Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterzeichnung bestimmender Schriftsätze

 

Leitsatz (redaktionell)

Dem Erfordernis der persönlichen Unterzeichnung bestimmender Schriftsätze ist genügt, wenn eine Rechtsanwältin den zweiten Teil ihres Doppelnamens mit den beiden Anfangsbuchstaben abkürzt.

 

Normenkette

ZPO §§ 511, 130 Nr. 6; ArbGG § 64 Abs. 6

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 13.07.1987; Aktenzeichen 6/3 Sa 257/87)

ArbG Köln (Entscheidung vom 12.12.1986; Aktenzeichen 2 Ca 6753/86)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß ihm eine unverfallbare und insolvenzgesicherte Versorgungsanwartschaft zustehe. Er war seit 1961 bei verschiedenen Bauunternehmen tätig, die ihm Versorgungszusagen erteilt hatten. Seine letzte Arbeitgeberin hatte ihm im Anstellungsvertrag zugesagt, für die betriebliche Altersversorgung eine Vordienstzeit ab 1. Januar 1965 anzurechnen. Im Jahre 1979 wurde über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet.

Der Kläger hat geltend gemacht, seine bis zum Insolvenzfall erdiente Anwartschaft sei mit Rücksicht auf die angerechnete Vordienstzeit insolvenzgeschützt. Das ergebe sich aus der Rechtsprechung des Senats. Er hat beantragt

festzustellen, daß er eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft

bei der in Konkurs gegangenen

vormaligen Firma B AG erworben

habe und daß aufgrund dieser Anwartschaft bei Eintritt

des Versorgungsfalles ein Anspruch gegen

den Beklagten als Träger der Insolvenzsicherung

bestehe.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, wegen der Besonderheiten des Streitfalls könne abweichend von der Rechtsprechung des Senats die Anrechnung der Vordienstzeit durch die Arbeitgeberin nicht als Fortsetzung eines einheitlichen Versorgungsverhältnisses verstanden werden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, weil die Prozeßbevollmächtigte des Klägers bei Unterzeichnung der Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift den zweiten Teil ihres Doppelnamens mit den beiden Anfangsbuchstaben abgekürzt hat. Dagegen richtet sich dessen Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, Berufung und Berufungsbegründung seien nicht in der vorgeschriebenen Form bei Gericht eingereicht worden. Die Prozeßbevollmächtigte des Klägers habe beide Schriftsätze nicht ordnungsgemäß unterzeichnet, da sie ihren Doppelnamen nicht voll ausgeschrieben, sondern den zweiten Namensteil mit zwei Buchstaben abgekürzt habe. Dem kann nicht gefolgt werden.

1. Gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG gelten für das Berufungsverfahren vor den Landesarbeitsgerichten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend (§§ 511 ff. ZPO). Wegen der Form vorbereitender Schriftsätze verweist § 518 ZPO auf die allgemeinen Vorschriften (§§ 129 ff. ZPO). Gemäß § 130 Nr. 6 ZPO "sollen" vorbereitende Schriftsätze von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben sein. Damit ist jedoch nicht abschließend geregelt, ob und in welcher Form Rechtsmittelschriften und fristgebundene Rechtsmittelbegründungsschriften unterzeichnet werden müssen. Es ist zu unterscheiden zwischen bloß "vorbereitenden" und "bestimmenden" Schriftsätzen. Bestimmende Schriftsätze bedürfen, sollen sie die beabsichtigten prozessualen Wirkungen erzeugen, grundsätzlich der eigenhändigen Unterzeichnung des Prozeßbevollmächtigten mit vollem Namen.

a) Vorbereitende Schriftsätze i.S. des § 130 Nr. 6 ZPO dienen dazu, die mündliche Verhandlung oder ausnahmsweise die Entscheidung des Gerichts im schriftlichen Verfahren vorzubereiten (§ 128 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO). Sie kündigen daher in der Regel einen Sachvortrag an. Bestimmende Schriftsätze kündigen ein Vorbringen nicht an, sondern enthalten Parteierklärungen, für die Schriftform vorgesehen ist. Mit der Einreichung oder Zustellung ist die Prozeßhandlung vollzogen. Hierzu gehören insbesondere die Schriftsätze, die den Prozeß selbst oder einen Verfahrensabschnitt eröffnen, also z.B. die Klageschrift oder die Rechtsmittelschrift.

b) Abweichend von § 130 Nr. 6 ZPO müssen bestimmende Schriftsätze im Anwaltsprozeß eigenhändig unterschrieben sein. Das war bei Erlaß der Zivilprozeßordnung so selbstverständlich, daß der Gesetzgeber glaubte, von einer ausdrücklichen Regelung absehen zu können (vgl. Großer Senat in Zivilsachen des Reichsgerichts, RGZ 151, 82, 84; ebenso BGH Urteil vom 4. Oktober 1984 - VII ZR 342/83 - NJW 1985, 328 f.). Dieselbe Auffassung haben auch das Bundesarbeitsgericht sowie sämtliche anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes in ständiger Rechtsprechung vertreten (statt aller: BAGE 28, 1 ff. = AP Nr. 1 zu § 4 KSchG 1969, mit Anmerkung von Vollkommer und zahlreichen Nachweisen; BAG Urteil vom 26. Juni 1986 - 2 AZR 358/85 - NZA 1986, 761, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). Auch der überwiegende Teil des Schrifttums teilt diese Auffassung (u.a. Baumbach/Lauterbach, Albers/Hartmann ZPO, 45. Aufl., § 129 Anm. 1 B, § 518 Anm. 1; Wieczorek, ZPO, § 519 Anm. B I; Thomas/Putzo, ZPO, 15. Aufl., § 129 Anm. 2 a; a.A. Vollkommer, Formenstrenge und prozessuale Billigkeit 1973, S. 126 ff., 260 ff.; neuerdings auch Kunz-Schmidt, NJW 1987, 1296 ff.).

Entgegen der Auffassung der Revision besteht kein hinreichender Anlaß, die herrschende Meinung aufzugeben. Ein Schriftsatz ohne eigenhändige Unterschrift ist von einem Entwurf nicht zu unterscheiden. Außerdem läßt sich in der Regel der Nachweis der Urheberschaft nur durch die Unterschrift führen. Daß bei der Inanspruchnahme besonderer technischer Einrichtungen vom Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift abgesehen wird (vgl. BAGE 43, 46 = AP Nr. 54 zu § 1 LohnFG), kann nicht dazu führen, auch bei Schriftsätzen auf die persönliche Unterschrift zu verzichten. Nur so bleibt gewährleistet, daß der Urheber und für die Erklärung Verantwortliche feststeht (ebenso BAG, aa0; BAGE 28, 1, 2 = AP Nr. 1 zu § 4 KSchG 1969, zu 1 a der Gründe).

c) Allerdings dürfen die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Unterzeichnung eines bestimmenden Schriftsatzes nicht überspannt werden. Soll durch den Schriftsatz eine nach materiellem oder prozessualem Recht zu wahrende Frist eingehalten werden, so kann es von der Unterzeichnung abhängen, ob die Rechtsgarantie allgemein oder im Rechtsmittelzug verwirklicht wird (BVerfGE 38, 35, 38 f. = NJW 1974, 1902). Es wäre formalistisch und müßte im Rechtsverkehr auf Unverständnis stoßen, würde man an der persönlichen Unterschrift um ihrer selbst willen festhalten. Maßgebend muß sein, daß Sinn und Zweck des Erfordernisses genügt wird: Es muß aus Gründen der Klarheit für alle Verfahrensbeteiligten sichergestellt sein, daß eine bestimmte Erklärung für den Rechtsverkehr abgegeben ist, daß sie vom Verfasser herrührt und von ihm verantwortet wird.

2. Hieran gemessen ist die von der Prozeßbevollmächtigten des Klägers verwendete Abkürzung ihres Doppelnamens nicht zu beanstanden.

a) Das Berufungsgericht verweist zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht auf § 1355 BGB a.F., wonach die Prozeßbevollmächtigte berechtigt war, dem Namen ihres Ehemannes ihren Mädchennamen anzufügen; sie sei nunmehr auch verpflichtet, diesen vollen Namen zu führen. Die Auffassung des Berufungsgerichts trifft zu, sie besagt jedoch nichts zu der hier entscheidungserheblichen Frage, ob eine abweichende Handhabung nicht gleichwohl den Erfordernissen der Klarheit und Sicherheit in prozessualem Rechtsverkehr genügen kann.

Ebenso wenig überzeugt der Hinweis des Berufungsgerichts auf den Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 13. Juli 1967 (I a ZB 1/67 - NJW 1967, 2310 f.). Dort ging es um die Prüfung einer "Paraphe", also eines Handzeichens, das gerade nicht zuverlässig erkennen ließ, ob der Urheber des Schriftstücks einen bloßen Entwurf abzeichnen oder eine prozessual bindende Erklärung abgeben wollte. Dem Bundesgerichtshof ist zuzustimmen; auch das Bundesarbeitsgericht verlangt grundsätzlich eine vollständige Unterschrift, die ein individuelles Schriftbild mit charakteristischen Merkmalen aufweist (BAG Urteil vom 29. Juli 1981 - 4 AZR 632/79 - AP Nr. 46 zu § 518 ZPO). Aber von einer Namensabkürzung in diesem Sinne, einem bloßen Handzeichen zur Kennzeichnung eines Entwurfs oder zum Hinweis auf die Urheberschaft bloß für Eingeweihte, kann im Streitfall keine Rede sein. Die Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat ihren Namen sehr sorgfältig und selbst für Fremde leserlich geschrieben und lediglich den zweiten Namensteil mit den beiden Anfangsbuchstaben abgekürzt. Es ist schlechthin unerfindlich, wie bei dieser Form der Unterschriftsgestaltung an der Urheberschaft der Unterzeichnerin und deren Übernahme der Verantwortung für den Inhalt der so unterzeichneten Schriftstücke Zweifel bestehen können, zumal in den Briefköpfen der volle Name und alle anderen erforderlichen Daten enthalten sind. Hiernach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Berufung des Klägers und seine Berufungsbegründung sind in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

II. Der Senat kann nicht selbst abschließend entscheiden. Das Berufungsgericht hat zu dem Klagebegehren selbst nicht Stellung genommen. Da es keine nähere Feststellungen getroffen hat, sind auch keine Hinweise zur weiteren Sachverhandlung möglich.

Schaub Ascheid Griebeling

Gnade Dr. Kiefer

 

Fundstellen

Haufe-Index 438701

BB 1988, 1536-1536 (LT1)

DB 1988, 920-920 (LT1)

NJW 1988, 2822

NJW 1988, 2822 (K)

NZA 1989, 227-227 (LT1)

RdA 1988, 128

ZIP 1988, 861-863 (LT1-3)

AP § 130 ZPO (LT1), Nr 6

EzA § 518 ZPO, Nr 33 (LT1)

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