Kein lohnsteuerbarer Vorteil bei Überlassung eines Feuerwehreinsatzfahrzeugs

Hintergrund: Einsatzfahrzeug für jederzeitige Bereitschaft
Die Gemeinde unterhält eine Freiwillige Feuerwehr. Diese wird von X, der bei der Gemeinde in Vollzeit angestellt ist, ehrenamtlich geleitet. Er wurde dazu in ein Ehrenbeamtenverhältnis auf Zeit berufen und erhält dafür eine geringfügige steuerfreie Aufwandsentschädigung.
Zur Sicherung seiner jederzeitigen Einsatzfähigkeit stellte die Gemeinde dem X als Leiter der Freiwilligen Feuerwehr ein mit einer Signalanlage ausgestattetes und in den typischen Feuerwehrfarben lackiertes Einsatzfahrzeug (PKW) rund um die Uhr zur Verfügung.
Dementsprechend nutzte X das Fahrzeug nicht nur für Einsatzfahrten oder andere Aufgaben als Leiter der Feuerwehr sowie im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit für die Gemeinde, sondern auch für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte (bzw. ab 2014 erste Tätigkeitsstätte), für Mittagsheimfahrten (Zwischenheimfahrten) und andere Privatfahrten. Im Jahr führte er ca. 160 Einsätze mit dem Fahrzeug durch. War er wegen Urlaubs oder Krankheit an der Leitung der Feuerwehr gehindert, gab er den PKW an den stellvertretenden Leiter ab.
Das FA ging davon aus, die private Nutzung sei als geldwerter Vorteil nach der 1 %-Regelung (§ 8 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) zu erfassen und erließ gegenüber der Gemeinde einen Haftungsbescheid über rund 2.200 EUR (LSt, SolZ, KiSt).
Das FG gab der dagegen erhobenen Klage der Gemeinde statt.
Entscheidung: Es liegt keine Überlassung zur Privatnutzung vor
Die Nutzung des Einsatzfahrzeugs auch für Privatfahrten stellt keine zu Arbeitslohn führende private Nutzung, sondern eine auf der ständigen Einsatzbereitschaft beruhende funktionale Verwendung des Fahrzeugs dar.
Grundsätze zur privaten Nutzung eines betrieblichen Kfz
Nach der BFH-Rechtsprechung führt die Überlassung eines betrieblichen PKW durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit regelmäßig zum Zufluss von Arbeitslohn (z.B. BFH v. 15.2.2017, VI R 50/15, BFH/NV 2017, 1155, Rz 11). Denn der Arbeitnehmer ist um den Betrag bereichert, den er für eine vergleichbare Nutzung aufwenden müsste und den er sich durch die Überlassung des Fahrzeugs durch den Arbeitgeber erspart (z.B. BFH v. 20.3.2014, VI R 35/12, BStBl II 2014, 643, Rz 10).
Die Nutzung des Einsatzwagens ist keine private Verwendung
Das FG hat die private Nutzung mit der Begründung nicht als Arbeitslohn gewertet, die Gemeinde habe X das Fahrzeug im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse zur Privatnutzung überlassen. Der BFH folgt dieser Argumentation nicht uneingeschränkt. Denn es fehlt bereits an einer Zurverfügungstellung zur Privatnutzung. Zwar führte X den Einsatzwagen nach den Vorgaben der Gemeinde tatsächlich bei privaten Verrichtungen und Wegen mit sich. Dies stellt indes keine private Verwendung dar. Vielmehr handelt es sich um eine auf der ständigen Einsatzbereitschaft gründende, (feuerwehr-)funktionale Verwendung des Fahrzeugs. Das Einsatzfahrzeug stand X nicht personen-, sondern funktionsbezogen und nur während seiner (wenn auch "ständigen") Bereitschaftszeiten zur Verfügung, um den jederzeitigen Einsatz des X in einem Notfall sicherzustellen.
Keine Gegenleistung für die Arbeitskraft
Etwaige Vorteile, die X dadurch entstanden, dass er während seiner Bereitschaftszeiten das Einsatzfahrzeug auch bei privaten Verrichtungen und Wegen stets mit sich führen musste, statt einen privaten PKW zu nutzen, stellen sich damit als bloße Reflexwirkung aus dem Unterhalten einer leistungsfähigen Feuerwehr dar. Dieser Vorteil erweist sich insbesondere nicht im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft.
Hinweis: Parallele zum Werkstattwagen-Urteil
Nach dem BFH-Urteil v. 25.5.2000, VI R 195/98 (BStBl II 2000, 690) liegt bei der Überlassung eines Werkstattwagens zur Durchführung von Reparaturen an Energieversorgungseinrichtungen im Rahmen einer Wohnungsrufbereitschaft auch dann kein Arbeitslohn vor, wenn das Fahrzeug in dieser Zeit für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur Verfügung steht. Denn der Arbeitgeber verfolgte mit der Kfz-Gestellung allein das Ziel, dass seine Arbeitnehmer beim Auftreten von Störungen schnellstmöglich mit der Schadensbeseitigung beginnen konnten. Damit erfolgte die Gestellung im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse. Die Einteilung der Arbeitnehmer zu den Rufbereitschaften diente nicht dem Zweck, den Arbeitnehmern eine Vergünstigung zu gewähren. Entsprechendes muss z.B. auch für Ärzte in Bereitschaft gelten, die einen Dienstwagen für Privatfahrten nutzen, um jederzeit schnellstmöglich den Einsatzort zu erreichen.
Entscheidung durch Beschluss
Die Entscheidung erging nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss nach § 126a FGO. Von dieser Entscheidungsvariante kann der BFH Gebrauch machen, wenn der Senat die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Damit kommt § 126a FGO nur in Betracht, wenn die Rechtslage so weit eindeutig ist, dass sich jede weitere Erörterung erübrigt.
BFH Beschluss vom 19.04.2021 - VI R 43/18 (veröffentlicht am 08.07.2021)
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