Gesetzestext

 

(1) Das Insolvenzgericht hebt die Anordnung der Eigenverwaltung auf,

1. wenn dies von der Gläubigerversammlung mit der in § 76 Absatz 2 genannten Mehrheit und der Mehrheit der abstimmenden Gläubiger beantragt wird;
2. wenn dies von einem absonderungsberechtigten Gläubiger oder von einem Insolvenzgläubiger beantragt wird, die Voraussetzung des § 270 Absatz 2 Nummer 2 weggefallen ist und dem Antragsteller durch die Eigenverwaltung erhebliche Nachteile drohen;
3. wenn dies vom Schuldner beantragt wird.

(2) Der Antrag eines Gläubigers ist nur zulässig, wenn die in Absatz 1 Nummer 2 genannten Voraussetzungen glaubhaft gemacht werden. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Schuldner zu hören. Gegen die Entscheidung steht dem Gläubiger und dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(3) Zum Insolvenzverwalter kann der bisherige Sachwalter bestellt werden.

1. Bisherige gesetzliche Regelung

 

Rn 1

§ 272 a.F. galt ab dem 1.1.2000. Mit Wirkung vom 1.3.2012 durch das ESUG vom 7.12.2011 (BGBl. I S. 2582) wurden § 272 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 geändert. Mit der neuen Fassung wurden die Aufhebungsgründe und die vom Gläubiger für die Aufhebung darzulegenden Umstände neu bestimmt und damit die Hürde für die Aufhebung der Eigenverwaltung auf Initiative der Gläubiger erhöht.[1]

[1] BT-Drs. 17/5712, S. 42.

2. Zweck der Regelung

 

Rn 2

Wie § 271 ist auch die Regelung des § 272 dem Umstand geschuldet, dass die Eigenverwaltung, die dem Schuldner die Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse belässt, nicht den Regelfall der Insolvenzverfahrensabwicklung darstellt. Vielmehr muss im Notfall eine Rückkehr in das Standardverfahren möglich sein, bei dem ein Insolvenzverwalter mit dem üblichen Wirkungskreis bestellt wird. Das kommt vor allem bei Gefährdung von Gläubigerinteressen oder falls der Schuldner nicht mehr mitwirkt in Betracht. Dann ist die angeordnete Eigenverwaltung vom Gericht wieder aufzuheben. Die Vorschrift wirkt daher auch präventiv, weil der Schuldner befürchten muss, doch noch die Kontrolle über die Insolvenzmasse zu verlieren, wenn seine Handlungen nicht die optimale Gläubigerbefriedigung erwarten lassen.

3. Voraussetzung der Aufhebung

 

Rn 3

Die Aufhebung der Eigenverwaltung ist aus verschiedenen Gründen gerechtfertigt. Die Prägung des Insolvenzverfahrens durch den Grundsatz der Gläubigerautonomie gebietet nicht nur, die Anordnung der Eigenverwaltung in die endgültige Beschlusskompetenz der Gläubigerversammlung zu legen, sondern auch deren Aufhebung (Abs. 1 Nr. 1). Der Schutz der Individualrechte der absonderungsberechtigten Gläubiger oder der Insolvenzgläubiger erfordert es, dass diese die Aufhebung der Eigenverwaltung bewirken können, wenn ihnen erhebliche Nachteile drohen (Abs. 1 Nr. 2). Schließlich muss die Eigenverwaltung auch dann aufgehoben werden können, wenn der Schuldner nicht mehr zur erforderlichen Mitwirkung bereit oder in der Lage ist (Abs. 1 Nr. 3). Die Aufzählung der Gründe ist abschließend, eine Aufhebung der Eigenverwaltung von Amts wegen ist grundsätzlich nicht möglich.[2]

[2] Lediglich in extremen Ausnahmefällen wird man eine Aufhebung der Eigenverwaltung analog § 59 erwägen können, so auch HambKomm-Fiebig, 4. Aufl. 2012, § 272 InsO Rn. 11.

3.1 Antrag der Gläubigerversammlung

 

Rn 4

Den Gläubigern im Insolvenzverfahren obliegt es, im Rahmen einer Gläubigerversammlung über die Aufhebung der Eigenverwaltung zu befinden. Zusätzlich zum Berichtstermin gemäß § 156 ist eine Gläubigerversammlung dann einzuberufen, wenn dies gemäß § 75 beantragt wird. Dem Gläubigerausschuss alleine steht kein Recht zur Beantragung der Aufhebung zu, auch wenn er vom Sachwalter nach § 274 Abs. 3 über die bevorstehenden Nachteile informiert wurde. Er kann lediglich die Einberufung einer Gläubigerversammlung beantragen, damit diese entscheiden kann. Abs. 1 Nr. 1 gibt daher der Gläubigergesamtheit die Möglichkeit, durch Beschluss die Aufhebung der Eigenverwaltung zu beantragen.

 

Rn 5

Der Beschluss der Gläubigerversammlung, mit dem die Aufhebung beantragt wird, muss allerdings mit der Summenmehrheit gemäß § 76 Abs. 2 (Summe der Forderungsbeträge der zustimmenden Gläubiger übersteigt die Hälfte der Summe der Forderungsbeträge der abstimmenden Gläubiger) und der Kopfmehrheit der abstimmenden Gläubiger gefasst werden. Das Erfordernis der Kopfmehrheit wurde erst durch das ESUG eingeführt und dient dazu, die Durchsetzung von Einzelinteressen geschickt agierender Großgläubiger zu verhindern (qualifizierte Mehrheit). Der Beschluss der Gläubigerversammlung muss nicht begründet werden.

 

Rn 6

Hinzuweisen ist auf die Entscheidung des BGH[3], wonach einzelnen Gläubigern kein Recht nach § 78 zusteht, die Aufhebung des Beschlusses der Gläubigerversammlung deswegen zu beantragen, weil er dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widerspreche. Der Entscheidung ist zuzustimmen, weil das Widerspruchsrecht eines Gläubigers das Gericht dazu zwänge, eben jene Abwägungen, die die Gläubigerversammlung insgesamt und ohne Begründungszwang vornehmen soll, nachzuvollziehen. Letztendlich müsste das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung an die Stelle des Beschlusses ...

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