BGH: Auswirkungen von Unterschrift auf Berufungsbegründung

Eine Berufungsbegründung ist auch dann rechtsgültig unterzeichnet, wenn sie mit der Unterschrift eines im Briefkopf oder in der Randleiste des Kanzleibriefbogens nicht genannten Rechtsanwalts versehen ist.

In Rechtsanwaltskanzleien mit einer Vielzahl von Anwälten ist es nicht unüblich, dass gefertigte Schriftsätze – u. a. bei Abwesenheit des Verfassers – von dem Anwalt unterzeichnet werden, der gerade zur Verfügung steht. Dies kann Probleme aufwerfen, wenn der unterzeichnende Anwalt im Briefkopf oder in der Randleiste des Kanzleibriefbogens nicht aufgeführt ist. Eine kürzlich veröffentlichte Entscheidung des BGH bringt Klarheit.

Berufungsbegründung nicht vom Hauptbevollmächtigten unterzeichnet

Gegenstand des vom BGH entschiedenen Falls war eine beim LG fristgerecht eingegangen Berufungsbegründung. Unterzeichnet war der Schriftsatz von einem Anwalt, der weder im Briefkopf des Berufungsbegründungsschriftsatzes noch in der Randleiste des Kanzleibriefbogens auftauchte. Die Unterschrift war auch nicht mit einem Zusatz versehen, der auf eine Vertretung des Hauptbevollmächtigten durch den Unterzeichner hingewiesen hätte. Unter der Unterschrift befand sich lediglich maschinenschriftlich der Ausdruck des Namens des Unterzeichners mit dem Zusatz „Rechtsanwalt“.

Berufung als unzulässig verworfen

Das LG hat die Berufung als unzulässig verworfen, da sie nicht formgerecht in der gesetzlichen Frist begründet worden sei. Der Berufungsbegründungsschriftsatz sei nicht von dem Hauptbevollmächtigten unterzeichnet worden. Außerdem sei nicht erkennbar, ob der unterzeichnende Anwalt für den Inhalt der Rechtsmittelbegründung die Verantwortung übernehmen oder ob er nur als Erklärungsbote handeln wollte. Ein Vertretungsvermerk habe ebenfalls gefehlt. Die Funktion des unterzeichnenden Anwalts bleibe unklar.

Vermutung für Verantwortlichkeit des Unterzeichners

Die gegen die Zurückweisung der Berufung eingelegte Rechtsbeschwerde hatte Erfolg. Der BGH stellte zunächst klar, dass eine Berufungsbegründungsschrift als bestimmender Schriftsatz von einem Rechtsanwalt eigenhändig unterzeichnet sein muss, §§ 130 Nr.6, 120 Abs. 5 ZPO. Sei der Schriftsatz erkennbar von einem Rechtsanwalt unterzeichnet worden, so

  • spreche eine Vermutung dafür, dass der Unterzeichner sich den Inhalt des Schriftsatzes zu eigen machen und die Verantwortung für den Schriftsatz übernehmen will (BGH, Beschluss v. 24.9.2019, XI ZR 451/17).
  • Dies gelte auch dann, wenn der Unterzeichneranwalt nicht im Briefkopf oder in der Randleiste des Kanzleibriefbogens genannt ist.
  • Der unterzeichnende Anwalt sei auch nicht verpflichtet, seine Unterschrift mit einem die Vertretung des Hauptbevollmächtigten kenntlich machenden Zusatz zu versehen.

Praxisnahe Auslegung spricht für Vertretung des Hauptbevollmächtigten

Angesichts der Unterschrift ohne jeglichen Zusatz warf der BGH im konkreten Fall allerdings Frage auf, ob der Unterzeichner im eigenen Namen oder in Vertretung für den Hauptbevollmächtigten seine Unterschrift geleistet hatte. Nach Ansicht des BGH findet diese Unklarheit im Gesamtzusammenhang des Dokuments ihre Antwort. Befinde sich die Unterschrift eines Drittanwalts auf einem Dokument, in dessen Briefkopf der Hauptbevollmächtigte genannt sei, so spreche eine vernünftige, realitätsnahe Auslegung dafür, dass der Unterzeichner als Vertreter des Hauptbevollmächtigten handeln wollte.

Verwerfungsbeschluss aufgehoben

Eine Verwerfung der Berufung als unzulässig ist nach der Entscheidung des BGH in einem solchen Fall nicht angezeigt. Allerdings sei die Unterzeichnung auch keine bloße Formalität, sodass geklärt werden müsse, ob der unterzeichnende Anwalt befugt war, den Berufungsbegründungsschriftsatz mit seiner Unterschrift zu versehen. Da das Berufungsgericht dieser Frage bisher nicht nachgegangen sei, müsse es dies noch nachholen.

Berufungsgericht muss erneut entscheiden

Im Ergebnis wies der BGH den Rechtsstreit zur Klärung der rechtlichen Befugnis des unterzeichnenden Rechtsanwalts und zur weiteren Sachbehandlung an die Vorinstanz zurück.

(BGH, Urteil v.20.12.2022, VI ZR 279/21)