Rn. 359c

Stand: EL 159 – ET: 08/2022

Das BVerfG hatte sich bereits in drei Entscheidungen jeweils vom 07.07.2010

zum Thema "Verfassungsrecht und unechte Rückwirkung" in begrüßenswerter Weise geäußert und den Vertrauensschutz erheblich gestärkt (zustimmend auch Schmidt/Renger, DStR 2011, 693; Momen, BB 2011, 2781; Schönfeld/Häck, DStR 2012, 1725). Eine solche (= unechte) sei nicht grundsätzlich unzulässig, aber unter Vertrauensschutzgesichtspunkten nur zulässig, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen enttäuschtem Vertrauen und Gewicht und Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt sei (BVerfG 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, DB 2010,1858).

 

Rn. 359d

Stand: EL 159 – ET: 08/2022

Verfassungswidrig waren danach

  • Nr 1 (s Rn 359c): die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist (10 Jahre) bei privaten Grundstücksgeschäften (§ 23 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG) insoweit, als dies auch Fälle erfasste, in denen die frühere kürzere Spekulationsfrist (2 Jahre) bereits abgelaufen war.
  • Nr 2 (s Rn 359c): die rückwirkende Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze in § 17 EStG (von 25 % auf 10 %) insoweit, als sie auch StPfl betraf, die bereits vor Gesetzesverkündung (31.03.1999) weniger als 25 %, aber mehr als 10 % hielten und somit nach alter Rechtslage steuerfrei hätten veräußern können.
  • Nr 3 (s Rn 359c): die rückwirkende Einführung der Fünftelregelung in § 34 EStG, als sie auch Fälle betraf, in denen im Jahre 1998, aber noch vor Erbringung der Neuregelung im Bundestag (09.11.1998), eine Entschädigung verbindlich vereinbart und im Jahre 1999 ausbezahlt oder unabhängig vom Zeitpunkt der Vereinbarung noch vor der Verkündigung der Neuregelung (31.03.1999) ausbezahlt wurde.
 

Rn. 359e

Stand: EL 159 – ET: 08/2022

BVerfG v 10.10.2012, 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302 (,dazu Desens, FR 2013,148) hielt in Fortführung dieser unter s Rn 359c, 359d dargestellten Rspr wegen der gesteigerten Anforderungen bei unechter Rückwirkung durch belastenden Eingriff in den laufenden Erhebungszeitraum die Regelung in § 36 Abs 4 GewStG aF, nach der die Hinzurechnung von Dividenden und gleichgestellten Leistungen zum Gewerbeertrag nach § 8 Nr 5 GewStG erstmals für den VZ 2001 anzuwenden war, für insoweit als verfassungswidrig, als Vorabausschüttungen betroffen waren, die im Zeitraum bis einschließlich 11.12.2001 beschlossen und abgewickelt wurden (der Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 11.12.2001 enthielt die dann Gesetz gewordene Fassung des § 8 Nr 5 GewStG und sah erstmals die Anwendung für den VZ 2001 vor). Das BVerfG stellte also eine unechte Rückwirkung kurz vor Ende des Erhebungszeitraums einer echten gleich.

BVerfG v 10.04.2018, 1 BvR 1236/11, BStBl II 2018, 303: Die Verfassungsbeschwerde betraf die Fragen, ob die Einführung der Gewerbesteuerpflicht für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer Mitunternehmerschaft durch § 7 S 2 Nr 2 GewStG im Juli 2002 und das rückwirkende Inkraftsetzen dieser Vorschrift für den Erhebungszeitraum 2002 verfassungsrechtlich zulässig sind. Beides sieht das BVerfG als verfassungsgemäß an – keine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG (Leistungsfähigkeitsprinzip, Benachteiligung bestimmter Mitunternehmerschaften) und des Rückwirkungsverbots.

BVerfG v 25.03.2021, 2 BvL 1/11, BFH/NV 2021, 1054: Die Beschränkung der Absetzbarkeit von Vorauszahlungen auf Erbbauzinsen durch die gleichmäßige Verteilung der Ausgaben auf den Zeitraum, für den sie geleistet worden sind, durch § 11 Abs 2 S 3 Hs 1 EStG iVm § 52 Abs 30 EStG in der Fassung des Richtlinien-Umsetzungsgesetzes war mit belastenden Folgen einer unechten Rückwirkung verbunden, die zum Teil dem Grundsatz des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes widersprechen.

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