Gesetzestext

 

(1) 1Sind die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt, reicht die Insolvenzmasse jedoch nicht aus, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, so hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht anzuzeigen, daß Masseunzulänglichkeit vorliegt. 2Gleiches gilt, wenn die Masse voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die bestehenden sonstigen Masseverbindlichkeiten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.

(2) 1Das Gericht hat die Anzeige der Masseunzulänglichkeit öffentlich bekanntzumachen. 2Den Massegläubigern ist sie besonders zuzustellen.

(3) Die Pflicht des Verwalters zur Verwaltung und zur Verwertung der Masse besteht auch nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit fort.

1. Regelungszweck

 

Rn 1

Die §§ 208 ff. regeln die sog. Masseunzulänglichkeit im Gegensatz zu der in § 207 angesprochenen Massearmut.[1]

[1] Zur Terminologie siehe Kübler, in: Kölner Schrift, S. 967 (1171) Rn. 13; hierzu schon § 207 Rn. 1.

2. Anwendbarkeit

 

Rn 2

Nach seinem Wortlaut und der systematischen Stellung findet § 208 nur Anwendung im eröffneten Insolvenzverfahren. Dieselbe Sachlage (keine ausreichenden Mittel, alle sonstigen Masseverbindlichkeiten zu bedienen) kann jedoch schon im Antragsverfahren eintreten, so dass die entsprechende Anwendung der §§ 208 und 209 zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit des Verwalters sachgerecht erscheint.[2] Hiergegen wird zwar eingewendet, dass eine Anzeige analog § 208 Abs. 1 Satz 1 nicht möglich sein soll, weil den vorläufigen Verwalter im Gegensatz zum endgültigen Insolvenzverwalter keine Pflicht zur Verwertung der Vermögensgegenstände trifft.[3] Gleichwohl besteht im Falle der ihm übertragenen Verfügungsbefugnis die Möglichkeit und häufig die Notwendigkeit, Verbindlichkeiten zu begründen, die über § 55 Abs. 2 nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, Masseverbindlichkeiten werden. Zeigt sich noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, dass die Masse zur Befriedigung dieser Forderungen nicht ausreichen wird, besteht ein Bedürfnis, auch dem vorläufigen Verwalter seine Handlungsbefugnis zurück zu verschaffen. Daher muss ihm analog § 208 das Recht zur Anzeige an das Gericht mit den entsprechenden Folgen zugesprochen werden. Eine erneute Anzeige im eröffneten Verfahren ist dann weder notwendig noch möglich.

 

Rn 3

Kann der vorläufige Insolvenzverwalter hingegen frühzeitig absehen, dass die Masse schon nicht zur Befriedigung der Verfahrenskosten ausreichen wird, hat nach §§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 26 die Abweisung mangels Masse zu erfolgen.[4]

 

Rn 4

Abzulehnen ist die mehrfache Anzeige der Masseunzulänglichkeit in ein und demselben Verfahren.[5] Dem Verwalter bleibt zur Sicherstellung der Reihenfolge des § 209 nur der Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften, d. h., gegen die Klage eines (bisher Neu-, jetzt Alt-)Massegläubigers muss die Unzulänglichkeit der Masse im Prozess eingewendet werden. Auch schließt die Anzeige nach § 208 nicht eine Einstellung mangels Masse nach § 207 aus.[6]

[2] Zur analogen Anwendung des § 209 s. BK-InsO//Beth, § 25 Rn. 26.
[3] AG Hamburg ZIP 2002, 2228; a. A. HK-Rüntz, 8. Aufl. 2016, § 22 Rn. 30.
[4] Kirchof, ZInsO 1999, 365 (369); MünchKomm-Haarmeyer, § 22 Rn. 125.
[6] Kübler/Prütting/Bork-Pape, § 207 Rn. 12.

3. Voraussetzungen

 

Rn 5

Bevor die in der Vorschrift des § 208 normierte Anzeige der Masseunzulänglichkeit zum Tragen kommt, bedarf es der Feststellung der Masseunzulänglichkeit.

3.1 Feststellung

 

Rn 6

Die Feststellung des Tatbestands der Masseunzulänglichkeit und seine Anzeige an das Insolvenzgericht obliegen dem Insolvenzverwalter, der insoweit allein zuständig ist.[7] Die InsO hat damit nicht die ursprüngliche Konzeption des RegE übernommen, welcher die gerichtliche Feststellungskompetenz vorsah. Um die Belastung der Insolvenzgerichte zu reduzieren,[8] hat der Rechtsausschuss stattdessen allein dem Verwalter die Befugnis zur Feststellung des Tatbestands des § 208 übertragen[9] und auf diese Weise die vormals zu § 60 KO herrschende Auffassung[10] übernommen. Die Feststellung selbst ist formlos möglich.[11]

 

Rn 7

Es handelt sich insoweit nicht um eine einklagbare gesetzliche Verpflichtung des Verwalters. Vielmehr hält der Gesetzgeber die dem Verwalter drohende Haftung aus den §§ 60, 61 für ausreichend, um den Verwalter zu rechtzeitigem Handeln anzuhalten.[12] Insbesondere die Beweislastumkehr des § 61 Satz 2 zwingt ihn ständig zur sorgfältigen Prüfung der Finanzsituation im Insolvenzverfahren sowie in Sanierungsfällen zur Prüfung der Finanzlage des zu sanierenden Unternehmens. Dadurch werden vor allem die Altmassegläubiger geschützt, gegenüber denen der Verwalter im Falle der Anwendung des § 209 – und damit der nachrangigen Befriedigung dieser Gläubiger – im Haftungsprozess beweisen muss, dass er die später eingetretene Unzulänglichkeit der Masse bei Begründung der jeweiligen Verbindlichkeit noch nicht erkennen konnte.[13] Für willkürliche Feststellungen seitens des Insolvenzverwalters bleibt insofern kein Spielraum.[14]

 

Rn 8

Soweit im Vergleich zu der bestehenden Überprüfungsmöglichkeit der ...

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