Rz. 22

Für prozessunfähige natürliche Personen (s. Rz. 17–19) haben die nach dem bürgerlichen Recht zu bestimmenden befugten Personen zu handeln[1]. Dies sind die gesetzlichen Vertreter.

 

Rz. 22a

Für Beteiligte, denen die natürliche Handlungsfähigkeit und damit die Prozessfähigkeit fehlt (s. Rz. 9), also bei den juristischen Personen des Zivilrechts (s. § 57 FGO Rz. 23; zu den Körperschaften des öffentlichen Rechts s. Rz. 31), handeln deren Vorstände[2] bzw. Geschäftsführer (z. B. bei der GmbH). Die unverwechselbare Benennung der zur gesetzlichen Vertretung befugten Personen gehört zur notwendigen Klägerbezeichnung (s. § 65 FGO Rz. 12). Das Gericht ist zur Ermittlung durch Einsichtnahme in das Handelsregister nicht verpflichtet[3].

 

Rz. 22b

Bei Personenvereinigungen (z. B. GbR, OHG, KG), Vermögensmassen oder anderen Rechtssubjekten, die als solche beteiligtenfähig sind (s. § 57 FGO Rz. 28, 29), handeln die Gesellschafter oder Gemeinschafter, wenn keine andere vertragliche Regelung vorliegt (s. Rz. 26).

 

Rz. 22c

Bei den zivilrechtlichen oder vertraglichen Vertretungsregelungen kann sich eine mehrstufige Vertretungsreihenfolge ergeben, an deren letzter Stelle aber stets eine nach § 58 Abs. 1 FGO prozessfähige natürliche Person (s. Rz. 9) stehen muss (vgl. v. Groll, in Gräber, FGO, § 58 Rz. 11; Drüen, in T/K, AO, § 58 FGO Rz. 17).

 

Rz. 23

Nach § 58 Abs. 2 S. 2 FGO i. V. m. § 56 Abs. 1 ZPO hat das Gericht die Legitimation des gesetzlichen Vertreters und die erforderliche Ermächtigung zur Prozessführung von Amts wegen zu prüfen (s. Rz. 6).

 

Rz. 24

Die Prozessfähigkeit für das anhängige finanzgerichtliche Verfahren besitzt der im Zeitpunkt der Vornahme der Verfahrenshandlung bestellte gesetzliche Vertreter[4], selbst wenn das Verfahren einen Besteuerungszeitraum betrifft, in dem die Rechtsstellung für den gesetzlichen Vertreter noch nicht bestand. Ehemalige gesetzliche Vertreter oder sonstige Beauftragte haben mit ihrer Rechtsstellung auch die Prozessfähigkeit für den Beteiligten verloren.

 

Rz. 25

Maßgeblich ist bei der Bekanntgabe von Verfahrenshandlungen allein die Adressierung an den richtigen gesetzlichen Vertreter. Unerheblich für die Wirksamkeit der Bekanntgabe ist die Funktionsbezeichnung z. B. als Geschäftsführer oder Liquidator[5].

 

Rz. 26

Maßgeblich für die Bestimmung der richtigen Vertretung ist die zivilrechtliche Rechtslage (s. Rz. 22). Ergibt sich hiernach (s. z. B. Rz. 29) eine gemeinschaftliche Vertretung durch mehrere Personen, z. B. bei einer GbR ohne besondere vertragliche Regelung (§§ 709, 714 BGB; s. § 48 FGO Rz. 10a), so ist das Gericht hieran gebunden (s. auch Rz. 29b), auch wenn eine Person die Zustimmung schikanös verweigert[6] oder die Existenz der Gesellschaft unter den Gesellschaftern bestritten wird[7]. Hierdurch wird nicht ausgeschlossen, dass ein gemeinsamer Bevollmächtigter bestellt wird[8].

 

Rz. 27

Auch das Gericht kann Verfahrenshandlungen, z. B. die Bekanntgabe von Entscheidungen, wirksam nur gegenüber einem Prozessfähigen vornehmen[9]. Unwirksamkeit besteht selbst dann, wenn die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vorliegt (s. Rz. 12; vgl. Dumke, in Schwarz, AO, § 79 Rz. 16 m. w. N.; Kopp/Schenke, VwGO, § 62 Rz. 17 m. w. N.). Das Gericht muss sich direkt an den gesetzlichen Vertreter (s. Rz. 22) bzw. an den Bevollmächtigten (s. z. B. Rz. 26) wenden.

 

Rz. 28

Die Heilung der Unwirksamkeit der von dem oder gegenüber dem Prozessunfähigen vorgenommenen Handlung ist durch die nachträgliche Genehmigung des gesetzlichen Vertreters möglich (§ 108 BGB; s. Rz. 35; vgl. BFH v. 5.2.1985, VIII R 223/79, BFH/NV 1985, 88; BFH v. 18.10.1988, VII R 123/85, BStBl II 1989, 76, 79; BFH v. 16.9.1992, X R 171/90, BFH/NV 1993, 453; Drüen, in T/K, AO, § 46 FGO Rz. 9). An die Stelle der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters tritt die Genehmigung des ehemals Prozessunfähigen, wenn dieser nachträglich prozessfähig geworden ist[10].

Die Genehmigung kann formlos ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten erteilt werden[11]. Allerdings bedeutet das Schweigen des gesetzlichen Vertreters auf die Kenntnisnahme von der unwirksamen Handlung keine Genehmigung. Die Genehmigung erfordert stets eine positive Willensentscheidung, die für das Gericht erkennbar wird. Bloße Untätigkeit kann dieses Erfordernis nicht erfüllen[12].

Die Genehmigung kann nur insgesamt erteilt werden (vgl. Spindler, in HHSp, AO, § 58 FGO Rz. 31 m. w. N.; a. A. Kopp/Schenke, VwGO, § 62 Rz. 17 m. w. N.) und nicht beschränkt auf die für den Prozessunfähigen günstigen Verfahrenshandlungen.

[2] Z. B. beim Verein, der AG oder der Genossenschaft nach § 24 Abs. 1 GenG; zur fehlenden Prozessführungsbefugnis des Vertreters nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB s. BFH v. 16.2.2005, I B 156/03, BFH/NV 2005, 1322.
[5] Vgl. FG Düsseldorf v. 20.10.1987, I 279/87 AO, EFG 1988, 214.

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