Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsstelleneinsetzungsverfahren. Rechtsschutzinteresse. Kein fehlendes Rechtsschutzinteresse für Einleitung eines Einigungsstellenverfahrens nach § 98 ArbGG wegen nicht durchgeführter vorheriger Verhandlungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Grundsätzlich ist vor Anrufung der Einigungsstelle der Versuch einer Einigung nötig, da sonst das Rechtsschutzinteresse für die Anrufung der Einigungsstelle fehlt. Ein solches Rechtsschutzinteresse besteht aber bereits dann, wenn sich eine Seite weigert Verhandlungen aufzunehmen. Der Aufnahme förmlicher Verhandlungen bedarf es nicht, da es sonst einer der Betriebspartner in der Hand hätte, die Anrufung einer Einigungsstelle zu verzögern.

 

Normenkette

ArbGG § 98

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Beschluss vom 18.04.2006; Aktenzeichen 9 BV 7/06)

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz, Auswärtige Kammern Neuwied, Az.: 9 BV 7/06, wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten vorliegend um die Errichtung einer Einigungsstelle.

Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um ein tarifgebundenes Unternehmen der Metallindustrie Rheinland-Pfalz. Sie führte zum 01.04.2006 das Entgeltrahmenabkommen (ERA) für die Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Pfalz vom 06.07.2004 ein.

Zuvor unterrichtete die Antragstellerin die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 04.01.2006, das sie beschlossen habe, eine Betriebsvereinbarung über Erschwerniszulagen nach § 12 Abs. 2 des Entgeltrahmenabkommens abzuschließen. Die Antragsgegnerin erwiderte hierauf mit Schreiben vom 20.01.2006, das sie die Voraussetzungen für Erschwerniszulagen nicht sehe und forderte die Antragstellerin auf, konkret ihre Forderung darzulegen.

Die Antragstellerin antwortete der Antragsgegnerin hierauf mit Schreiben vom 24.01.2006, dass die Betriebsvereinbarung über Erschwerniszulagen körperliche Belastungen und Umgebungseinflüsse berücksichtigen und vergüten solle, die über die normalen Erschwernisse ganz erheblich hinausgingen. Sie forderte die Antragsgegnerin auf, bis Ende der 5. Kalenderwoche einen Verhandlungstermin zu benennen, andernfalls sie die Einigungsstelle anrufen würde. Mit Beschluss vom 01.02.2006 beschloss die Antragstellerin ein Beschlussverfahren zur Einsetzung einer Einigungsstelle nach § 76 Abs. 5 BetrVG einzuleiten.

Die Antragstellerin hat beantragt,

  1. bei der Antragsgegnerin eine Einigungsstelle einzusetzen zum Thema inhaltliche Regelung der Erschwerniszulagen gemäß § 12 des Entgeltrahmenabkommens dem Grunde und der Höhe nach;
  2. zum Vorsitzenden Herrn Y X, Richter am Arbeitsgericht Koblenz zu bestellen;
  3. die Zahl der Beisitzer auf 3 pro Seite festzusetzen.

Die Antraggegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat vorgetragen,

dem Antragsteller fehle ein Rechtsschutzinteresse, weswegen der Antrag unzulässig sei. Er habe bislang nicht substantiiert dargelegt, für welche Tätigkeiten er überhaupt welche Erschwerniszulagen verhandeln möchte. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, um überhaupt in eine zielführende Verhandlung eintreten zu können. So lange der Antragsteller nicht sage, worüber er konkret verhandeln wolle, gäbe es keinen Verhandlungsgegenstand.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Verfahrensbeteiligten in der I. Instanz wird auf die eingereichten Schriftsätze und den Tatbestand des erstinstanzlichen Beschlusses des Arbeitsgerichts Koblenz verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 18.04.2006 den Anträgen 1) und 2) der Antragsgegnerin stattgegeben und bezüglich des Antrags 3) die Zahl der Beisitzer auf 2 pro Seite festgesetzt.

Bezüglich der Gründe der Entscheidung wird auf die Ausführungen unter II. des Beschlusses (Bl. 46 ff d.A.) verwiesen.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist der Antragsgegnerin am 21.04.2006 zugestellt worden. Sie hat gegen ihn beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz durch Schriftsatz vom 03.05.2006, beim Landesarbeitsgericht am 04.05.2006 eingegangen, Beschwerde eingelegt.

Sie trägt vor,

Die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts und die dabei zu Grunde liegende Rechtsauffassung sei rechtsfehlerhaft. Sie bleibe bei ihrer Ansicht, ein Rechtschutzinteresse für die Einsetzung einer Einigungsstelle sei seitens der Antragstellerin nicht gegeben und wiederholt ihre erstinstanzlichen Ausführungen. Insbesondere gäbe es keinen hinreichend umgrenzten Regelungsgegenstand, über den die Einigungsstelle befinden könnte.

Sie beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz – Ausw. Kammern Neuwied – vom 18.04.2006 – Az.:9 BV 7/06 – abzuändern und die Anträge zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht,

dass das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit und die Pflicht zur Aufnahme von Verhandlungen überlagert werde von der Möglichkeit der Einsetzung einer Einigungsstelle. Das Betriebsverfassungsgesetz spreche insoweit keine Priorität aus. Im Übrigen sei ein Rechtsschutzinteresse gegeben.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf die eingereichten S...

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