliche Praxis zentrale Aspekte, wenn es um eine Betriebsvereinbarung geht. Sieht sich der Betriebsrat außerstande, sich aus fachlichen Gründen ausreichend einbringen zu können, so kann er sich jederzeit Unterstützung durch einen Sachverständigen nach § 80 BetrVG verschaffen oder sich dieses Fachwissen im Rahmen von Schulungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG aneignen - worauf das LAG Nürnberg ausdrücklich hinweist. Ein Grund, die Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung daran scheitern zu lassen, sieht das Gericht hierin nicht.
Es wird nicht zuletzt auch im Interesse des Arbeitgebers sein, dem Betriebsrat das Ansammeln von Fachkompetenz zu ermöglichen, erleichtert das doch dann die gemeinsamen Verhandlungen.