Rz. 2

[Autor/Stand] Es bedarf keiner Begründung, dass der Aktenkenntnis auch im Strafprozess eine besondere Bedeutung zukommt. Dies gilt nicht nur für den Verteidiger, dessen Tätigkeit für den Beschuldigten eine möglichst umfassende Kenntnis des Verfahrensstandes voraussetzt (§ 147 StPO; s. dazu § 385 Rz. 157 f.; § 392 Rz. 391 ff.; § 399 Rz. 52.2), sondern auch für andere am Verfahren Beteiligte, wie z.B. den nicht anwaltlich vertretenen Beschuldigten (§ 147 Abs. 7 StPO; s. § 385 Rz. 157; § 392 Rz. 394), den Nebenkläger, die Einziehungs- und Arrestbeteiligten, die bußgeldbeteiligte juristische Person oder Personenvereinigung oder den Verletzten.

Jedwede prozessuale Mitwirkung, soll sie sachgerecht sein, ist ohne Kenntnis der Entwicklung des Verfahrens und der ihm zugrunde liegenden Einzelheiten nur schwer möglich und mit besonderen Risiken behaftet. Diese Kenntnis wird zuverlässig erworben nicht durch Gespräche mit anderen Verfahrensbeteiligten – Staatsanwalt, Gericht, Mitbeschuldigte –, sondern durch Einsichtnahme in die Akten. Dass dies auch vom Gesetzgeber so gesehen wird, zeigen die in den einzelnen Verfahrensordnungen enthaltenen Vorschriften über die Befugnis zur Akteneinsicht bzw. zur Auskunftserteilung (vgl. §§ 147, 397 i.V.m. § 385 Abs. 3, § 434 Abs. 1 Satz 2, § 442 Abs. 1, 406e, § 444 Abs. 2 Satz 2, §§ 474 ff. StPO (s. dazu Rz. 2.2); § 49 Abs. 2 OWiG; § 69 Abs. 3 JGG; § 78 FGO; § 100 VwGO, § 120 SGG; §§ 299, 299a ZPO; § 108 StBerG; § 82b WPO; § 117b BRAO; § 3 WDO (letztere betr. die Akteneinsicht im Disziplinarverfahren).

 

Rz. 2.1

[Autor/Stand] Durch das Besichtigungsrecht (s. Rz. 20) wird der FinB die Möglichkeit gegeben, sich am Einziehungsverfahren nach § 401 AO zu beteiligen bzw. beizeiten den Antrag auf Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei Tätern und Teilnehmern (§§ 74 ff. StGB, § 375 Abs. 2 AO) oder die Anordnung der Einziehung von Taterträgen (§§ 73 ff. StGB) zu stellen[3].

 

Rz. 2.2

[Autor/Stand] Die Vorschrift ist auch nicht etwa durch den mit dem StVÄG 1999[5] eingefügten § 474 Abs. 1 StPO überflüssig geworden, der allen Justizbehörden – und dazu zählen auch die mit strafprozessualen Befugnissen ausgestatteten FinB i.S.d. § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1, § 402 Abs. 1 AO und auch die Steuer- und Zollfahndung in Fällen des § 404 Abs. 1 AO – ein Akteneinsichtsrecht gewährt[6], denn die Gewährung von Akteneinsicht nach dieser Vorschrift dient nicht – wie bei § 395 AO – verfahrensinternen, sondern verfahrensfremden Zwecken ("zum Zwecke der Rechtspflege"), etwa wenn die FinB Informationen über ein aus den Akten ersichtliches Strafverfahren wegen einer anderen Straftat für ein Steuerstrafverfahren benötigt[7].

 

Rz. 3

[Autor/Stand] Durch § 395 AO soll sichergestellt werden, dass die FinB (BuStra) sich über den Stand eines laufenden Steuerstrafverfahrens und das Ergebnis der Ermittlungen unmittelbar informieren kann[9]. Ein solches Informationsbedürfnis besteht, wenn die StA im Verfahren tätig ist oder von Gesetzes wegen tätig werden muss bzw. wenn nach Anklageerhebung das Gericht zuständig ist. In folgenden Verfahrensabschnitten kann dies der Fall sein:

 

Rz. 3.1

[Autor/Stand] Was das Ermittlungsverfahren (zu den Einzelheiten dieses Verfahrensabschnitts s. § 385 Rz. 41 ff.) anlangt, ist grds. davon auszugehen, dass dies im Regelfall von der FinB selbständig durchgeführt wird (§ 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO). Da sie dann die Akten selbst führt, ist für irgendeine Befugnis, die Akten einzusehen, kein Raum. Sie ist selbst Informationsträger und hat kein Informationsbedürfnis. Anders kann es aussehen, wenn sie die Strafsache an die StA abgegeben hat oder diese die Sache an sich gezogen hat (vgl. § 386 Abs. 4 Satz 1 und 2 AO). Das Evokationsrecht der StA hat der BGH jüngst in besonderer Weise betont[11]. Dann werden die Ermittlungen von der StA geführt, was zur Folge hat, dass die FinB auf die Informationen angewiesen ist, die ihr übermittelt werden oder die sie sich selbst – durch Akteneinsicht – verschafft. Die Möglichkeit, Akten einzusehen bzw. Beweismittel zu besichtigen, wird durch § 395 AO sichergestellt.

Selbst wenn die FinB die Ermittlungen selbständig geführt hat, ist sie nach § 400 AO verpflichtet, die Akten der StA vorzulegen, nämlich dann, wenn die "Ermittlungen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage" bieten und die Strafsache zur Behandlung im Strafbefehlsverfahren nicht geeignet ist. Von dem Zeitpunkt an wird das weitere Verfahren von der StA bzw. von dem zur Entscheidung berufenen Gericht betrieben. Die StA erhebt die Anklage (§ 170 Abs. 1 StPO) und vertritt sie in der Hauptverhandlung (§ 243 Abs. 3, § 226 StPO). Das Gericht bereitet die Hauptverhandlung vor und führt sie durch (s. dazu § 385 Rz. 592 ff., 600 ff.). Die dazu erforderlichen Akten befinden sich entweder bei der StA – bis zur Erhebung der Anklage – oder danach bei Gericht.

 

Rz. 3.2

[Autor/Stand] Durch § 395 AO wird der FinB ermöglicht, auch in den Verfahrensabschnitten, die zeitlich nach dem Ermittlungsver...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge