Entscheidungsstichwort (Thema)

Mangel der schriftlichen Vollmacht

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die Berücksichtigung des Mangels der schriftlichen Vollmacht ist im finanzgerichtlichen Verfahren auch nach der Neuregelung des § 62 Abs. 3 S. 6 FGO nicht auf besonders gewichtige Zweifelsfälle beschränkt.

2) Wird lediglich Klage erhoben mit der Ankündigung, Vollmacht und Begründung nachreichen zu wollen, ist es ermessensgerecht, den Mangel der schriftlichen Vollmacht zu berücksichtigen.

 

Normenkette

FGO § 62 Abs. 3, 3 S. 6

 

Tatbestand

Der Kläger war im Streitjahr Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma A. GmbH mit Sitz in B.. Mit Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag vom 26.04.1991 (UR-Nr. 910/1991 des Notars Dr. C. in D.) erwarben der Kläger und seine seit 1993 von ihm getrennt lebende Ehefrau je zur Hälfte die Geschäftsanteile der seinerzeit noch unter einem anderen Namen firmierenden GmbH. Als Kaufpreis wurde vereinbart, daß der Kläger und seine Ehefrau sich verpflichteten, an die Anteilsveräußerer einen Betrag zu zahlen, der 50 % der Steuerersparnis des Klägers und seiner Ehefrau aus dem Verlustvortrag der Gesellschaft betrage, wie er sich aus der auf den 31.05.1991 vom Steuerberater der Gesellschaft aufzustellenden Bilanz ergebe. Mindestens sollten … DM zu zahlen sein. Weiter wurde festgelegt, daß der Kläger und seine Ehefrau dem Veräußerer … DM zur Ablösung einer Darlehensforderung sowie einen Betrag, der aufgrund einer auf den 31.05.1991 aufzustellenden Warenbestandsinventur zu ermitteln sei, zahlen sollten.

Am 22.05.1996 verbürgte sich der Kläger gegenüber der Stadtsparkasse B.ür Schulden der GmbH in Höhe von …. Mit Schreiben vom 10.12.1996 kündigte die Stadtsparkasse B.ie Geschäftsverbindung mit der GmbH fristlos. Mit Schreiben vom 06.01.1997 forderte die Stadtsparkasse B. den Kläger unter Inanspruchnahme der Bürgschaft auf, … DM zu zahlen.

Durch Beschluß des Amtsgerichts B. vom 07.01.1997 – 71 N 359/96 – wurde der bereits 1996 gestellte Antrag auf Eröffnung des Konkurses abgewiesen. Am 22.10.1997 wurde die GmbH wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister von Amts wegen gelöscht.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1996 machte der Kläger neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH einen Verlust nach § 17 EStG in Höhe von … DM geltend, nämlich wegen der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft in Höhe von … DM und in Höhe des Stammkapitals von … DM.

In dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom 01.07.1999 ließ der Beklagte den geltend gemachten Verlust unberücksichtigt. Im Einspruchsverfahren machte der Kläger geltend, der erklärte Verlust sei zwar nicht in voller Höhe zu berücksichtigen, da eine Inanspruchnahme des Klägers aus der Bürgschaft bisher nicht erfolgt sei. Jedoch sei der Verlust des voll eingezahlten Stammkapitals in Höhe von … DM in Ansatz zu bringen. Da der Kläger der Aufforderung, die ursprünglichen Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile sowie Bürgschaftszahlungen nachzuweisen, nicht nachkam, wies der Beklagte den Einspruch mit der per einfachem Brief versandten Einspruchsentscheidung vom 15.12.2000 zurück.

Die von der Prozeßvertreterin erhobene am 18.01.2001 bei Gericht eingegangene Klage beschränkt sich auf die Bezeichnung des angefochtenen Bescheids und der Einspruchsentscheidung und die Ankündigung, daß die ausführliche Begründung und die Original-Vollmacht kurzfristig folgen würden. Mit Verfügung vom 24.01.2001 wurde die Vertreterin des Klägers aufgefordert, die Klagebegründung zu übersenden. Weiter wurde sie mit der Ladung aufgefordert, innerhalb von 3 Wochen nach Zustellung der Ladung eine schriftliche Prozeßvollmacht vorzulegen.

Eine weitere Äußerung des Klägers oder seiner Vertreterin ist nicht erfolgt. Zur mündlichen Verhandlung, zu der außer der Vertreterin des Klägers auch der Kläger persönlich geladen war, ist für den Kläger niemand erschienen.

Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Klage ist unzulässig

a) Die Vertreterin des Klägers hat ihre Bevollmächtigung nicht nachgewiesen. Nach § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen. Nach Satz 2 der Bestimmung hat das Gericht den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen. Daraus hat die Rechtsprechung bisher die Schlußfolgerung gezogen, daß der Vollmachtsnachweis von Amts wegen zu berücksichtigende Sachentscheidungsvoraussetzung ist, bei deren Fehlen die Klage unzulässig ist, und zwar auch dann, wenn – wie im Streitfall – keine Ausschlußfrist nach § 62 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 FGO gesetzt wurde (z.B. BFH-Beschluß vom 29. Juli 1997 X B 89/96, BFH/NV 1998, 728).

Indes hat sich diese Rechtslage durch § 62 Abs. 3 Satz 6 FGO geändert, der mit Wirkung ab dem 1. Januar 2001 durch Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze – 2. FGOÄndG – eingeführt wurde. Danach braucht das Gericht den Mangel der Vollmacht nicht...

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