Rz. 2

Die Finanzbehörde ist nach § 249 Abs. 1 AO befugt, Ansprüche, mit denen eine Geldleistung gefordert wird, selbst zu vollstrecken und hierbei zur Vorbereitung nach § 249 Abs. 2 AO die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Vollstreckungsschuldners (s. Rz. 98ff.) zu ermitteln. Der Inhalt dieses Ermittlungsrechts der Finanzbehörde bestimmt sich auch im Vollstreckungsverfahren nach den allgemeinen Vorschriften des Besteuerungsverfahrens.[1] Zur Ermittlung der Vermögensverhältnisse kann sich die Finanzbehörde der allgemeinen Beweismittel[2] bedienen. Sie kann insbesondere vom Vollstreckungsschuldner oder Dritten Auskünfte, z. B. über den Verbleib einzelner Vermögensgegenstände, verlangen[3] und sich die Richtigkeit der erteilten Auskünfte eidesstattlich versichern bzw. beeiden lassen.[4] Diese allgemeine eidesstattliche Versicherung kann allerdings nicht durch Zwangsmittel[5] erzwungen werden.[6]

 

Rz. 3

Als spezielles Ermittlungsinstrument des Vollstreckungsverfahrens begründet § 284 AO eine besondere Mitwirkungspflicht des Vollstreckungsschuldners in Form einer vollständigen Offenbarungspflicht hinsichtlich der gesamten Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Der Vollstreckungsschuldner hat gemäß dieser Regelung ein Vermögensverzeichnis zu fertigen (s. Rz. 15) und die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben in diesem Verzeichnis an Eides statt zu versichern (S. Rz. 27). Mit der Vermögensauskunft des Vollstreckungsschuldners nach § 284 AO kann sich die Finanzbehörde durch die lückenlose Offenlegung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse einen Überblick über den Bestand noch vorhandenen Vermögens des Vollstreckungsschuldners verschaffen und etwa verborgene Vermögenswerte aufspüren, sodass weitere Vollstreckungsmöglichkeiten eröffnet werden.[7]

 

Rz. 4

Der Aufforderung der Finanzbehörde zur Abgabe des Vermögensverzeichnisses wird durch das Verlangen zur Versicherung der Richtigkeit an Eides statt Nachdruck verliehen.[8] Zur Sicherung des Wahrheitsgehalts der Angaben wird der psychologische Druck der Strafbarkeit einer vorsätzlich oder fahrlässig falschen eidesstattlichen Versicherung[9] eingesetzt.[10] Das Steuergeheimnis hindert die Finanzbehörde nicht, ggf. diese Straftat anzuzeigen.[11]

 

Rz. 5

Die Besonderheit der Abgabe eines Vermögensverzeichnisses nach § 284 AO gegenüber den anderen Auskunftsmöglichkeiten (s. Rz. 2) besteht insbesondere in der Eintragung in das zentral geführte digitale Schuldnerverzeichnis.[12] Diese Eintragung kann zum Verlust der Kreditwürdigkeit des Vollstreckungsschuldners führen und damit schwere wirtschaftliche Nachteile zur Folge haben, wenn möglichen Geschäftspartnern die Eintragung bekannt wird.[13] Die unberechtigte Eintragung in das Schuldnerverzeichnis kann demgemäß existenzbedrohend sein. An die Ermessensausübung der Finanzbehörde hinsichtlich der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis sind folglich strenge Anforderungen zu stellen.[14]

 

Rz. 6

Die Verpflichtungen des Vollstreckungsschuldners, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und dessen Richtigkeit an Eides statt zu versichern, sind trotz der gesetzlichen Regelung in unterschiedlichen Absätzen des § 284 AO als Einheit anzusehen.[15] Es handelt sich insoweit um einen Regelungsverbund aus zwei Pflichten, auch wenn sie getrennt angeordnet werden. § 284 AO ist als eine Spezialvorschrift anzusehen, die unabhängig von den allgemeinen Ermittlungsvorschriften der §§ 9395 AO (s. Rz. 1) ist.[16] Die Finanzbehörde muss aber nicht die allgemeinen Ermittlungsmittel (s. Rz. 1) eingesetzt haben, bevor sie zur Abgabe des Vermögensverzeichnisses auffordert. § 284 AO ist also nicht nachrangig gegenüber den allgemeinen Regelungen.[17]

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