Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Vollziehung in Sachen. Gewerbesteuermeßbetrag 1983 bis 1990 gegen die Firma … GmbH i. K. …

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 04.10.1996; Aktenzeichen I B 54/96)

 

Tenor

1. Der Antrag wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht, ob die Antragstellerin, eine Gemeinde, Rechtsschutz gegen die Herabsetzung von Gewerbesteuermeßbeträgen begehren kann; in materiell-rechtlicher Hinsicht geht der Streit darum, ob der Änderung der für die Jahre 1983 bis 1985 ergangenen Gewerbesteuermeßbescheide Festsetzungsverjährung entgegensteht.

Wegen des Sachverhalts und der Anträge wird auf die Akten sowie die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag kann keinen Erfolg haben.

Für die Jahre 1985 bis 1990 hält die Antragstellerin aufgrund „der (im Aussetzungsverfahren) erstmals abgegebenen nachvollziehbaren Darstellung des Sachverhalts” durch den Antragsgegner (das Finanzamt – FA–) im Schriftsatz vom 25.10.1995 den Rechtsstreit für erledigt und begehrt insoweit nur noch eine Kostenentscheidung gemäß § 138 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Das FA hat keine Erledigungserklärung abgegeben, sondern seinen Sachantrag auf Abweisung des Antrags in vollem Umfang aufrechterhalten, obwohl ihm der Schriftsatz der Antragstellerin mit der darin enthaltenen Erledigungserklärung zur Stellungnahme übersandt worden ist.

Die einseitige Erledigungserklärung der Antragstellerin kann im gerichtlichen Verfahren nur dann Rechtswirkungen entfalten, wenn der bei Gericht gestellte Antrag zulässig war (Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 138 FGO Tz. 39 mit Rechtsprechungsnachweisen). Dies ist nicht der Fall.

Im Streitfall fehlte es an der für das Rechtsschutzbegehren gemäß § 69 Abs. 3 FGO erforderlichen Antragsbefugnis. Aus diesem Grund muß der Antrag auch, soweit er von der Antragstellerin für die Jahre 1983 bis 1985 aufrechterhalten wird, als unzulässig abgewiesen werden.

Für die Antragsbefugnis im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung gelten § 40 Abs. 2 und Abs. 3 FGO entsprechend (vgl. Gräber/Koch, Kommentar zur Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 69 Anm. 17).

§ 40 Abs. 3 FGO trifft eine prozessuale Sonderregelung für den Fall, daß eine Finanzbehörde des Bundes oder eines Landes eine Abgabe ganz oder teilweise für andere Abgabenberechtigte verwaltet. In diesen Fällen können die Abgabenberechtigten Klage erheben, falls der Bund oder das Land die Abgaben oder einen Teil der Abgaben unmittelbar oder mittelbar schulden würde. Damit regelt § 40 Abs. 3 FGO den Fall einer Interessenkollision. Die Regelung wird von der Rechtsprechung im Umkehrschluß dahin ausgelegt, daß Rechtsschutz nach der FGO für Abgabenberechtigte in allen anderen – nicht in § 40 Abs. 3 FGO geregelten – Fällen ausgeschlossen sein soll (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH– vom 30. November 1976 III R 60/74, BStBl II 1976, 46). Nach dieser Rechtsprechung kann die Anfechtungsbefugnis auch nicht aus § 40 Abs. 2 FGO hergeleitet werden, weil durch Abgabenbescheide grundsätzlich nicht die Rechte, sondern nur die Interessen der ertragsberechtigten Körperschaft berührt würden.

Den danach bestehenden grundsätzlichen Ausschluß der Gemeinden vom Rechtsschutz in Meßbetragssachen hat das Bundesverfassungsgericht gebilligt und auch das Schrifttum anerkannt (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 1976 2 BvR 475/76, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 40 Abs. 3 Rechtsspruch 2 a; Kühn/Kutter/Hofmann, Kommentar zur Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 40 Anm. 4, von Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 40 FGO Rdnr. 123, Gräber/von Groll, Kommentar zur Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 40 Rdnr. 123, Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, a.a.O., § 40 FGO Rdnr. 16).

Der Antragstellerin ist zuzugeben, daß auch im vorliegenden Fall eine Interessenkollision besteht, weil die Herabsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge infolge der Pfändung der sich daraus gegen die Gemeinde (Antragstellerin) ergebenden Erstattungsansprüche zugunsten des Landes für dieses zu einem Vorteil führt. Die Interessenkollision kann auch nicht anders gewertet werden als die von der Regelung des § 40 Abs. 3 FGO erfaßte Situation, in dem dem Land als Steuerschuldner die Herabsetzung von Gewerbesteuermeßbeträgen unmittelbar zugute kommen würde.

Der entscheidende Unterschied zu dem in § 40 Abs. 3 FGO geregelten Fall besteht aber hier darin, daß der Steuerschuldner ein außenstehender Dritter und nicht – wie in § 40 Abs. 3 FGO vorausgesetzt – die verwaltende Körperschaft selbst ist. Anders als dem Steuerschuldner, dem die Festsetzung der Meßbeträge obliegt, muß einem außenstehenden Steuerschuldner ein Vertrauensschutz in den Bestand der ergangenen Bescheide zugebilligt werden.

Dazu hat die Rechtsprechung auf die weitreichen...

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