Gesetzestext

 

(1) Der Insolvenzverwalter hat die Masseverbindlichkeiten nach folgender Rangordnung zu berichtigen, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge:

1. die Kosten des Insolvenzverfahrens;
2. die Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, ohne zu den Kosten des Verfahrens zu gehören;
3. die übrigen Masseverbindlichkeiten, unter diesen zuletzt der nach den §§ 100, 101 Abs. 1 Satz 3 bewilligte Unterhalt.

(2) Als Masseverbindlichkeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten auch die Verbindlichkeiten

1. aus einem gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung der Verwalter gewählt hat, nachdem er die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte;
2. aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte;
3. aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Insolvenzmasse die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

1. Regelungszweck

 

Rn 1

§ 209 dient vordergründig der Abwicklung von Verfahren, deren Insolvenzmasse nach § 208 vom Verwalter für unzulänglich befunden wurde. Sind zwar die Verfahrenskosten gedeckt, ist der Verwalter jedoch nicht in der Lage, sämtliche sonstigen Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 zu begleichen, ist formal die Masseunzulänglichkeit nach § 208 anzuzeigen. Die Massegläubiger i. S. d. § 53 sind sodann in der Rangordnung des § 209 zu befriedigen. Durch diese Rangordnung erhält der Insolvenzverwalter Handlungsfreiheit nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit, so dass er das Insolvenzverfahren fortsetzen kann. Hierdurch wird vermieden, dass ggf. vorhandene, aber noch nicht verwertete Masse in Widerspruch zu den Interessen der Massegläubiger an den Schuldner zurückgegeben werden muss.[1]

[1] Zur Entwicklung der Regelung des § 209 verschafft Uhlenbruck, FS 50 Jahre BGH, Bd. III, S. 803-817 einen guten Überblick.

2. Verteilungsschlüssel bei Masseunzulänglichkeit

 

Rn 2

Das Verteilungsverfahren teilt die bestehenden Ansprüche zunächst in drei Klassen ein. Die Kosten des Verfahrens, die Neumasseverbindlichkeiten sowie die Altmasseverbindlichkeiten. Eine nachfolgende Klasse erhält nur dann Zahlungen, wenn die vorhergehende vollständig befriedigt wurde. Reicht die Masse hierzu nicht aus, kommt es innerhalb dieser Klasse zu einer quotalen Befriedigung. Zur Möglichkeit eines Insolvenzplans s. § 208 Rn. 24.

 

Rn 3

In analoger Anwendung der §§ 187 ff. ist Grundlage der Verteilung ein vom Verwalter aufzustellendes Verteilungsverzeichnis, das entsprechend § 196 Abs. 2 der Zustimmung des Insolvenzgerichts bedarf. In dieses Verzeichnis sind sowohl die Neu- als auch die Altmassegläubiger,[2] nicht aber die Insolvenzgläubiger aufzunehmen. Eine analoge Anwendung der §§ 197 ff. ist ausgeschlossen,[3] weil insoweit § 211 spezielle Regelungen trifft. Eine Versammlung der Massegläubiger findet nicht statt (dazu schon § 208 Rn. 19).

 

Rn 4

Es spielt keine Rolle, ob der betreffende Masseanspruch auf Geld oder eine andere Leistung gerichtet ist. Mangels einer § 60 Abs. 1 KO entsprechenden Ausschlussvorschrift ("… soweit diese Ansprüche auf einen Geldbetrag gerichtet sind …") findet § 45 Anwendung, so dass die Gläubiger von Sachleistungen künftig eine Umrechnung nebst anteiliger Kürzung des Betrags in Kauf nehmen müssen und somit die nicht erklärbare bisherige Privilegierung der Sachgläubiger entfällt.[4]

 

Rn 5

Die gesetzlichen Vorgaben der InsO sind einseitig dispositiv (halbzwingend), so dass ein Gläubiger mit einer Forderung im Rang zurücktreten kann, z. B. um die Eröffnung des Verfahrens zu ermöglichen.[5] Allerdings ist umgekehrt – wie bisher auch – kein "Aufsteigen" von Forderungen in einen besseren Rang durch zweiseitige Vereinbarung zwischen Gläubiger und Verwalter möglich.

 

Rn 6

Der Insolvenzverwalter darf die Verteilungsordnung des § 209 nicht dadurch unterlaufen, dass er im Hinblick auf die bevorstehende Anzeige der Masseunzulänglichkeit (künftige Alt-)Massegläubiger befriedigt. Ebenfalls der Gefahr der persönlichen Inanspruchnahme nach § 61 ist der Verwalter dann ausgesetzt, wenn er unbedacht Zahlungen unmittelbar vor Anzeige vornimmt.[6]

[2] Nerlich/Römermann-Westphal, § 211 Rn. 13.
[3] Smid-Smid § 209 Rn. 6.
[4] BegrRegE, in: Kübler/Prütting, Bd. I, S. 435.
[5] So schon Kilger/K. Schmidt, KO § 60 Anm. 1.

2.1 Verfahrenskosten (§ 209 Abs. 1 Nr. 1)

 

Rn 7

Zuerst sind die in § 54 aufgezählten Masseverbindlichkeiten zu begleichen, also die Gerichtskosten sowie die Vergütungen und die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses. Diese Ansprüche müssen vom Verwalter in vollem Umfang befriedigt werden, andernfalls handelt es sich nicht um einen Fall der Masseunzulänglichkeit, sondern um Massearmut, so dass die restliche Masse nach § 207 Abs. 3 zu verteilen wäre. Weil kein Gläubiger erwarten kann, dass Verwalter und Gericht zu seinen Gunsten unentgeltlich tätig werden, ist der Vorrang dieser Verbindlichkeiten sachgerecht.[7] Es gibt keine – bisher so bezeichne...

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