Rz. 90

Da für den Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs i. S. d. § 24 Abs. 2 S. 1 und 2 UStG nicht die Betriebsform, sondern die Art der ausgeübten Tätigkeit entscheidend ist, können grds. auch Gewerbebetriebe kraft Rechtsform, bei denen im Übrigen die Merkmale eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs vorliegen, die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG in Anspruch nehmen.[1] Zwar waren die Gewerbebetriebe kraft Rechtsform mWv 1.7.1982 durch die Neufassung des § 24 Abs. 2 S. 3 UStG aus der Durchschnittssatzbesteuerung ausgeschlossen worden (Rz. 18). Doch diese Regelung ist mWv 29.12.2020 wieder aufgehoben worden (Rz. 26a und Rz. 34). Zuvor bestand aufgrund der Rechtsprechung des BFH für Gewerbebetriebe kraft Rechtsform bereits ein Wahlrecht, die Durchschnittssatzbesteuerung anzuwenden (Rz. 93ff.). Der Anwendungsbereich des § 24 UStG ist für Zeiträume ab dem Jahr 2022 nun durch die neue 600.000 EUR-Umsatzgrenze in § 24 Abs. 1 S. 1 UStG eingeschränkt (Rz. 97a).

 

Rz. 91

Der Ausschluss nach § 24 Abs. 2 S. 3 UStG bis zum Jahr 2020 betraf insbesondere land- und forstwirtschaftliche Betriebe in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften oder von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, die nach § 2 Abs. 2 GewStG als Gewerbebetriebe gelten, insbesondere Europäische Gesellschaft, AG, KGaA, GmbH.[2] Für die Umsätze der sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts (z. B. eingetragene Vereine, rechtsfähige Stiftungen und Anstalten) und der nichtrechtsfähigen Vereine, die einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten, galt der Ausschluss nach § 24 Abs. 2 S. 3 UStG dagegen nicht, weil § 2 Abs. 3 GewStG die Land- und Forstwirtschaft ausdrücklich ausnimmt. Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) der ehemaligen DDR waren keine Gewerbebetriebe kraft Rechtsform.[3]

 

Rz. 92

Eine Personengesellschaft (OHG, KG, BGB-Gesellschaft), die ausschließlich einen landwirtschaftlichen Betrieb unterhält, unterlag dem Ausschluss nach § 24 Abs. 2 S. 3 UStG nicht, es sei denn, dass es sich um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG handelte.[4] Personengesellschaften i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, die sowohl gewerblich als auch land- und forstwirtschaftlich tätig sind, unterlagen dem Ausschluss nach § 24 Abs. 2 S. 3 UStG nicht für solche land- und forstwirtschaftlichen Umsätze, die im Rahmen von abgrenzbaren Teilbereichen ausgeführt wurden, wobei die Trennung durch geeignete Maßnahmen wie getrennte Aufzeichnungen und getrennte Lagerung möglich war.[5]

Der Güterstand der Gütergemeinschaft von Ehegatten allein stellt keine Gesellschaft und somit auch keinen Gewerbebetrieb kraft Rechtsform dar, sodass sich daraus keine unmittelbaren umsatzsteuerlichen Konsequenzen ergeben. Denn die Gütergemeinschaft ist als Bestandteil des Eherechts keine Rechtsform, die wie die auf ein gemeinsames Erwerbsziel ausgerichteten Gesellschaftsformen des Handels- und Zivilrechts von sich aus bereits ein Indiz für die Gewerblichkeit der Tätigkeit abgibt.[6]

 

Rz. 93

Nach Auffassung des BFH[7] verletzte § 24 Abs. 2 S. 3 UStG das Unionsrecht, weil Gewerbebetriebe kraft Rechtsform danach die Durchschnittssatzbesteuerung allein aufgrund ihrer Rechtsform nicht in Anspruch nehmen konnten, auch wenn sie im Übrigen die Merkmale eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs erfüllten. § 24 Abs. 2 S. 3 UStG sei daher nicht anzuwenden. Die MwStSystRL enthalte die in § 24 Abs. 2 S. 3 UStG vorgesehene Beschränkung der Durchschnittssatzbesteuerung nicht. Und da der Grundsatz der steuerlichen Neutralität es verbiete, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei der Umsatzsteuererhebung allein in Abhängigkeit von ihrer Rechtsform unterschiedlich behandelt werden, sei der Gesetzgeber auch nicht durch den nach Art. 296 Abs. 2 MwStSystRL eingeräumten Spielraum (Rz. 32ff.) ermächtigt gewesen, die Ausnahmeregelung des § 24 Abs. 2 S. 3 UStG zu schaffen.

 

Rz. 94

Anders als eine Entscheidung des BVerfG[8] besaß das BFH-Urteil v. 16.4.2008 keine Gesetzeskraft, sondern band nur die am Rechtsstreit Beteiligten.[9] Das Urteil war also nicht dahingehend zu verstehen, dass dadurch § 24 Abs. 2 S. 3 UStG bereits aufgehoben gewesen wäre. Das Urteil begründete aber ein Wahl- bzw. Berufungsrecht für betroffene Unternehmer auf Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung unter den übrigen Voraussetzungen des § 24 UStG.[10] Davon ging auch die Finanzverwaltung aus.[11]

Da § 24 Abs. 2 S. 3 UStG also weiter galt, bis er schließlich vom Gesetzgeber mWv. 29.12.2020 aufgehoben wurde, lag keine Option zur Regelbesteuerung i. S. d. § 24 Abs. 4 UStG (Rz. 288ff.), sondern lediglich ein gesetzeskonformes Verhalten vor, wenn ein land- und forstwirtschaftlicher Gewerbebetrieb kraft Rechtsform, der sich dem BFH zufolge auf die Anwendung des § 24 UStG hätte berufen können, weiterhin die Regelbesteuerung anwendete. Die Finanzverwaltung konnte das BFH-Urteil außerdem nicht abweichend vom zunächst weiter geltenden Gesetz...

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