Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungspflicht. Künstlersozialversicherungspflicht. Künstler. Künstlerin. Publizist. Publizistin. Trauerredner. Trauerrednerin

 

Leitsatz (amtlich)

Die Tätigkeit einer Trauerrednerin stellt eine publizistische Tätigkeit im Sinne von § 2 Satz 2 KSVG dar.

 

Normenkette

KSVG §§ 1-2

 

Verfahrensgang

SG Lüneburg (Urteil vom 16.08.2001; Aktenzeichen S 16 KR 71/00)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.03.2006; Aktenzeichen B 3 KR 9/05 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen notwendigen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung ihrer Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) für die Zeit von Mai 1999 bis Februar 2004.

Die 1956 geborene Klägerin studierte zunächst Französisch und Sport für das Lehramt und arbeitete danach als Sängerin und Schauspielerin in Hamburg. Zuletzt war sie am Stadttheater Lüneburg engagiert. Sie war im Anschluss daran zunächst als Trauerberaterin im Angestelltenverhältnis bis zum 31. Mai 1998 tätig. Seit dem 1. Juni 1998 übte sie eine freiberufliche Tätigkeit als Trauerrednerin aus. Ergänzend gab sie Gesangsstunden und war schriftstellerisch tätig.

Im Mai 1999 beantragte sie die Feststellung der Versicherungspflicht nach dem KSVG. Auf die Frage, welche der folgenden Tätigkeiten sie selbständig ausübe, machte sie Kreuze bei der Rubrik “Texter, Librettist, Oper-, Operetten-, Musicalsänger; Lied- und Oratoriensänger; Sänger in Unterhaltungsmusik, Show, Folklore” und bei der Rubrik “ähnliche selbständige künstlerische Tätigkeiten”. Unter dieser Rubrik ergänzte die Klägerin handschriftlich “speziell Trauergesang bei Bestattungen”. Darüber hinaus kreuzte sie im Bereich der darstellenden Kunst die Rubrik “Schauspieler, Sprecher, Kabarettist” und im Bereich Wort kreuzte sie die Rubrik “Schriftsteller, Dichter” und die Rubrik “ähnliche selbständige publizistische Tätigkeit im Bereich Wort” an und ergänzte dies handschriftlich mit dem Begriff “Trauerrednerin”. Im weiteren Verwaltungsverfahren führte die Klägerin aus, dass sie für eine Trauerrede ca 350,00 DM plus ggf 150,00 DM für Gesang erhalte. Sie sei zu 70 % als Trauerrednerin, zu 20 % als Sängerin und zu 10 % als Schriftstellerin und Dichterin tätig. Sie belegte dies mit Auszügen ihrer Arbeit und diversen Danksagungen in Traueranzeigen der Zeitungen.

Mit Bescheid vom 9. Juli 1999 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Die Tätigkeit der Klägerin könne nicht als künstlerisch/publizistisch im Sinne des KSVG angesehen werden. Mit dem Widerspruch übersandte die Klägerin weitere Unterlagen ihrer Arbeit. Den Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss bei der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 13. April 2000). Darin führte die Beklagte aus, dass die Klägerin als Trauerrednerin nicht publizistisch im Sinne des KSVG tätig sei. Es fehle insbesondere am erforderlichen Öffentlichkeitsbezug.

Hiergegen hat die Klägerin am 15. Mai 2000 Klage beim Sozialgericht (SG) Lüneburg erhoben. Das SG hat die Klägerin persönlich gehört. Mit Urteil vom 16. August 2001 hat es den Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2000 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin auf ihren Antrag vom 24. Mai 1999 als versicherungspflichtiges Mitglied in der Künstlersozialversicherung aufzunehmen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass die Klägerin sowohl als Publizistin, aber auch als Sängerin und Dichterin tätig sei. Die von ihr verfassten Reden, die sie anlässlich des Todes eines Menschen entwerfe und halte, erforderten ein großes Einfühlungsvermögen und eine entsprechende Sensibilität für die Beziehung des Toten zu seiner Umwelt. Für die Abfassung einer Rede benötige die Klägerin ca sechs Stunden, um das im Gespräch mit den Hinterbliebenen über den Toten Erfahrene angemessen und dem Verhältnis der Beteiligten zu dem Verstorbenen entsprechend darzustellen. Dies sei ein schöpferischer Akt, der eine große Anteilnahme erfordere. In den von der Klägerin verfassten sehr unterschiedlichen Reden habe sie mit einfühlsamen Worten die jeweilige Situation erfasst und beschrieben. Daraus ergebe sich ein eigenschöpferischer Charakter der Trauerrede, der nicht für weitere ähnliche Konstellationen verwendbar sei. Da der Gesetzgeber als Publizist alle im Bereich “Wort” tätigen Autoren, insbesondere Schriftsteller und Journalisten, in die Regelung der §§ 1 und 2 KSVG einbezogen habe, und der Begriff des Publizisten grundsätzlich weit auszulegen sei, sehe die Kammer die von der Klägerin verfassten Trauerreden als publizistisch im Sinne des KSVG an.

Gegen das der Beklagten am 31. August 2001 zugestellte Urteil hat diese Berufung eingelegt, die am 26. September 2001 beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingegangen ist.

Seit 1. März 2004 ist die Klägerin versicherungspflichtig als Küsterin angestellt.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Tätigkeit der Klägeri...

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