Kein Wegeunfall unter Drogeneinfluss

Das SG Duisburg hat die Anerkennung eines Verkehrsunfalls als Wegeunfall abgelehnt, weil der Versicherte zum Unfallzeitpunkt so stark unter Drogen stand, dass dieses die ausschlaggebende Unfallursache darstellte.

Der Fall: Verkehrsunfall unter Drogeneinfluss

Der 1982 geborene Kläger war am 16.10.2021 als Produktionsleiter beschäftigt, als er gegen 3:45 Uhr auf dem Weg zur Arbeit mit seinem PKW die B67 befuhr und auf gerader Strecke bei trockener Fahrbahn von dieser nach links abkam. Auf der Gegenfahrbahn kollidierte er mit dem PKW des Zeugen L. Gegenüber den am Unfallort eingetroffenen Polizisten gab der Zeuge L. an, der PKW des Klägers sei plötzlich in den Gegenverkehr gefahren und sodann mit ihm kollidiert.
Bei dem verletzten Kläger wurde eine Blutuntersuchung vorgenommen. Diese ergab einen THC-Gehalt (Tetrahydrocannabinol) von 1,9 ng/ml, einen 11-OH-THC-Gehalt (THC-Metabolit 1) von 0,6 ng/ml, einen THC-COOH-Gehalt (THC-Metabolit 2) von 23 ng/ml sowie einen Amphetamin-Gehalt von 37 ng/ml. Entsprechend dem toxikologischen Gutachten vom 03.12.2021 wiesen die durchgeführten Analysen damit einen Konsum von Cannabisprodukten und Amphetamin nach. Die Cannabinoidkonzentrationen sprächen für einen mäßigen/gelegentlichen Konsum von z.B. Marihuana und dafür, dass der Kläger nicht unbedeutend unter der Wirkung von Cannabis stand. Die weiterhin festgestellte Konzentration an Amphetamin weise darauf hin, dass der Kläger auch unter der Wirkung dieses Stimulans stand. 
Am 13.10.2022 wurde von dem Amtsgericht Kleve gegen den Kläger durch rechtskräftigen Strafbefehl wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen festgesetzt. Der Kläger sei im Zeitpunkt des Unfalls in rauschmittelbedingt fahruntüchtigem Zustand gewesen, wodurch er nicht mehr in der Lage gewesen sei, das Fahrzeug sicher zu führen. Unter anderem durch die rauschmittelbedingte enthemmte Fahrweise und die verminderte Aufmerksamkeit des Klägers sei dieser mit seinem Fahrzeug in den Gegenverkehr gekommen.
Der Kläger machte gegen die beklagte BG das Vorliegen eines Arbeitsunfalls in Gestalt eines Wegeunfalls geltend. Diese lehnte das - auch im Widerspruchsverfahren - ab, woraufhin der Kläger zum SG seine Klage erhob.

SG: Drogenkonsum war für den Unfall ausschlaggebend

Der Kläger hat nach dem Urteil des SG Duisburg vom 25.05.2023 (Az. S 36 U 366/22) keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Anerkennung des Ereignisses vom 16.10.2021 als Arbeitsunfall gem. § 8 Abs. 1 SGB VII, da sich der streitgegenständliche Unfall nicht infolge der versicherten Tätigkeit des Klägers ereignet hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), auf die sich das SG vorliegend beruft, ist der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis, mithin die Unfallkausalität, ausgeschlossen, wenn der Versicherte unter dem Einfluss von Drogen oder anderen die Fahrtüchtigkeit im Straßenverkehr beeinträchtigenden Substanzen stand und deren Wirkung nach den Umständen die allein wesentliche Bedingung für den Unfall war (BSG, Urteil vom 30.1.2007, Az. B 2 U 23/05 R). 
Dies bedeute, dass die Unfallkausalität nicht vorliegt, wenn die nicht versicherte Ursache gegenüber der versicherten Ursache von überragender Bedeutung sei. 
Des Weiteren lege das BSG in seiner Entscheidung dar, dass ein vorheriger Cannabiskonsum nur dann als allein wesentliche Ursache des Unfalls angesehen werden kann, wenn ein THC-Wert von mindestens 1 ng/ml festgestellt wurde und weitere Beweisanzeichen die drogenbedingte Fahruntüchtigkeit des Versicherten, ähnlich wie bei einer relativen Fahruntüchtigkeit mit einer BAK von unter 1,1 ‰, belegen. Derartige Beweisanzeichen sind, wie sich aus der Wirkung des Cannabiskonsums ergibt, zum Teil dieselben wie nach Alkoholgenuss und teilweise solche, die typischerweise auf Cannabiskonsum zurückzuführen sind, wie Gangunsicherheiten, Müdigkeit, Apathie, Denk-, Konzentrations-, Aufmerksamkeits- und Wahrnehmungsstörungen sowie leichte Ablenkbarkeit.
Diese Voraussetzungen für einen Ausschluss der Unfallkausalität seien vorliegend erfüllt. Das SG ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass die Wirkung der von dem Kläger konsumierten Drogen die allein wesentliche Bedingung für den Unfall vom 16.10.2021 war.

Wichtig für die Praxis

Die Entscheidung gibt keine neuen Erkenntnisse wieder, bekommt aber im Zuge der von der Ampel-Koalition geplanten Legalisierung des Cannabis-Konsums eine ganz neue Bedeutung. In Betrieben, in denen im Rahmen der Präventionsmaßnahmen auch Unterweisungen zum Unfallversicherungsschutz auf den mit der Arbeit verbundenen Wegen stattfinden, sollte zukünftig neben der Alkohol- auch die Gefährdung durch Drogenkonsum thematisiert werden.