Rz. 276

Einlagen müssen nicht von allen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung erbracht werden. Bei Einlagen auf das Nennkapital ist das unbestritten. Eine inkongruente (disproportionale) Einlage bei einer Kapitalerhöhung bedeutet, dass der Gesellschafter, der an der Kapitalerhöhung über seine Beteiligungsquote hinaus teilnimmt, seinen Beteiligungsprozentsatz erhöht. Soweit der für die Kapitalerhöhung aufzubringende Betrag den anteiligen tatsächlichen Wert der neuen Anteile berücksichtigt, also ein angemessenes Agio gezahlt wird, handelt es sich bei dem Erwerbenden in voller Höhe um Anschaffungskosten; bei den anderen Gesellschaftern treten keine ertragsteuerlichen Konsequenzen ein. Soweit der für die Kapitalerhöhung aufzubringende Betrag niedriger ist als der tatsächliche Wert der neuen Anteile, liegt eine Übertragung von Gesellschaftsrechten von den anderen Gesellschaftern auf den an der Kapitalerhöhung teilnehmenden Gesellschafter vor. Diese Übertragung kann entgeltlich sein; das ist z. B. der Fall, wenn im sachlichen Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung ein geleistetes Agio an die Gesellschafter ausgezahlt wird, die an der Kapitalerhöhung nicht teilgenommen haben. Steuerlich ist dieser Vorgang als Veräußerung an den anderen Gesellschafter zu behandeln. Die Übertragung kann auch unentgeltlich erfolgen. In diesem Fall kann eine steuerpflichtige Schenkung zwischen den Gesellschaftern vorliegen. Es gelten die Grundsätze zur offenen Einlage in Rz. 207ff.

 

Rz. 277

Handelt es sich um eine Einlage, die nicht auf das Nennkapital erfolgt, z. B. eine verdeckte Einlage, ändert sich das Beteiligungsverhältnis nicht, es werden also auch keine Gesellschaftsrechte zwischen den Gesellschaftern veräußert. Ob sich steuerliche Konsequenzen ergeben, hängt von den Gründen für die disproportionale Einlage ab.[1] Denkbar sind z. B. betriebliche Gründe des die Einlage leistenden Gesellschafters wie die Stärkung der Gesellschaft durch Zuführung neuen Eigenkapitals, etwa um eine Insolvenz zu vermeiden, ggf. gegen Besserungsschein, oder für Investitionen, während die anderen Gesellschafter hieran nicht teilnehmen wollen, weil sie ein geringeres oder anderes geschäftliches Interesse an der Gesellschaft haben, aber auch einer Verminderung ihrer Beteiligungsquote nicht zustimmen wollen (eigennützige disproportionale Einlage). Ist das betriebliche Interesse des die Einlage befürwortenden Gesellschafters groß genug, kann es für ihn vorteilhafter sein, eine disproportionale Einlage vorzunehmen, als die Einlage ganz zu unterlassen. Die Einlage stellt dann Anschaffungskosten für seine Beteiligung dar; da er ein eigenes Interesse an der Gesellschaft hat, wird für ihn der Wert der Anteile auch dem vollen Buchwert einschließlich des vollen Betrags der disproportionalen Einlage entsprechen, selbst wenn er bei einer Liquidation nur den seiner Beteiligung entsprechenden Teil der Einlage zurückerhalten würde. Eine Zuwendung an die anderen Gesellschafter liegt dann nicht vor.[2]

 

Rz. 278

Eine disproportionale Einlage kann auch im Rahmen des Schütt-aus-hol-zurück-Verfahrens (Rz. 397) auf eine disproportionale Gewinnausschüttung erfolgen, etwa wenn nur ein Gesellschafter Verlustvorträge hat und daher nur bei ihm das Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren Vorteile bringt. Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten ist darin nicht zu sehen.[3] Im Einzelnen wird auf die Ausführungen zur inkongruenten Gewinnausschüttung (Rz. 351ff.) verwiesen.

Rz. 279 – 280 einstweilen frei

[1] Hierzu auch Marenbach, DStR 2006, 1919; Förster/Walla, FR 2015, 961.
[2] Zur Beachtlichkeit eines Zuwendungswillens im Rahmen von § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG s. Rz. 212.

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