Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung von Einspruchsschreiben

 

Leitsatz (NV)

  1. Das FA hat Verfahrenserklärungen des Steuerpflichtigen bzw. seines Vertreters auszulegen, wenn die Erklärungen auslegungsbedürftig und auslegungsfähig sind.
  2. Angesichts der nur für das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren geltenden Vorschriften des § 357 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 3 Satz 1 AO 1977 können auf die Auslegung von Einspruchsschreiben die für die Auslegung von Revisionsschriftsätzen geltenden ‐ strengeren ‐ Grundsätze nicht übertragen werden.
  3. Allein die Tatsache, dass der BFH die Revision zugelassen hat, lässt noch keinen Schluss auf die Erfolgsaussichten der Revision zu.
  4. Auch wenn das FG nur ein Zwischenurteil erlässt, hat der BFH im Falle der Zurückweisung der Revision eine endgültige Kostenentscheidung zu treffen.
 

Normenkette

AO 1977 § 357 Abs. 1 S. 4, Abs. 3 S. 1; FGO § 99 Abs. 2, § 135 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln (Urteil vom 18.12.2000; Aktenzeichen 9 K 6647/99)

 

Gründe

Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind von der Rechtsauffassung des Senats durch das Vorsitzendenschreiben vom 26. September 2003 unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Der vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt ―FA―) gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Insoweit sieht der Senat gemäß § 126a Satz 4 i.V.m. § 126 Abs. 6 FGO von einer Begründung ab; ergänzend wird auf das Vorsitzendenschreiben vom 26. September 2003 verwiesen.

Im Übrigen steht das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) mit der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Auslegung von Verfahrenserklärungen, die im Verwaltungsverfahren abgegeben werden, in Einklang. Denn das hier maßgebliche Beraterschreiben vom 1. März 1999 war auslegungsbedürftig und auslegungsfähig. Die vom FG vorgenommene Auslegung ist möglich und vertretbar, verstößt weder gegen gesetzliche Auslegungsregeln noch gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze und ist verfahrensfehlerfrei zustande gekommen.

Aus dem ―erst einen Monat nach Ablauf der Äußerungsfrist eingegangenen― Schriftsatz des FA vom 27. November 2003 folgt nichts anderes. Denn bereits im Schreiben vom 26. September 2003 (unter 2.c) hat der Senatsvorsitzende ausführlich dargestellt, warum die vom FA angeführten Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. September 1999 II R 19/99 (BFH/NV 2000, 447) und vom 29. September 1999 III R 50/98 (BFH/NV 2000, 341) ―die jeweils die Auslegung von Revisionsschriftsätzen betreffen― für die Auslegung von Schreiben, die ein außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren einleiten, angesichts der nur dort geltenden besonderen Verfahrensvorschriften des § 357 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht einschlägig sind. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die Entscheidung über die Zulassung einer Revision grundsätzlich nichts mit den Erfolgsaussichten der Revision zu tun hat (vgl. dazu auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 115 Rn. 13).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Auch wenn das FG nur ein Zwischenurteil erlässt, hat der BFH im Falle der Zurückweisung der Revision eine endgültige Kostenentscheidung zu treffen (BFH-Urteil vom 14. März 1985 IV R 1/81, BFHE 143, 223, BStBl II 1985, 368).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1102361

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