Rz. 18

Eine Besonderheit hinsichtlich der Prozessfähigkeit ergibt sich, wenn eine Betreuung angeordnet ist. Nach § 1896 Abs. 1 BGB kann für einen Volljährigen (s. Rz. 10) ein Betreuer bestellt werden, wenn dieser aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Der Aufgabenkreis des Betreuers wird bei dessen Bestellung festgelegt[1]. Es kann eine "Totalbetreuung", aber auch eine "Teilbetreuung" angeordnet werden[2]. Zudem kann ggf. ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB des Betreuers für eine Willenserklärung des Betreuten angeordnet werden, wenn diese den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft. Innerhalb seines Aufgabenkreises hat der Betreuer gemäß § 1902 BGB die Stellung eines gesetzlichen Vertreters (s. Rz. 22). Außerhalb des Aufgabenkreises des Betreuers bleibt der Betreute vollen Umfangs geschäftsfähig und prozessfähig[3].

Auf die Prozessfähigkeit für das finanzgerichtliche Verfahren wirkt sich die Anordnung der Betreuung für die Wahrnehmung der rechtsgeschäftlichen und damit auch der steuerlichen Belange wie folgt aus:

 

Rz. 18a

  • Ist der Betreute nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig (s. Rz. 17), so ist er stets prozessunfähig. Im finanzgerichtlichen Verfahren kann ausschließlich der Betreuer Prozesshandlungen vornehmen[4].
 

Rz. 18b

  • Ist der Betreute grundsätzlich geschäftsfähig (s. Rz. 9–16), so bleibt diese Geschäftsfähigkeit auch innerhalb des Aufgabenkreises des Betreuers erhalten. Nach § 58 Abs. 3 FGO ist der Betreute nur insoweit zur Vornahme von Prozesshandlungen befugt, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann (s. auch Rz. 14, 15) oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist (s. Rz. 16). Der Betreute wird insoweit partiell prozessfähig (vgl. v. Groll, in Gräber, FGO, § 58 Rz. 16).

    Der Betreute kann zunächst grundsätzlich alle Prozesshandlungen selbst vornehmen[5].

 

Rz. 18c

  • Die grundsätzliche Prozessfähigkeit des Betreuten (s. Rz. 18b) besteht jedoch dann nicht, wenn für die Wahrnehmung der gerichtlichen Belange ein Einwilligungsvorbehalt des Betreuers nach § 1903 Abs. 1 BGB angeordnet ist[6].
  • Die Prozesshandlungen des Betreuten sind in diesem Fall grundsätzlich unwirksam[7]. § 1903 Abs. 3 S. 1 BGB[8] ist nicht anwendbar, wenn Prozesshandlungen für den Betreuten nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil bringen[9]. Prozesshandlungen, die ein Kostenrisiko begründen, sind ohne Einwilligung des Betreuers nicht wirksam[10]. Da finanzgerichtliche Verfahren wohl nicht als geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens angesehen werden können, hat § 1903 Abs. 3 S. 2 BGB hier keine Bedeutung.

    Wegen des Absehens von der Erhebung von Gerichtskosten s. BFH v. 5.8.2002, VII B 56/00, BFH/NV 2002, 1492.

    Der Betreuer des prozessunfähigen Beteiligten kann jedoch durch nachträglich erteilte Genehmigung die Unwirksamkeit heilen (s. Rz. 28; BFH v. 18.6.2007, II B 26/07, BFH/NV 2007, 1911).

 

Rz. 18d

  • Die grundsätzliche Prozessfähigkeit des Betreuten (s. Rz. 18b) besteht nach § 58 Abs. 2 S. 2 FGO i. V. m. § 53 ZPO nicht, wenn der Betreuer in dem Rechtsstreit die Vertretung des Betreuten übernimmt und in den Prozess tatsächlich eintritt (vgl. Hartmann, in B/L/A/H, ZPO, § 53 Rz. 3 m. w. N.; s. auch Rz. 19). Mit dem Eintritt des Betreuers gilt der Betreute als prozessunfähig.
[2] Vgl. Diederichsen, in Palandt, BGB, § 1896 Rz. 9.
[3] Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 62 Rz. 13 m. w. N.; Drüen, in T/K, AO, § 58 FGO Rz. 39.
[4] Vgl. Diederichsen, in Palandt, BGB, § 1902 Rz. 4.
[5] Vgl. Diederichsen, in Palandt, BGB, § 1902 Rz. 4; BFH v. 24.10.2001, VI B 201/01, BFH/NV 2002, 219 für die Nichtzulassungsbeschwerde eines Betreuten, für den kein Einwilligungsvorbehalt hinsichtlich der Wahrnehmung gerichtlicher Angelegenheiten angeordnet war.
[7] Vgl. Diederichsen, in Palandt, BGB, § 1903 Rz. 16; s. z. B. BFH v. 18.6.2007, II B 26/07, BFH/NV 2007, 1911.
[8] s. auch § 107 BGB.
[9] Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 62 Rz. 13 m. w. N. für die Akteneinsicht.
[10] Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 62 Rz. 13.

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