rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Freiberufliche Tätigkeit einer Trauerrednerin

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Tätigkeit einer Trauerrednerin kann künstlerisch und damit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG freiberuflich sein, wenn die Trauerreden im Wesentlichen eigenschöpferisch sind und eine gewisse Gestaltungshöhe erreichen.
  2. Die Tätigkeit einer Trauerrednerin ist nicht künstlerisch, wenn die Rednerin in der überwiegenden Zahl der Fälle nach Redeschablonen verfährt und nur für besonders gelagerte Ausnahmefälle einen individuellen Text entwirft.
 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

2000

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin als Trauerrednerin der Gewerbesteuerpflicht unterliegt.

Die Klägerin war als Trauerrednerin tätig. Sie hielt im Jahre 2000 nach eigenen Angaben 455 Trauerreden, jeweils mit einer ca. 20-25-minütigen Redezeit. Ihre Kunden waren zumeist die Angehörigen von Verstorbenen, die die Klägerin beauftragten, anlässlich der Trauerfeier eine – dem Zweck angemessene – Trauerrede zu halten.

Das Finanzamt (FA) behandelte den aus der Tätigkeit erzielten Gewinn als gewerbesteuerpflichtig und erließ für das Streitjahr einen Gewerbesteuermessbetragsbescheid. Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die Klage.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit i.S.v. § 18 EStG erzielt. Als Trauerrednerin sei sie künstlerisch tätig gewesen. Sie verwende bei ihrer Tätigkeit keine Redeschablonen, sondern gestalte ihre Reden jeweils im Einzelfall eigenschöpferisch und damit künstlerisch. Sie treffe sich oftmals erst am Tage der Totenfeier mit den Angehörigen und informiere sich dabei über die wesentlichen Lebensdaten der Verstorbenen sowie die etwaigen Wünsche, die die Angehörigen im Bezug auf die Gestaltung der Rede herantrügen. Sie arbeite die Trauerreden auch nicht vorher aus. Vielmehr gelinge es ihr, aus der Fülle ihrer Gedanken spontan eine den jeweiligen Einzelfall und den daran Beteiligten entsprechende Rede zu gestalten. Dies erfordere nicht nur eine ständige Weiterbildung, Wissenserweiterung und Auseinandersetzung mit Gedanken über den Tod und über die damit im Zusammenhang stehenden gegenwärtigen Fragen und Antworten. Die Tätigkeit setze vielmehr auch die Fähigkeit voraus, sich spontan auf den jeweiligen Zuhörerkreis einzustellen.

Dass sie, die Klägerin, künstlerisch tätig sei, ergebe sich auch aus dem Bescheid der Künstlersozialversicherung vom 18.03.1996. Laut dem Bescheid ist die Klägerin in die Künstlersozialversicherung aufgenommen worden. Voraussetzung hierfür sei es aber, dass sie zum Personenkreis der selbständigen Künstler gehöre.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist weiterhin der Auffassung, die Klägerin sei gewerblich tätig. Es fehle an einer eigenschöpferischen Tätigkeit, da die Klägerin mit Redeschablonen gearbeitet und praktisch die gleiche Trauerrede, nur mit gewissen Varianten, in zahlreichen Fällen immer wieder vorgetragen habe. Nicht erforderlich sei, dass sie die „Redeschablonen” schriftlich verfasst habe. Aufgrund der Vielzahl der Trauerreden, die die Klägerin innerhalb kurzer Zeit gehalten habe, sei die Annahme gerechtfertigt, dass sie mit wenigen (Rede-) Grundmustern auskomme. Denn sie habe – nach ihren eigenen Angaben- 455 Trauerreden im Jahre 2000 gehalten. Diese Vielzahl von Reden bringe es zwangsläufig mit sich, dass sie Aufbau und Inhalt der Reden „automatisiert” habe. Aus den wenigen von der Klägerin eingereichten Reden lasse sich eine Chronologie dahingehend erkennen, dass sie jeweils zu Beginn der Rede die Angehörigen angesprochen habe, dann das Umfeld der Verstorbenen und anschließend verschiedene Zitate, Gedichte etc. angeführt habe.

Die Klägerin sei auch nicht wie eine Schauspielerin tätig. Denn sie spiele nicht, wie eine Schauspielerin, eine öffentliche Rolle „vor der Trauergemeinde”.

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie das Sitzungsprotokoll verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Das FA hat die Tätigkeit der Klägerin zu Unrecht als gewerblich qualifiziert.

Die Klägerin war künstlerisch und damit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG freiberuflich tätig. Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehört nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG die selbständig ausgeübte künstlerische Tätigkeit. Die Tätigkeit einer Trauerrednerin ist allerdings keine freiberuflich künstlerische i.S. dieser Vorschrift, wenn die Rednerin in der überwiegenden Zahl der Fälle nach Redeschablonen verfährt. Bei notwendiger Wertung der Gesamttätigkeit kann die Gebrauchsrede nur dann als künstlerisch angesehen werden, wenn sie im wesentlichen eigenschöpferisch ist und eine gewisse Gestaltungshöhe erreicht. Dabei muss das Künstlerische sowohl dem Inhalt als auch der Form nach verwirklicht sein. Daran fehlt es, wenn der Redner in der überwiegenden Zahl der Fälle mit der Verwendung weniger Grundmuster auskommt und nur für besonders gel...

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