Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Anrechnung ausländischer Steuern bei Zinseinkünften unter Berücksichtigung von Stückzinsen Folgendes:

Die Anrechnung ausländischer Steuern ist nach nationalem Recht und nach Abkommensrecht eine Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Verschiedene Doppelbesteuerungsabkommen sehen darüber hinaus die Anrechnung fiktiver Steuern vor (vgl. hierzu auch BMF-Schreiben vom 12. Mai 1998 – IV C 6 - S 1301 - 18/98 –, BStBl. I S. 554).

Zu der Frage, in welcher Höhe fiktive Quellensteuern bei festverzinslichen Wertpapieren anzurechnen sind, wenn beim Erwerb Stückzinsen gezahlt und beim Verkauf solche vereinnahmt worden sind, hat der BFH mit seinem Urteil vom 9. Juni 2010 Az. I R 94/09 (BStBl 2011 II S. 860) in einem Fall zu dem nicht mehr geltenden Doppelbesteuerungsabkommen mit Brasilien aus dem Jahr 1975 (DBA-Brasilien) entschieden, dass vereinnahmte Stückzinsen keine Anrechnung fiktiver Quellensteuer auslösen. Denn Stückzinsen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG 1997 sind keine Einkünfte nach Artikel 11 Abs. 4 DBA-Brasilien (vergleichbar Artikel 11 Abs. 3 OECD-Musterabkommen – OECD-MA –), sondern abkommensrechtlich den Veräußerungsgewinnen im Sinne des Artikels 13 DBA-Brasilien (vergleichbar Artikel 13 OECD-MA) zuzuordnen.

Gezahlte Stückzinsen sind demgegenüber als negative Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (§ 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1997) zu qualifizieren.

 

Beispiel

Der unbeschränkt Steuerpflichtige A kauft im Jahr 2008 ein ausländisches, mehrjähriges, zu 8 % festverzinsliches Wertpapier in Höhe von 200.000, Kurs 100 %, und zahlt an den Veräußerer Stückzinsen in Höhe von 6.000. Er erhält im Zeitpunkt der Zinsfälligkeit die Kupongutschrift in Höhe von 8 %, dh. 16.000, eine Kapitalertragsteuer wird im Quellenstaat nicht erhoben. In demselben Besteuerungszeitraum und nach dem Zeitpunkt der Zinsfälligkeit verkauft A das Wertpapier zum Kurs 100 % und vereinnahmt Stückzinsen in Höhe von 500. A hat keine anderen Einkünfte aus Kapitalvermögen. Das Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Quellenstaat sieht bei Zinsen eine Anrechnung fiktiver Steuern in Höhe von 20 % der Einnahmen vor. Die Steuerbelastung der ausländischen Einkünfte mit deutscher Einkommensteuer wird mit 40 % angenommen.

 
(1)  Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages
Kupongutschrift 16.000  
Gezahlte Stückzinsen ./. 6.000  
(negative Einnahmen)    
Vereinnahmte Stückzinsen  
Sparerfreibetrag/Werbungskostenpauschbetrag ./. 801  
40 % von 9.199 = 3.679,60
(2)  Anrechenbare fiktive Steuer
20 % von 16.000 = 3.200

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